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Hadsch 2023: „Die Nachfrage wurde viel größer“

Ausgabe 336

Hadsch 2023 Medina
Foto: Hasan Rami Balcok

Für die diesjährige Hadsch gelten erneute neue Organisationsvorgaben. Hierzu sprachen wir mit einem Anbieter in Deutschland.

(iz). Die Essener Firma BALCOK Travel ist ein langjähriger Reiseveranstalter, der sich auf maßgeschneiderte Reisepakete für muslimische Kunden spezialisiert hat. Seit über 40 Jahren ist das Familienunternehmen erfolgreich in den Bereichen Hadsch, Umrah, Pauschal- und Halalreisen tätig.

Wir sprachen mit Geschäftsführer Hasan Rami Balcok, der das Geschäft von seinem Vater und Gründer Ibrahim Balcok übernommen hat. Und wollten von ihm wissen, wie sich die Hadsch nach der Pandemie verändert hat, wie Pilger heute ihre Pakete buchen können und welche Ansprüche die neuen Generationen die Reisen haben.

Islamische Zeitung: Lieber Hasan Rami Balcok, im Frühsommer 2022 kam es zu erheblichen Turbulenzen bei den Möglichkeiten, von Ländern wie Deutschland aus zur Hadsch gehen zu können. Zuerst wurde überstürzt ein Losverfahren eingeführt, während es mittlerweile wieder die Möglichkeit gibt, die Pilgerreisen in verschiedenen Paketen zu buchen. Wie sieht die gegenwärtige Regelung aus?

Hasan Rami Balcok: Aktuell können wir natürlich nur Informationen über den aktuellen Stand mitteilen. Die Plattform, über die sich die Pilger beziehungsweise Interessenten anmelden, heißt Nusuk (https://hajj.nusuk.sa). Sie gilt für ganz Europa, Amerika und Australien.

Da wählen sich die Gäste unter verschiedenen Paketen eines aus und buchen es. Das ist der Verlauf in diesem Jahr. Und ja, für die letztjährigen Pilger war die Hadsch mit besonderen Herausforderungen verbunden. Es ist zwar noch ein wenig mit Mühsal verbunden, aber im Vergleich zum letzten Jahr weitausbesser.

Lage für Hadsch-Anbieter änderte sich erheblich

Islamische Zeitung: Bedeutet das, dass Unternehmen wie das Ihrige auch in diesem Jahr keine eigene Hadsch-Reisen anbieten können?

Hasan Rami Balcok: Ich sage mal: jein. Wir sind aktuell leider nicht als Veranstalter direkt für unsere Gäste da. Das heißt, wir dürfen nicht die komplette Hadsch ausrichten. Die Regularien geben vor, dass Reiseveranstalter aus den genannten Kontinenten nicht offiziell mitwirken dürfen. Aber wir haben zum Glück die Möglichkeit unsere Gäste bei dem Vorgang zu unterstützen. Auf der Plattform werden mehr als 100 Pakete angeboten. Dabei stehen wir ihnen mit Informationen und Rat zur Seite.

Islamische Zeitung: Betrifft das auch die Möglichkeit, eine kleine Pilgerreise (arab. ‘umra) über Firmen wie Sie zu buchen?

Hasan Rami Balcok: Nein. Da sind wir als Veranstalter weiterhin bei der Organisation und Umsetzung der ‘Umra aktiv. Allerdings wird die Hadsch derzeit zentral gesteuert.

Foto: Paman Ahari, Shutterstock

Zentralisierung und Preissteigerungen

Islamische Zeitung: Welche Folgen hatten diese rapiden Änderungen im letzten Jahr für Kunden und Anbieter? Im Grunde hatten Zehntausende angehende Pilger in westlichen Ländern außerhalb der OIC ihre Hadsch-Buchungen verloren.

Hasan Rami Balcok: Durch die rapide Umstellung entstanden schon einige Probleme. In diesem Jahr wurde es teilweise geändert, da Unternehmen und Veranstalter vor Ort mit ins Boot geholt wurden. Diese sind dankbar für die jahrzehntelange Erfahrung, die wir mit ihnen teilen. Das ist schon ein Vorteil. Es ist nicht so wie letztes Jahr. Dieses Mal wurden einige positive Erweiterungen eingeführt.

Islamische Zeitung: 2022 wurden ja auch Einschränkungen eingeführt wie eine strikte Altersobergrenze von 65 Jahren sowie eine allgemeine Impfpflicht. Sind diese Restriktionen weiterhin gültig?

Hasan Rami Balcok: Sie wurden teilweise aufgehoben. Zum Glück gibt es keine strikte Altersbegrenzung mehr. Letztes Jahr war die Hadsch nur zwischen 12 und 65 Jahren möglich. Einzige Beschränkung in diesem Jahr ist, dass die Pilger mindestens 12 Jahre alt sein müssen.

Islamische Zeitung: Was zu Verärgerung in einigen westlichen Ländern geführt hat, ist, dass die angebotenen Pakete deutlich teurer wurden im Vergleich zu dem, was Kunden in Ländern wie den USA oder Deutschland von ihren lokalen Anbietern gewohnt waren. Mit was müssen Leute jetzt rechnen?

Hasan Rami Balcok: Die Kosten für eine Hadsch-Reise können je nach gewähltem Paket und Anbieter variieren. Oft wird von einem Anstieg der Preise gesprochen. Es stimmt, wenn man natürlich noch die Inflation weltweit mit einbezieht. Diese ist auch in unserem Alltagsleben zu spüren. Das saudiarabische Hadschministerium hat während und nach der Pandemie einiges investiert. Sowohl das Haram in Mekka wurde erweitert beziehungsweise umgebaut.Außerdem hat Riad Geld in das Gesundheitswesen gesteckt. Derzeit spricht man für die Hadsch von einer Person mit Anfangskosten von mindestens 8.000 Euro.

