Mittelmeer: Energieträger drohen zwischenstaatlichen Streit auszulösen

Ausgabe 204

(IPS/IZ). Es ist eine archaische Weisheit, dass die Erfüllung der menschlichen Sehnsüchte nicht nur Segen ist, sondern auch Fluch des Schick­sals. Derart kann der Besitz eines Landes an Energieressourcen sein. In Zeiten knapper Reserven und hoher Preise suchen Staaten neue Vorkommen. Andererseits dürften Konflik­te als gegeben erachtet werden, wenn die Vorkommen Grenzen überschreiten.

Inmitten von Eurokrise, dem Griechenland-Desaster und der ­Instabilität im Nahen Osten meldeten drei Länder ihre Ansprüche auf nachweisliche oder mutmaßliche Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer an. Namentlich haben das bankrotte Griechenland, Zypern und Israel die Initiative in die Hand genommen und machen Ansprüche auf Lagerstätten vor ihren Küsten geltend. Ein Mittel, um die hohen Anfangsinvestitionen zu rechtfertigen und um die benachbarte Konkurrenz auszuschalten, ist die Ausweitung der maritimen Einflusszonen auf so genannte „Wirtschaftszonen“ (200-Meilen-Zone).

In einem Hintergrundartikel beschreibt Ralf Heß auf „Telepolis“, dass sich Griechenland und Israel auf potenzielle Konflikte mit der Türkei respektive mit Libanon und Ägypten einstellen müssen. Ende März erklärte der ehemalige griechische Energieminister Giorgos Papaconstantinou: „Griechen­land, Zypern und Israel werden die europäische Energielandkarte komplett umgestalten.“ Kürzlich haben die drei Staaten eine Übereinkunft getroffen, wonach sie die in ihrem maritimen Wirt­schaftszonen lagernden Vorräte gemein­sam ausbeuten und in die EU exportie­ren wollen.

Weiter südlich eskaliert ein ebenso potenziell gefährlicherer Konflikt um den Energieträger. Am 22. April kündigte Kairo sein Abkommen mit ­Israel aus der Zeit des Diktators Mubarak und stellte den Export von Erdgas in sein ungeliebtes Nachbarland ein. Der Streit führte darüber hinaus zu beiderseitigen Drohungen sowie zu Truppenverstärkungen entlang der Grenze.

Seit 2008 garantierte der ägyptisch-israelische Deal die Lieferung ägyptischen Erdgases nach Israel via des nördlichen Sinais. Vertreter der ägyptischen Energieindustrie betonten, dass der Entschluss Kairos „nicht politisch motiviert“ sei. Vielmehr habe man auf den Zahlungsverzug von Tel Aviv reagiert. Isra­el, dessen Stromerzeugung angeblich zu rund 40 Prozent vom ägyptischen Erdgas abhängt, reagierte entsprechend wütend. Etliche Politiker drohten, der Schritt Kairos könne schwerwiegende Folgen für das Camp David-Friedensabkommen von 1979 haben.

Energieexperten glauben, dass Ägypten das Recht dazu hatte. „Die israelischen Käufer waren nicht in der Lage, ihre Rechnungen in Höhe von ca. 100 Millionen Dollars zu bezahlen“, erklärte der ägyptische Erdölexperte Ibrahim Zahran. „Der Vertrag legte eindeutig fest, dass ein Seite das Recht zu seiner Kündigung hat, wenn die andere ihre Verpflichtungen nicht einhält.“

Unter dem Dach des gemeinsamen Joint Venturas East Mediteranean Gas wurde ab 2008 Gas an private und staatliche Kunden jenseits der Grenze gelie­fert, darunter auch den staatlichen Elektrizitätsversorger. Nach dem Ausbruch der ägyptischen Unruhen Anfang 2011 wurde die, über die nördliche Sinai-Halbinsel verlaufene Pipeline Ziel von 14 Angriffen. Dies führte zu zeitweiligen Unterbrechung der Gaslieferungen nach Israel. Mahmoud Ghozlan von der ägyptischen Muslimbruderschaft begrüßte den Lieferstopp. Ägypten sei dringend auf seine eigenen Rohstoffe angewiesen