Mainz: Cimşit warnt vor Stigmatisierung Unschuldiger durch Antiterrordatei

(pm). Die Schura Rheinland-Pfalz teilt die zunehmende Sorge um den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland und begrüßt ein entschlossenes Vorgehen gegen jede Form von politischem Extremismus, erklärte der Vorsitzende des neugegründeten Landesverbandes der Muslime, Mustafa Cimşit, heute in Mainz. Besorgnis erregend seien sowohl zunehmender Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Antiziganismus – „bis in die Mitte der Gesellschaft“ – als auch der offen politische Extremismus. Staat und Zivilgesellschaft seien gemeinsam gefordert, eine drohende Eskalation extremistischer Gewalt zu verhindern. Die Schura wolle hierzu einen Beitrag leisten, könne allerdings nicht umhin, Zweifel an der Wirksamkeit, wie auch der Rechtsstaatlichkeit der zentralen Antiterrordatei anzumelden. Nicht nur die Verfassungsmäßigkeit der Zusammenarbeit von Geheimdiensten und Polizeibehörden sei kritisch zu betrachten, sondern auch “ihre Ausgestaltung im Einzelnen”, wie das Bundesverfassungsgericht letzten Mittwoch entschied.

Das Bundeskriminalamt gehe von etwa 1.000 gewaltbereiten Islamisten aus. In der Antiterrordatei seien allerdings über 17.000 Personen erfasst, die meisten als mutmaßliche Kontaktpersonen oder eventuelle Unterstützer – tatsächliche Anhaltspunkte seien nicht maßgebend. Überhaupt gebe es keine objektiven Kriterien zur Einstufung von Personen als potentielle islamistische Terroristen. So gelangten Spitzelberichte ausländischer Geheimdienste ebenso wie Beschuldigungen minderqualifizierter V-Leute von mindestens 60 Behörden in den Informationspool und würden jährlich 70.000 Mal abgefragt. Nicht einmal bei Verwechslungen aufgrund von Namensgleichheit könnten sich unschuldig Verdächtigte zur Wehr setzen – sie erführen erst gar nicht, dass sie in der Antiterrordatei erfasst sind. Der Rechtsweg zum Schutz der persönlichen Freiheit unschuldig beschuldigter Muslime sei nicht vorgesehen; Gesinnungsstrafbarkeit und unkontrollierter Willkür seien Tür und Tor geöffnet.

Der Landesvorsitzende der Schura, Mustafa Cimşit, warnt vor einem einseitig geheimdienstlichen Vorgehen im „Krieg gegen den Terror“. Islamistischer Extremismus sei nicht mit einem Supercomputer voller anonymer Verdächtigungen gegen zumeist unbescholtene muslimische Bürger zu bekämpfen. So würde die Antiterrordatei eine Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens begünstigen. Zur Wahrung des gesellschaftlichen Friedens seien vielmehr umfassende zivilgesellschaftliche Maßnahmen zur Prävention erforderlich – allerdings seien diese bisher nicht erkennbar. Staat, Mehrheitsgesellschaft und die muslimischen Verbände seien in der Verantwortung gemeinsam und koordiniert gegen die Ursachen von politischem Extremismus, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Gewalt und Terror vorzugehen. Cimşit kündigte an, gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Mehmet Şenel der Öffentlichkeit ein umfassendes Gesamtkonzept zur Prävention von islamistischem Extremismus vorzulegen.