Islamische Zeitung: Ist das Interesse an Hadsch und ‘Umra durch die Pandemie eingebrochen?

Hasan Rami Balcok: Wir beobachten das Gegenteil. Seit Ende der Pandemie und seitdem man wieder reisen kann, wurde die Nachfrage viel größer. Deswegen ist es für Pilger umso wichtiger geworden, dass sie dabei als Gruppe agieren, die von erfahrenen Imamen und Reiseleitern begleitet wird. Dabei ist auch die Vorbereitung auf diese spirituell-religiöse Reise von Bedeutung. Aus diesem bieten wir eine Rundumbetreuung an, bei der wir auch vor der Reise durch unsere Akademie und unsere Webinare unsere Gäste bestmöglich vorbereiten.

Foto: Balcok Reisen

Auf Unterschiede und Bedürfnisse eingehen

Islamische Zeitung: Balcok Reisen ist bekannt dafür, dass seine Kunden einen vielfältigen kulturellen und ethnischen Hintergrund haben; also nicht nur arabische, türkische oder bosnische Reisende betreut. Bieten Sie für diese angepasste Pakete an?

Hasan Rami Balcok: Genauso ist es. Unser Fokus ist in erster Linie deutschsprachig. Aber bei vielen Reisen wird die entsprechende Teilnehmerzahl erreicht, sodass wir dann halt noch eine arabischsprachige oder türkischsprachige Gruppe zur Verfügung stellen können.

Islamische Zeitung: Es gibt bei den Pilgerreisen verschiedene Varianten. Und manche Regelungen unterschieden sich je nach Rechtsschule. Beachten Sie diese Differenzen bei Angebot und Organisation?

Hasan Rami Balcok: Wir wissen von vornherein, dass die marokkanischen Geschwister eher der malikitischen Rechtsschule folgen. Dementsprechend bekommen sie einen geeigneten Imam. Das gilt auch für türkischsprachige Gruppen, für die hanafitische Führer tätig sind. Die Gruppen sind möglichst nach Rechtsschulen getrennt. Die Konstellation passt immer gut, weil der Imam dann so einfach wie möglich erklären kann. Wobei wir das im Vorfeld auch noch mal kommunizieren. Wir bereiten unsere Gäste vorab vor, damit sie vor Ort nicht durcheinander kommen.

Islamische Zeitung: Mittlerweile wird in Deutschland die dritte oder vierte Generation auf die Hadsch gehen. Hat sich – im Vergleich zu früher – deren Haltung und Erwartung an die Pilgerreise geändert?

Hasan Rami Balcok: Tatsächlich gibt es Unterschiede. Ich meine, ich selber bin ja jetzt auch mittlerweile 20 Jahre auf diesem Gebiet tätig, das mein Vater vor 40 Jahren begonnen hat. Und habe diesen Generationswechsel selbst mitbekommen. Für die jetzige Generation ist die Vorbereitung auf die Reise und der stetige Kontakt zum Reiseveranstalter wichtig. Früher hat man einfach gesagt: Okay, ich buche jetzt die Pilgerreise, schaue, was mich erwartet, und bin mit fast allem zufrieden.

Aber heutzutage ist der Anspruch ein anderer. Ein ausgeprägter Vorteil der jetzigen Generation ist, dass sie daran interessiert ist, sich fortzubilden und aktiv vorbereitet zu sein. Und auch während der Reise, wenn wir Vorträge und Programme anbieten, liegt die Teilnahme immer bei etwa 80 Prozent. Das zeigt uns, dass es einen Durst nach Wissen gibt, der durch unsere Bildungsangebote gestillt wird.

Foto: Defne Kucukmustafa, Unsplash

Auch in Deutschland wächst der Markt für Halal-Tourismus

Islamische Zeitung: Der weltweite Markt für muslimische Reisende – oder auch „Halal-Tourismus“ – wächst seit Jahren ununterbrochen an. Mittlerweile entwickeln sich auch Ziele in Europa wie England, Spanien, Bosnien oder die europäische Türkei. Wird das für ein Unternehmen wie Balcok zukünftig wichtig?

Hasan Rami Balcok: Definitiv. Bisher sind wir eigentlich für die Hadsch- und Umra-Reisen bekannt. Nach der Pandemie ist die Nachfrage unserer Gäste nach Kulturreisen, wie bei den Umrareisen, sehr stark gestiegen. Wir weiten unser Reisesegment in diesem Bereich immer weiter aus. So besuchten wir vor Kurzem Andalusien. Die Reise war bereits zwei Monate vor Abreise ausgebucht. Die Teilnehmer kamen aus dem ganzen Bundesgebiet.

Bisher hat sich kein Veranstalter auf deutschsprachige Muslime als Zielgruppe eingestellt. Diese Lücken füllen wir durch unser diverses Angebot an Kulturreisen, hierunter unter anderem Reiseziele wie Spanien, Marokko, Bosnien und auch Iran. Wir konzentrieren uns darauf die Bedürfnisse des muslimischen Reisenden optimal in unsere Reiseverläufe einzubinden. Das umfasst sowohl die Ausrichtung des Programms auf die Gebetszeiten als auch das Halal-Essen.

Islamische Zeitung: Lieber Herr Balcok, wir bedanken uns für das Gespräch.