Humanität im Krieg: Wer denkt an die Opfer?

Ausgabe 341

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Foto: Anas-Mohamed, Shutterstock

Humanität beweist sich im Krisenfall: Dazu gehört, bei den Opfern innezuhalten, bevor der „Diskurs“ weitergeht.

(iz). Dass der israelisch-palästinensische Konflikt „seit jeher“ auch in Bildern ausgetragen wird, gehört nach Ansicht des deutschen Historikers Joseph Croitoru in der ZEIT zu seinen Konstanten.

Humanität beweist sich zuerst im Umgang mit den Opfern

Croitoru hat Recht: Mit Beginn der terroristischen Hamas-Aktion wurde das Netz als Arena des Krieges mit Videos der barbarischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung geflutet. Kurze Zeit später, als Reaktion auf den Terror, fallen Bomben und Raketen auf Gaza. Auch sie produzieren bekannte Bilder.

Foto: Yoav Keren, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 4.0

Das erweist sich seit mehr als zwei Wochen als Problem. Obwohl diese Darstellungen in der medialen Kriegsführung zumeist negative Emotionen erzeugen (sollen), verschwinden die Toten und Verletzten hinter ihnen.

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Auf Seiten der Hamas kann man mit Fug und Recht davon ausgehen, dass sie Fotos und Videos von zivilen Opfern als Teil ihrer Propaganda nach außen einsetzt.

Die Opfer verschwinden hinter den Bildern

Im Zeitalter der sozialen Medien, der totalen Verfügbarkeit digitaler Inhalte und der hiesigen Aufladung besteht die Gefahr, dass wir sie hinter uns lassen.

Was fehlt, ist ein Innehalten. Ein Stillstehen vor dem Schmerz konsequenter Menschlichkeit, vor dem Schock über die höchste Zahl ermordeter Juden seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ebenso wie vor der ständig wachsenden Anzahl getöteter christlicher und muslimischer Zivilisten in Gaza.

Foto: A-One Rawan, Shutterstock

Stattdessen wird reflexartig ein Schritt weg vom Geschehen selbst getan – entweder zur Relativierung der Tat oder Rechtfertigung einer Kriegsführung, die in den Augen vieler in Teilen ein Kriegsverbrechen darstellt.

Nach dem ersten Schock angesichts des Terrors in Israel beziehungsweise der steigenden Opferzahlen in Gaza sind wir sozial wie individuell gefährdet, die Toten und Verletzten als Argument für unsere Vorstellungen zu benutzen. Die Abfolge der Argumente geht weiter…

Auch dieser Krieg und seine Hintergründe müssen analysiert werden

Daraus kann sich nicht ergeben, dass sich Konflikt und Gewaltraum der Region und seine über 75-jährige Geschichte einer Analyse entziehen würden. Kontextualisierung und Differenzierung bedeuten keine Relativierung, wie Slavoi Zizek in einem Beitrag für die Wochenzeitschrift „Freitag“ mit Recht betonte.

Foto: Frankfurter Buchmesse / Marc Jacquemin

Für den slowenischen Philosophen liegt die Wahl nicht zwischen den Hardlinern beider Seiten, „sondern zwischen den Hardliner-Fundamentalisten und denjenigen, die für eine Koexistenz auf beiden Seiten offen sind“. 

Auch hier müsse man sich gegen ein Moment simpler Dichotomien wenden. Oder, um es anders zu sagen: Verstand und Humanität sind weit genug, um mit israelischen Terroropfern und palästinensischen Kriegsopfern zeitgleich mitzufühlen.