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Kairos Spiel mit Zahlen

Ausgabe 292

Foto: Stockvault

Dem Regime in Kairo sind bisher keine Antworten auf die sozialen, wirtschaftlichen und demografischen Probleme des Landes eingefallen.

(KNA). In einem aktuellen Bericht veröffentlichte das ägyptische Planungsministerium, dass sie rund 3,36 Milliarden Euro in den letzten fünf Jahren für Sozialprogramme ausgegeben habe. Nach Angaben der verantwortlichen Ministerin, Ghada Wali, seien acht Programme umgesetzt worden. Dazu gehöre die Initiative für Solidarität und Würde sowie ein staatliche Servicekarte für Behinderte.

Zeitgleich veröffentlichte die zentrale Agentur für Öffentliche Mobilisierung und Statistik sei für den Zeitraum 2017/8 das Armutsniveau im ganzen Land auf 32,5 Prozent der Bevölkerung gestiegen (verglichen mit 27,8 Prozent im vorherigen Fiskaljahr). Das ist der größte Anstieg der Armut in Ägypten seit 19 Jahren.

Ökonomen betrachten das als Beweis des Scheiterns dieser staatlichen Programme, die von Präsident Abdul Fattah Al-Sisi gestartet wurden. Laut dem Ökonomen Abdul Hafiz Al-Sawi sind die von Sisi gestarteten Programme nominal – in Hinblick auf das Thema und die Anzahl der Empfänger. Er betonte, sie seien Ägypten in Folge eines Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) im August 2016 aufgezwungen worden. Es war eine Bedingung, dass Ägypten ein dreijähriges Darlehen in Höhe von rund 10,88 Milliarden Euro bekommen konnte. Ein Mangel auf Seiten der Sisi-Regierung seien sie nur halbherzig umgesetzt worden.

Nach Ansicht Al-Sawi habe die zentrale Agentur für Öffentliche Mobilisierung und Statistik die nationale Armutsgrenze gezielt auf etwas mehr als 40 Euro festgelegt. Das ist niedriger als die Rate der Weltbank (ca. 52 Euro). Die Absicht dahinter, so Al-Sawi, war die Verringerung der offiziellen Zahlen. Hätte die Agentur die Weltbankkriterien bei der Einschätzung von Armut angewandt, dann wären die Zahlen deutlich höher, als sie es in den offiziellen Angaben seien.

„Soziale Programme sollten nicht bloße Geldsummen sein“, betont der Ökonom. „Sie sollten vielmehr einen echten Schutz für ihre Empfänger darstellen und sie vor einem unwürdigen Leben und vor Krankheit bewahren. Sie sollten ihnen eine angemessene Bildung ermöglichen und sie für den Arbeitsmarkt qualifizieren. Die Wirklichkeit jedoch ist sehr anders.“

Der Ökonom stellte fest, dass die von Sisi aufgelösten Wohltätigkeitsorganisationen ein breites Netzwerk für die soziale Sicherheit der Armen bildeten. Sie hätten eine wichtige Rolle bei der Versorgung verarmter Familien gespielt. Er stellte fest, dass die ägyptische Regierung den Wert ihrer gemeinnützigen Arbeit für den Zeitraum 2007/2008 auf ca. 940 Mio. Euro veranschlagte. Aktuelle Einschätzungen lägen jedoch weit darüber.

„Die Schließung von Wohltätigkeitsorganisationen hat erheblich dazu beigetragen, die Unzulänglichkeit des Staates beim Schutz vor Armut aufzudecken. Sogar jene Einrichtungen, die es noch gibt, arbeiten nicht mehr so effizient wie früher, weil sie einer strengen Sicherheitsaufsicht ausgesetzt sind. Viele Geber unterstützen sie nicht, weil sie Anschuldigungen bezüglich der Finanzierung von Terrorismus fürchten.“

Monate nach dem Staatsstreich zum Sturz von Präsident Mohamed Morsi am 3. Juli 2013 setzte die neue Regierung eine Kommission mit dem Ziel ein, die Mittel der Muslimbruderschaft zu beschlagnahmen. Sie wurde im April 2017 durch einen Erlass ersetzt. Sein Ziel lautet: „Die Organisation der Beschlagnahme, Verwaltung und Verteilung des Kapitals von terroristischen Gruppierungen und Personen.“ Seit 2013 wurden die Mittel von mehr als 1.200 Einrichtungen und hunderten Privatstiftungen und Krankenhäusern ins Visier genommen. Es existieren aber keine offiziellen Daten, welche die Bürger wissen lassen, wie viel der Staat beschlagnahmte und wo die Mittel hingeflossen sind.

Gegenüber dem Sender Arabi 21 sagte Ahmad Dhikrallah, Leiter der Abteilung für Wirtschaftsstudien der Istanbuler International Relations Academy: „Ägypten hat in Überstimmung mit dem Internationalen Währungsfonds ein Reformprogramm beschlossen. Dafür erhielt es einen Kredit in Höhe von 10,9 Milliarden Euro. Es hat aber die Lasten seiner Umsetzung auf die Schultern der ägyptischen Bürger gelegt. Als Folge sind die meisten Ägypter unter die Armutsgrenze gerutscht und haben überhaupt nicht von diesem Programm profitiert.“ Als Folge dieser Maßnahme liege die Inflationsrate bei einem Rekordniveau von 35 Prozent. (Middle East Monitor, CCL)