Schaikh Habib Bewley stellt die höchste Sehnsucht vor

Ausgabe 230

(iz). Faulheit, Untätigkeit, mangelndes Handeln und anderes sind Eigenschaften, von denen heute so viele betroffen sind. Sie wurzeln in Verzweiflung, einem Mangel an Hoffnung, einer schwächelnden Leidenschaft, Fatalismus sowie dem Glauben an der Unausweichlichkeit unserer misslichen Lage. Demnach verdienen wir den Ort, an dem wir sind, denn das ist unser Los im Leben und wir haben es auf uns selbst herabgerufen. Sagt Allah nicht „Unheil ist auf dem Festland und im Meer erschienen wegen dessen, was die Hände der Menschen erworben haben.“ (Ar-Rum, 41)

Ja, Er hat das getan, was aber noch nicht bedeutet, dass wir im Elend und Unglück verbleiben müssen oder mit den uns umgebenden Zuständen zufrieden zu sein haben. Denn er fährt im gleichen Qur’anvers fort: „… damit Er sie einiges von dem kosten lässt, was sie getan haben, auf dass sie umkehren mögen.“ Jede Schwierigkeit, die wir zu durchlaufen haben, ist ein Test und kein endgültiges Er­gebnis. Das liegt in den Händen Allahs. Und wenn wir auf Ihn vertrauen, dann wird er das beste Ende für uns bereiten. Wir können niemals ganz niedergeschlagen sein, die Hoffnung verlieren oder den Status quo akzeptieren, wenn Allah nicht wohlgefällig ist.

Egal, was jemand getan haben mag, niemand, der wahrhaftig an Allah und Seinen Gesandten glaubt ist ein hoffnungsloser Fall. Egal, in welchen Umständen man sich befindet, wie viele Schulden man hat oder wie viele hungrige Münder zu füttern sind, das Leben keines Menschen befindet sich in der Sackgasse. Unsere Vergangenheit muss nicht unsere Gegenwart bestimmen und unsere Gegenwart auch nicht unsere Zukunft. Alles ist alleine in den Händen Allahs.

Allah sagt in einem Hadith Qudsi: „Ich bin in der Meinung Meines Sklaven über mich. Wenn er gut denkt, wird er es haben, und wenn er etwas Schlechtes denkt, wird er es haben.“ Eine gute Meinung von Allah bedeutet, eine aufstrebende Sehnsucht sowie zu glauben, dass Allahs Plan zum Erfolg in dieser und in der nächsten Welt führt.

Wenn es um den Din Allahs geht und den Erfolg Seiner Diener, dann wird der Muslim von Verstand niemals kleingeistig sein, sondern groß denken müssen. Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Wenn ihr ­Allah um etwas bittet, dann fragt ihn nach Firdaus.“ Mit anderen Worten, immer das beste und höchstmögliche Ergebnis anzustreben. Und Ibn Al-Qajjim sagte: „Edle Seelen sind nur mit den höchsten Dingen und den besten unter ihnen zufrieden, deren Ausgang am preiswürdigsten ist. Gemeine und niedrige Personen schwärmen um das, was niedrig und unwürdig ist. Sie lassen sich wie Fliegen auf Müll und Dreck nieder.“ Sind unsere Erwartungen und unsere Sehnsucht niedrig, dann gilt das auch für unser Leben und alles, was in ihm ist; in dieser und in der nächsten Welt.

‘Umar sagte: „Habt keine geringe Hoffnung. Denn jene, die ich dabei beobachte, wie sie an den guten Dingen scheitern, sind jene, deren Sehnsucht niedrig ist.“ Eine hohe Hoffnung von seinem Herrn ist der Weg des Mumins. Kein Hindernis ist zu groß, als dass es nicht entfernt werden könnte; keine Umstände zu schwierig für ihre Überwindung; und keine falsche Handlung so verabscheuungswürdig, dass sie nicht vergeben werden könnte. Es gibt immer einen Aus- und einen Rückweg.

Allah sagt im Qur’an: „Sprich: Oh, Meine Diener, die ihr gegen euch selbst maßlos gewesen seid, verliert nicht die Hoffnung auf Allahs Barmherzigkeit. Gewiss, Allah vergibt die Sünden alle. Er ist ja der Allvergebende und Barmherzige.“ (Az-Zumar, 53)

Und er sagt in einem Hadith Qudsi: „Oh, Sohn Adams, solange du Mich anrufst und auf Mich hoffst, werde ich Dir vergeben; was immer du getan hast, wird Mich nicht betreffen. Oh, Sohn Adams, selbst wenn sich deine falschen Handlungen bis zu den Wolken auftürmen würden, und du Mich um Vergebung bitten würdest, werde Ich dir vergeben. Oh, Sohn Adams, kommst du zu Mir mit einem Gefäß in der Größe der Erde voller falscher Handlungen, und triffst Mich dann, ohne Mir andere beizugesellen, dann komme Ich zu dir mit einem Gefäß in der gleichen Größe voller Vergebung.“ Dafür nötig sind einfach eine hohe Hoffnung und, dass wir Ihn um das bitten, was wir brauchen. Und in dieser Kombination ist keine Lage unhaltbar.

Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Wenn ihr beständig Allah um Vergebung ersucht, dann wird Er euch Erleichterung von jeder Sorge geben, einen Ausweg aus jedem Engpass und Versorgung aus einem Ort, den ihr am wenigsten erwartet.“ Und einer der Salaf meinte: „Wenn ihr von Prüfungen und Drangsal befallen seid, nutzt eure gute Meinung von Allah, um euch davon zu befreien, denn sie ist der nächste und schnellste Weg zur Entlastung.“ Unser Lage ist nicht hoffnungslos. Schwäche und Niederlage müssen nicht unsere Realität, Armut und Hilflosigkeit nicht unser Los sein. Wir sind weder durch das Ausmaß unserer Fähigkeiten begrenzt, noch werden wir durch unsere Unfähigkeit zurückgehalten.

Ertrinkt nicht in eurem scheinbaren Scheitern. Verflucht euch nicht selbst und betrachtet euch nicht als hoffnungslose Sünder. Man sollte sich weder im eigenen Selbstmitleid wälzen, noch meinen, dass man der Hilfe Allahs nicht würdig sei.

Man sollte eine hohe Meinung von sich, von Allah und von dem haben, das er für einen bereit hält. Man könnte zu den Sabiqun gehören. Streben wir die höchsten Höhen an und nehmen diesen Schritt im Vertrauen auf Allah. Er wird mit einem sein und zehn Schritte auf die jeweilige Person zugehen. Seine Hilfe wird die eure sein. Es gibt keine Macht und keine Stärke außer von Allah. Und Er wird die nötige Inspiration gehen, um herauszufinden, was die beste Handlungsweise ist.

So wie unser Meister Musa seinem Volk sagte, als sie verzweifelten, ob sie jemals den Klauen des Pharaos entkommen konnten und als das Meer ihnen den Weg versperrte: „Mein Herr ist mit mir und Er wird mich führen.“ (Asch-Schu’ara, 62) Und Allah leitete ihn recht und inspirierte Musa dazu, das Meer mit seinem Stab zu schlagen. Es veranlasste den Ozean, sich zu teilen und ein Pfad öffnete sich vor ihnen, wo es zuvor scheinbar keinen Weg gegeben hatte. Also sollten wir unser Vertrauen auf Allah richten und Ihn bitten, uns rechtzuleiten und zu zeigen, wie wir in diesen schwierigen Zeiten am besten voranschreiten können.

Es ist wichtig, dass wir unseren Hoffnungen die angemessene Richtung geben. Mit anderen Worten, sie mögen den Erfolg in dieser Welt oder in der nächsten beabsichtigen, am Ende sind sie auf Allah ausgerichtet. Wenn wir aber unsere Hoffnungen ausschließlich auf den materiellen Erfolg dieser Welt abrichten, müssen sie einfach scheitern. Das sind vergängliche Träume, heute hier und morgen vorbei. Sie haben nicht mehr Substanz als der Schaum auf den Wellen des Meeres, der sich auflöst, sobald man ihn berührt.

Das ist die Art der Hoffnung, auf die sich der Gesandte Allahs bezog, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben: „Die ersten dieser Gemeinschaften wurden durch ihren Verzicht und ihre Gewissheit rechtgeleitet. Die letzten dieser Gemeinschaft werden wegen ihres Geizes und ihrer falschen Hoffnung zerstört.“ Das ist destruktiv, weil die Natur des Herzens ihm nur die Verfolgung eines Zieles erlaubt. Denn Allah sagt im Qur’an: „Allah hat keinem Mann zwei Herzen in seinem Inneren gemacht.“ (Al-Ahzab, 4) Und wenn das Herz mit der diesseitigen Welt beschäftigt ist, kann es sich Allah nicht zuwenden. Daher sagte Abu Laith As-Samarqandi: „Zielen deine langfristigen Hoffnungen auf die Dunja (das Diesseits) ab, dann wird Allah entscheiden, dass dir vier Dinge geschehen: Ihr werdet nachlässig in eurer Anbetung, euch werden viele weltliche Sorgen belasten, eure Natur wird sich der Habsucht zuwenden und euer Herz verhärtet sich.“

Hoffnungen auf die Dunja, die nicht um Allahs willen gehegt werden, sind ein Rezept für den Ruin. Und das gleiche gilt für Wunschdenken. Das besteht darin, dass man auf ein magisches Ereignis hofft, ohne etwas dafür zu tun müssen. Dabei handelt es sich schlicht und einfach um reinen Eskapismus. Es bedeutet, das eigene Leben in die Warteschleife zu bugsieren. Das ist keine gute Meinung von Allah. Diese besteht im Gegenteil darin, dass Allah uns an diesen Ort zu einem bestimmten Grund gestellt hat und uns ebenfalls aus einem Grund heraus prüft.

Eine gute Meinung von Allah ist das Wissen, wonach Allah uns in die Lage bringt, die für uns am besten ist. Wir hoffen auf Erfolg in dieser Welt, denn dieser wird die Muslime stärken und den Erfolg Seines Din ermöglichen – auch den eigenen Erfolg in der nächsten Welt. Das ist die Himma, die spirituelle Sehnsucht, um die wir unseren Herrn bitten und Ihn anflehen, dass er unsere Herzen damit anfüllt. Das ist die Hoffnung, die die Verzweiflung in Schach hält.