Kämpfen statt Panik!

Ausgabe 298

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Es ist aber genauso richtig, dass wir nicht in Panik verfallen dürfen. Es wäre falsch, dass es im Kampf mit dem Virus keinen Anlass für Optimismus geben würde.

(IPS). Unabhängig davon, wie die Ausbreitung des neuen Corona­virus (SARS-CoV-2) eingestuft wird, handelt es sich um eine ernste Krise. In kaum mehr als zwei Monaten hat er sich über mehrere Kontinente ausgebreitet. In dem Zusammenhang wird der Begriff einer „Pandemie“ benutzt: Das beschreibt eine anhaltende und kontinuierliche Übertragung der Krankheit gleichzeitig in mehr als drei verschiedenen geografischen Regionen. Sie bezieht sich nicht auf die Letalität eines Virus, sondern auf seine Übertragbarkeit und räumliche Ausdehnung.

Mit Sicherheit gibt es eine Pandemie der Furcht. Die weltweiten Medien befinden sich im Griff dieses Themas. Es ist richtig, dass tiefgreifende Besorgnis sowie eine massenhafte Planung für den schlimmst anzunehmenden Verlauf bestehen. Fraglos verlagern sich auch die Auswirkungen weg von der reinen Gesundheits- und Seuchenpolitik hin zur Ökonomie und Politik.

Es ist aber genauso richtig, dass wir nicht in Panik verfallen dürfen. Es wäre falsch, dass es im Kampf mit dem Virus und der Erkrankung (COVID-19) keinen Anlass für Optimismus geben würde. Es entstehen Mittel und Wege zur Eindämmung des und zum Sieg über den Virus. Hier finden sich aber auch Lektionen für die Zukunft.

1. Der Erreger ist bekannt. Die ersten AIDS-Fälle wurden im Juni 1981 beschrieben. Es brauchte mehr als zwei Jahre, im Virus (HIV) die Ursache für die Erkrankung zu finden. Bei COVID-19 wurden die ersten Fälle von schwerwiegender Lungenentzündung am 31. Dezember in China berichtet. Am 7. Januar 2020 wurde bereits der Erreger (Sars-CoV-2) identifiziert.

Am 10. des gleichen Monats wurde bereits sein Genom zugänglich gemacht. Wir wussten bereits, dass sich um einen neuen Coronavirus der Gruppe 2B, der gleichen Familie wie die SARS-Erreger handelte. Daher erhielt er den Namen SARS-CoV-2 und die Erkrankung COVID-19. Genetische Analysen haben bestätigt, dass es einen jüngeren natürlichen Ursprung hat (zwischen Ende November und Anfang Dezember) und dass, obwohl Viren durch Mutation leben, seine Mutationsrate möglicherweise nicht sehr hoch ist.

2. Man weiß, wie der Virus zu finden ist. Seit dem 13. Januar gibt es einen vorliegenden Test zur Feststellung des Erregers.

3. In China verbessert sich die Lage. Harsche Maßnahme und Zwangsregelungen zur sozialen Isolation in China zahlen sich aus. Seit mehreren Wochen nimmt die Zahl der täglich diagnostizierten Neufälle ab. In anderen Ländern wird eine recht detaillierte epidemiologische Nachuntersuchung durchgeführt. Ausbrüche konzentrieren sich auf einzelne Zonen, wodurch sie leichter kontrolliert werden können.

4. 80 Prozent aller Fälle verlaufen leicht. In 81 Prozent der bisherigen Fälle zeigen Infizierte entweder keine Symptome oder entwickeln nur leichte Fälle. Bei 14 Prozent der verbleibenden Menschen kann der Virus schwere Lungenentzündung auslösen, während die ­Erkrankung bei den restlichen 5 Prozent zu schwersten Fällen oder zum Tode führt. Es ist noch unklar, wie hoch die Todesrate sein wird. Sie könnte aber unter den bisherigen Schätzungen liegen.

5. Menschen genesen. Ein Großteil der veröffentlichten Daten bezieht sich auf den Anstieg bei Zahlen zu bestätigten ­Erkrankungen sowie Toten, aber die meisten der Infizierten sind geheilt. Es gibt 13 Mal mehr Geheilte als Tote – und ihre Zahl steigt im Verhältnis.

6. Bei Kindern milde Symptomatik. Nur 3 Prozent aller Erkrankungen ereigneten sich bei Menschen unter 20 Jahren. Die Sterblichkeitsrate der unter 40-jährigen liegt bei 0,2 Prozent. Symptome bei Kindern können so mild sein, dass sie unbemerkt bleiben.

