Gewalt in Syrien zwingt Palästinenser zur erneuten Flucht. Von Weedah Hamzah,

Die Gewalt in Syrien treibt viele Menschen in die Flucht. Manche haben diese Erfahrung bereits einmal gemacht: Zahlreiche Palästinenser müssen ihre neue Heimat Syrien nun wieder verlassen.

Beirut (dpa). Als sie gerade erst ein paar Monate alt war, verließen ihre palästinensischen Eltern die alte Heimat. Fast ihr ganzes Leben lang hat sie im Flüchtlingslager Yarmuk in Damaskus verbracht. Nun macht der blutige Konflikt in Syrien Salma Adra (52) zum zweiten Mal zum Flüchtling. Nachdem sie Syrien mit ihren Töchtern den Rücken gekehrt hat, sitzt die vierfache Mutter in einem Flüchtlingslager für Palästinenser in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Sie weiß nicht, wie es weitergehen soll. Innerhalb von zehn Tagen muss sich die Witwe entscheiden, ob sie mit ihren Töchtern nach Syrien zurückkehrt.

Rund 100 000 Palästinenser leben derzeit in Yarmuk. Obwohl die meisten von ihnen sunnitischen Glaubens sind, haben sie sich aus den Auseinandersetzungen zwischen dem Regime von Machthaber Baschar al-Assad und denRebellen weitgehend herausgehalten. «Unsere Sorgen begannen vergangenen Monat, als sich die Rebellen Kämpfe mit syrischen Truppen in Damaskus lieferten», erzählt Adra. Fälschlicherweise hätten dann einige Assad-Getreue gestreut, die Palästinenser im Lager hätten sich auf die Seite ihrer Glaubensbrüder geschlagen und den Rebellen Unterschlupf gewährt.

Am 18. Juli tötete eine Bombe vier hochrangige Sicherheitsleute aus Assads innerem Führungskreis, der zu großen Teilen aus Alawiten besteht. Daraufhin beschossen Assads Leute das Lager mit Granaten – 20 Menschen starben, viele wurden verletzt. «Es war furchtbar. Menschen lagen in ihrem eigenen Blut und riefen nach Hilfe. Andere waren bereits tot», erinnert sich Adra. Seitdem kam Yarmuk nicht mehr zur Ruhe. Ihren Kindern wollte sie die dauernde Angst nicht mehr antun, erzählt sie. «Deshalb habe ich mich entschieden, in den Libanon zu gehen und bei meiner Schwester zu wohnen.»

In der vergangenen Woche sind etwa 800 Palästinenser aus Syrien in den Libanon geflohen. Adra und ihre Kinder benötigten sieben Stunden für eine Reise, die unter normalen Umständen zwei Stunden dauert. Aber was ist dieser Tage schon normal in Syrien? «Wir wurden an mindestens 40 syrischen Straßensperren angehalten und kontrolliert, bevor wir die libanesische Grenze erreichten», berichtet Adra. An der Grenze sagten ihr die Zöllner, sie dürfe nur innerhalb der ersten zehn Tage nach ihrer Ausreise wieder nach Syrien zurückkehren. «Ich dachte immer, in Syrien könnten meine Kinder in Frieden leben. Nun weiß ich nicht, was ich tun soll.»

Die meisten der aus Syrien geflohenen Palästinenser wurden in drei Lagern untergebracht und dürfen diese nicht verlassen. Insgesamt leben etwa 367 000 Palästinenser im Libanon, auf Dutzende von Lagern verteilt. Im Libanon dürfen sie nur einfache Arbeiten annehmen, viele leben in Armut. In Syrien, wo nach UN-Angaben eine halbe Million Palästinenser leben, haben sie mehr Rechte und eine bessere finanzielle Versorgung. «Wir müssen wohl in den kommenden Tagen nach Syrien zurückkehren und das Schicksal der anderen Palästinenser teilen, die noch dort leben», sagt Adra.