"Muslime & Globalisierung" – Die zentralasiatischen Erdöl- und Erdgasgiganten setzen ihre autoritäre Politik fort. Auch, weil ihre Wirtschaftsmacht steigt. Von Steve LeVine

Ausgabe 200

(IPS). Innerhalb der nächsten Monate gibt es in drei Ex-Sowjetrepubliken Wahlen: Kasachstan, Turkmenistan und Russland. Trotz mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten bei den Duma-Wahlen am 4.12.2011 scheint Russland die demokratischste Lösung zu wählen und man fragt sich, wie es um die Demo­kratie in den Erdölgebieten am Kaspischen Meer bestellt ist. Während Russlands Wladimir Putin umfangreiche Proteste zuließ, dürfte der Wille der Bevölke­rungen an seinem südlichen Rand wohl kaum eine Rolle spielen.

Die Herrscher in diesen selbstgemach­ten Sultanaten, die wegen ihrer Energieressourcen und wichtigen strategischen Lage seit Anfang der 1990er Jahre vom Westen hofiert wurden, dürften überwältigende Siege für ihre feststehenden Kandidaten erklären. Sie ­wurden bisher nicht von Turbulenzen gestört, die die Petrokraten an anderen Orten der Welt erschütterten. Die Herrscher in diesen Landstrichen werden sich einfach nur weiter an der Macht festkrallen. Die regionale Geschichte dürfte ihnen sogar Recht ­geben.

Zwei Jahrzehnte nach dem Sowjetkollaps ermöglicht das Kaspische Becken Profite aus dem Export von täglich 1,5 Millionen Barrel Erdöl. Es ist für China das bevorzugte Gebiete, aus dem es sein Erdgas bezieht. Und die Region wird zu einem immer wichtigeren Gebiet für die militärischen Sandkastenspiele der Vereinigten Staaten. Diese gingen ursprünglich Bündnisse mit den zentralasi­atischen Petrokratien ein, um deren Erdöl und Erdgas mit Hilfe neuer Pipelines in den Westen zu lenken. Augenblicklich geht es um neue Transportrou­ten zur Versorgung westlicher Besatzungskräfte in Afghanistan.

Ein Blick auf Herrscher der Region lässt den Schluss zu, dass die oben genannten Faktoren bei ihnen ein Gefühl der Sicherheit erzeugt haben, die sie vor den Trends zu bewahren scheint, die den Rest der Welt befallen haben. Während sogar Saudi-Arabien durch die ­Arabellion veranlasst wurde, 130 Milliarden US-Dollars zusätzlicher Subventionen als Versicherung vor Unruhen an seine Bevölkerung auszuzahlen, betreiben die Herrscher Kasachstans, Usbekistans, Aserbaidschans und Turkmenistans ihre üblichen Geschäfte.

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Worum geht es dabei? Eine Fahrt durch die Stadtmitte der aserbaidschani­schen Hauptstadt Baku eröffnet einen glänzenden Horizont luxuriöser Apartmenthäuser, ultramoderner Bürokomplexe und Nobelhotel. Die meisten von ihnen wurden durch eine dichtgewebte und mächtige Elite reicher Clans errich­tet. Dazu zählt auch das Umfeld der Familie von Präsident Ilham Alijew.

In Turkmenistan herrscht Präsident Gurbanguli Berdimukhamedow über ein Land, dass nach Angaben von Transparency International gemeinsam mit Usbekistan zu den fünf korruptesten Natio­nen (von 183!) zählt. Fünf Jahre nach dem Tod von Saparmurat Nijasow ist Präsident Berdimukhamedow der einzige Entscheidungsträger. Wenn sie auch immun gegen die Krankheiten der arabischen Welt zu sein scheinen, so sind diese Republiken doch von der schlimmsten nicht gefeit: dem Terrorismus. Seltsamerweise erlebte Kasachstan – der reichste Staat der Region mit der größten Mittelklasse, der mildes­ten Autokratie und dem offensten ­Ansatz bei der Religion – die größte Gewalt in diesem Jahr. Seit dem Mai starben 30 Menschen bei sieben Selbstmordattentaten und Schießereien.

Die Quelle dieses ungeklärten Ärgers ist nicht bekannt, obwohl kasachische Sicherheitsbehörden sie mit Afghanistan und Pakistan in Verbindung bringen. Im Vergleich dazu ist es in Usbekistan, wo man echten Ärger vermuten würde, recht ruhig geblieben.

Um zu unserem Ausgangspunkt zurückzukehren: Sind diese vier Führer sicher vor auswärtigen Ereignissen, die ihre Herrschaft herausfordern könnten? Auf ihrer Habenseite waren sie alle in der Lage, die aufstrebenden Kräfte in ihrem Land auszugleichen, während sie einen Teil der Einkünfte aus ihren ­Lagerstätten an Energieträgern und Mineralien verteilen. Keine dieser Republiken scheint unter den sozialen Brüchen zu leiden, die andernorts der politischen ­Instabilität vorangegangen sind. Man fragt sich aber doch, ob die bestehenden Risiken bedacht wurden.