7. Reinigen hilft. Der Virus auf Oberflächen kann wirksam inaktiv gemacht werden, indem man mit einer Mischung aus Alkohol, Wasserstoffperoxid und Bleichmittel wischt – in nur einer Minute. Häufiges Händewaschen mit Seife und Wasser ist der effektivste Weg, um Ansteckung zu vermeiden.

8. Weltweit ist die Wissenschaft am Ball. Das ist das Zeitalter der internationalen Wissenschaftszusammenarbeit. Innerhalb von nur einem Monat sind 164 Texte in PubMed (ist eine englischsprachige textbasierte Meta-Datenbank mit Referenzen auf medizinische Artikel) über COVID-19 oder Sars-CoV-2 zu finden. Gleiches gilt für viele andere, die anderen Sammlungen zu finden, aber noch nicht durchgesehen wurden. Dabei handelt es sich um vorläufige Arbeiten zu Impfstoffen, Behandlungen, Epidemiologie, Genetik, Diagnose, klinische Aspekte etc. Diese Texte wurden von 700 Autoren erstellt und über den Globus vertrieben. Es ist kooperative Wissenschaft – geteilt und offen. 2003, während der SARS-Epidemie, dauerte es mehr als ein Jahr, um weniger als die Hälfte dieser Artikel zu erreichen. Darüber hinaus ­haben die meisten wissenschaftlichen Zeitschriften ihre Veröffentlichungen als Open Access zum Thema Coronaviren zugänglich gemacht.

9. Bereits bestehende Impf-Proto­typen. Unsere Fähigkeit zur Schaffung neuer Impfstoffe ist spektakulär. Es gibt bereits mehr als acht Projekte, die ein ­Serum gegen den neuen Coronavirus ­finden sollen. Und es gibt Arbeitsgruppen, die an Impfprojekten gegen ähnliche Erreger arbeiten.

Die Impfstoffgruppe der University of Queensland in Australien hat angekündigt, bereits an einem Prototyp mit der neuartigen Technologie „Molecular Clamp“ (biochemische Technik zur Herstellung von Impfstoffen) zu arbeiten. Dies ist nur ein Beispiel, das die Herstellung von Impfstoffen in Rekordzeit ermöglichen könnte. Prototypen könnten bald am Menschen getestet werden.

10. Es gibt Versuche mit antiviralen Mitteln. Impfstoffe wirken präventiv. Momentan ist die Behandlung von bereits Erkrankten wichtig. Es gab bereits mehr als 80 klinische Versuche zur Untersuchung von Coronavirus-Erkrankungen. Dies sind Virostatika, die für andere Infektionen verwendet wurden, die schon zugelassen sind und von denen wir wissen, dass sie sicher sind. Eines davon, das längst am Menschen getestet wurde, ist Remdesivir, ein untersuchtes Breitband-Antivirusmittel, das gegen Ebola und SARS/MERS getestet wurde.

Ein weiterer Kandidat ist Chloroquin, ein Malariamittel, von dem ebenfalls eine wirksame antivirale Aktivität festgestellt wurde. Es ist bekannt, dass das Präparat die Virusinfektion blockiert, indem es den pH-Wert des Endosoms erhöht, das für die Fusion des Virus mit der Zelle benötigt wird, wodurch sein Eintritt gehemmt wird. Es wurde nachgewiesen, dass diese Verbindung das neue Coronavirus im Reagenzglas blockiert und schon bei Patienten mit Coronavirus-Pneumonie angewendet wird.

Andere vorgeschlagene Studien basieren auf der Verwendung von Oseltamivir (das gegen das Influenzavirus angewendet wird), Interferon-1b (Protein mit anti­viraler Funktion), Antiseren von Menschen, die sich erholt haben, oder ­monoklonalen Antikörpern, um das Virus zu neutralisieren. Es wurden neue Therapien mit hemmenden Substanzen wie Baricitinibin vorgeschlagen, die durch künstliche Intelligenz ausgewählt wurden.

Die Influenza-Pandemie von 1918 führte zu mehr als 25 Millionen Toten in weniger als 25 Wochen. Kann heute etwas Vergleichbares geschehen? Wahrscheinlich nicht. Wir waren niemals so vorbereitet wie heute, eine Pandemie zu bekämpften.