Ein Studienwerk für muslimische Studenten. Die neue Förderinitiative stößt auf breite Zustimmun

„Großer Schritt“, „wichtiges Anliegen“, „zentraler Baustein“: Als Deutschlands erstes Förderungswerk für begabte muslimische Studenten in der vorigen Woche in Berlin vorgestellt wird, fallen die Superlative im Sekundentakt.

(KNA). Aus Sicht der Verantwortlichen scheint das nur allzu berechtigt. „Wir mussten viele Gespräche führen“, sagt der Osnabrücker Islamwissenschaftler Bülent Ucar. Der 36-Jährige hat den Vorsitz über das nach dem persischen Universalgelehrten Avicenna (Abu Ali al-Husain ibn Abdullah ibn Sina, um 980-107) benannte Studienwerk übernommen.

Ab dem Wintersemester 2014/2015 sollen die ersten Jungakademiker gefördert werden. Das Bundesbildungsministerium stellt dafür in den kommenden vier Jahren rund sieben Millionen Euro zur Verfügung. Von einem großen intellektuellen Potenzial spricht die zuständige Ministerin Johanna Wanka (CDU) angesichts von derzeit schätzungsweise 60.000 bis 100.000 muslimischen Studenten an deutschen Universitäten.

400 Stipendien bis 2017
Bis zum Jahr 2017 werden, so hofft Ucar, rund 400 Stipendien vergeben worden sein. An junge Menschen, „die nicht nur einen Beitrag für die wissenschaftlich-gesellschaftliche Entwicklung leisten, sondern zugleich eine wichtige Vorbildfunktion für andere muslimische Kinder und Jugendliche einnehmen“. Ein Blick auf die Zahlen belegt aber auch: Die wahren Baustellen im Bereich Bildung und Muslime liegen weniger in der Eliten- als vielmehr in der Breitenförderung. Der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung liegt zwischen 4,6 und 5,2 Prozent. Bei den Studenten stellen sie nur 3 Prozent.

Der Tendenz nach dürfte für die Muslime das gelten, was die Integrationsstudie der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Ende 2012 für die Migranten allgemein festgehalten hat: Dass es trotz gewisser Verbesserung weiter Nachholbedarf im Bildungsbereich gibt. So haben 38 Prozent aller im Ausland geborenen und in Deutschland lebenden Menschen zwischen 15 und 64 Jahren maximal den Pflichtschulabschluss. Im OECD-Schnitt sind es 30 Prozent.

Die Verantwortlichen des Avicenna-Studienwerks wollen daher auf verschiedenen Wegen Begabungen erkennen und fördern. Elterngespräche gehören ebenso dazu wie Kontakte ins religiöse Milieu. „Dafür stehen uns auch die Türen in den über 2.000 Moscheegemeinden Deutschlands offen“, sagt Ucar. Genau dieser Ansatz hat offenbar auch die Stiftung Mercator dazu bewogen, in die Förderung einzusteigen. Die Essener Stiftung, die sich unter anderem einer „chancengleichen Teilhabe“ von Migranten am deutschen Bildungswesen verschrieben hat, hat zugesagt, das neue Studienwerk in den kommenden fünf Jahren mit einer Million Euro zu unterstützen.