Hintergrund: Forschungsprojekt untersucht die Reaktion muslimischer Migranten auf Bundeswehroperationen in muslimischen Ländern

Berlin/Bonn/Hamburg (GFP.com). Ein von der Bundesregierung finanziertes aktuelles Forschungsprojekt untersucht die Reaktion muslimischer Migranten auf Gewaltoperationen der Bundeswehr in islamischen Ländern. Die beauftragten Wissenschaftler der Universität Hamburg wollen insbesondere in Erfahrung bringen, inwieweit das “außenpolitische Handeln” Deutschlands Einfluss auf “islamistische Radikalisierungsprozesse” im Inland hat. Eng damit verknüpft ist ein weiteres ebenfalls in Hamburg angesiedeltes Forschungsvorhaben, das versucht, die “Denkweisen” sogenannter dschihadistischer Attentäter zu analysieren und mit Hilfe der Resultate auf konkrete Anschlagsplanungen und -ziele zu schließen. Die beiden Projekte sind Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit dreistelligen Millionensummen geförderten Programms “Forschung für die zivile Sicherheit”, an dem sowohl die deutschen Streitkräfte als auch führende Rüstungsunternehmen beteiligt sind.

Rückwirkungen im Inland
Wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mitteilt, hat es das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg (IFSH) sowie das Bonn International Center for Conversion (BICC) mit einer Untersuchung darüber beauftragt, “inwieweit externe Konflikte und außenpolitisches Handeln der Bundesrepublik Deutschland (…) Rückwirkungen auf islamistische Radikalisierungsprozesse in Deutschland zeigen”.

Erfasst wird dabei einer Selbstdarstellung des IFSH zufolge das “deutsche außen- und sicherheitspolitische Verhalten in der muslimischen Welt”, wie es sich etwa in “militärische(n) Missionen”, “Polizeimissionen” und “Rüstungskooperation(en)” oder auch in der “Entwicklungszusammenarbeit” widerspiegelt. Grundsätzlich gehen die mit Fördermitteln in Höhe von insgesamt rund 850.000 Euro ausgestatteten Wissenschaftler davon aus, dass “bewaffnete Interventionen europäischer Staaten” bereits “terroristische Aktivitäten” in Europa zur Folge hatten; sie wollen nun entsprechende “Indikatoren” hierfür entwickeln. Diese sollen nach Abschluss des Projekts im Sommer 2014 sowohl “politischen Entscheidungsträgern” als auch “Akteuren der Inneren Sicherheit” in Form von “Handlungsempfehlungen” zur Verfügung gestellt werden.

Keine Rücksichtnahme
Welcher Art diese Empfehlungen sind, hat die Projektleiterin des IFSH, Matenia Sirseloudi, bereits auf einem von der staatsfinanzierten “Deutschen Welle” speziell für Muslime eingerichteten Internetportal deutlich gemacht. Wie die Wissenschaftlerin ausführt, dürfe sich die Bundesregierung auf keinen Fall “von irgendwelchen dschihadistischen Gruppierungen erpressen lassen”: “Sollte es im deutschen außen- und sicherheitspolitischen Interesse notwendig sein, sich an militärischen Interventionen zu beteiligen, so darf es kein Entscheidungskriterium sein, ob Dschihadisten dies befürworten oder nicht.” Gleichzeitig müssten entsprechende Gewaltoperationen propagandistisch so aufbereitet werden, dass sich der muslimische Teil der inländischen Bevölkerung hierin “wiederfinde”. Für “entscheidend” hält Sirseloudi in diesem Zusammenhang, inwieweit es deutschen Truppen gelingt, “Kollateralschäden” zu vermeiden und “saubere Kriege” zu führen. Dies sei zwar “sehr schwer”, aber unumgänglich, erklärt die “Friedensforscherin”: “Die Tötung von Zivilisten sollte so weit wie möglich vermieden werden, nicht nur weil sie gegen Menschenrechte und geltendes Kriegsvölkerrecht verstößt, sondern auch weil die Dschihadisten dies sofort für ihre Propaganda zu nutzen wissen.”

Technische Prävention
Eng mit dem von Sirseloudi geleiteten Forschungsvorhaben verknüpft ist ein Projekt des Hamburger Instituts für Sicherheits- und Präventionsforschung (ISIP) zum Thema “Technische Prävention von Low-Cost-Terrorismus”. Über die diesem zugrunde liegende Motivation teilt das BMBF, das die beauftragten Wissenschaftler mit knapp 600.000 Euro fördert, folgendes mit: “In den letzten Jahren sind immer wieder Fälle und Vorbereitungen für terroristische Anschläge bekannt geworden, bei denen einfach zu beschaffende, kostengünstige Mittel ausreichend waren, um die zivilen Infrastrukturen in westeuropäischen Ländern an verletzlichen Punkten zu treffen.”

Aufbauend auf dieser Einschätzung sollen nun die “terroristischen Planungsprozesse dschihadistischer Low-Cost-Täter” untersucht werden – zum einen hinsichtlich der “subjektiven Wahrnehmung von Tatgelegenheiten”, zum anderen in Bezug auf “Selektionsprozesse innerhalb des Raums von Tatgelegenheiten”. Im Anschluss will man dann Konzepte für “situationsbezogene und technologische Präventionsmaßnahmen” entwickeln, um diese Repressionsbehörden, “Terrorismusforschern” und Infrastrukturunternehmen zur Verfügung zu stellen.

Indikatoren für die Zielauswahl
Analog dem IFSH geht auch das ISIP davon aus, dass die Kriegsoperationen der Bundeswehr in islamisch geprägten Ländern eine “Radikalisierung” in Deutschland lebender Muslime nach sich ziehen. Allerdings setzt das ISIP die Existenz “motivierter Täter” bereits voraus und sucht nach Möglichkeiten, deren “Opportunitätsstrukturen” zu manipulieren. Ziel ist es laut BMBF, “die Denkweisen und die Dynamik der unterschiedlichen Tätergruppen nachzuvollziehen”, um “verallgemeinerbare Indikatoren” zu finden, die “die Zielauswahl terroristischer Gruppen beeinflussen”.

Geschehen soll dies mittels eines “Planspiels”, bei dem “Probanden in Kleingruppen” fiktive Anschläge planen. Die “detaillierte(n) Überlegungen” der Spieler werden wiederum mit einer parallel dazu erstellten “Fallerhebung” über Angriffe feindlicher Kombattanten in Westeuropa verglichen – unter “besonderer Berücksichtigung” der von Polizeibehörden und Geheimdiensten ermittelten “Informationen über Planungsprozesse”.

Feinde im Inland
Die beschriebenen Untersuchungen sind integraler Bestandteil des vom BMBF aufgelegten Programms “Forschung für die zivile Sicherheit” und betrachten deren “gesellschaftliche Aspekte”. Erklärtes Ziel der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung ist es zum einen, die “Akzeptanz” für den Einsatz weitreichender Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen bei der inländischen Bevölkerung zu erhöhen. Zum anderen sollen die Motive und Strategien potentieller Feinde der deutschen Kriegspolitik ermittelt werden, um sie besser bekämpfen zu können. Insgesamt hat das BMBF nach eigenen Angaben in der Zeit von 2007 bis 2012 rund 279 Millionen Euro für “Sicherheitsforschung” ausgegeben; an den entsprechenden Projekten beteiligen sich neben Polizeibehörden und Rettungsdiensten regelmäßig auch führende deutsche Rüstungskonzerne und die Bundeswehr.