Straßburg (dpa). Nach dem schweren Terroranschlag von Straßburg ist der Attentäter Chérif C. offenbar im Viertel Meinau in der Nähe von Neudorf von der französischen Polizei getötet worden. Mit einem Großaufgebot von über 600 Beamten in und um die elsässische Metropole und an der nahe gelegenen Grenze zu Deutschland versuchte die Polizei in den letzten Tagen den bei einem Schusswechsel verletzten Angreifer zu fassen. C. saß bereits mehrfach in Haft – und soll sich dort radikalisiert haben.
Der polizeibekannte Gefährder Chérif C. hatte am Dienstagabend mitten in der Weihnachtssaison das Feuer in der Straßenburger Innenstadt eröffnet. Zwei Menschen wurden getötet, ein Opfer sei hirntot, zwölf Menschen wurden verletzt, sagte der Pariser Antiterror-Staatsanwalt Rémi Heitz am Mittwoch in Straßburg.
Der mehrfach vorbestrafte Angreifer soll sich im Gefängnis radikalisiert haben. Der gebürtige Straßburger mit nordafrikanischen Wurzeln saß wegen schweren Diebstahls auch in Deutschland in Haft.
„Der Terrorismus hat erneut unser Gebiet getroffen“, sagte Heitz. Zeugen hätten den Angreifer „Allahu Akbar“ rufen hören. Angesichts des Zielorts, seiner Vorgehensweise und der Zeugenaussagen habe die Antiterrorabteilung der Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.
Der Mann schoss am Dienstagabend mitten in der weihnachtlich geschmückten Innenstadt um sich. Er habe eine Handfeuerwaffe und ein Messer dabeigehabt. „Auf seinem Weg hat er mehrfach das Feuer mit einer Handfeuerwaffe eröffnet und ein Messer benutzt, mit dem er getötet und schwer verletzt hat“, sagte Heitz.
Unter den Todesopfern ist ein 45 Jahre alter Tourist aus Thailand, wie das Außenministerium in Bangkok bestätigte. Nach Medienberichten starb er durch einen Schuss in den Kopf. Sechs Menschen erlitten sehr schwere Verletzungen. Deutsche seien nach derzeitigem Kenntnisstand nicht unter den Opfern, teilte das Auswärtige Amt mit.
Nach der Tat flüchtete der Angreifer, lieferte sich aber noch zwei Schusswechsel mit Sicherheitskräften. Nach dem Anschlag haben Ermittler vier Menschen aus dem Umfeld des 29 Jahre alten Tatverdächtigen Chérif C. in Gewahrsam genommen. Deutsche Sicherheitsbehörden suchen mit nach dem Täter und fahnden auch nach dessen Bruder Sami C.. Das Innenministerium in Paris schloss nicht aus, dass der Täter nach Deutschland geflüchtet sein könnte.
Die beiden französischen Staatsbürger mit nordafrikanischen Wurzeln wohnten nach Informationen aus Sicherheitskreisen zuletzt in Straßburg. Sie würden in Frankreich als radikalisiert eingestuft und dem Straßburger Islamistenmilieu zugerechnet, sagte ein hochrangiger Sicherheitsexperte dem Berliner „Tagesspiegel“.
In Deutschland tauchen die beiden Namen allerdings nach dpa-Informationen nicht in der Datei für islamistische Gefährder auf. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Registrierungsschwelle in Frankreichs „fiche-S-Datei“ sei deutlich niedriger als für die Aufnahme in die deutsche Gefährderdatei. Der Straßburger Angreifer wurde in dieser Datei gelistet.
Der Täter wurde nach Angaben des Staatsanwalts vor seiner Flucht von Soldaten verletzt. Er entkam mit einem Taxi. Über 600 Einsatzkräfte und mehrere Hubschrauber seien an der Fahndung beteiligt, hieß es. Die Bundespolizei kontrollierte mehrere Grenzübergänge von Deutschland nach Frankreich.
Der mutmaßliche Attentäter hatte wegen schweren Diebstahls von Anfang 2016 bis Februar 2017 in Deutschland eine Haftstrafe verbüßt – zuerst in Konstanz. Nach Informationen des „Tagesspiegels“ wurde er später in die Justizvollzugsanstalt Freiburg verlegt. Im Februar 2017 wurde er nach Frankreich abgeschoben. Er wurde nach Medienberichten schon vor dem Attentat auch wegen eines versuchten Tötungsdeliktes gesucht.
Bereits am Dienstagmorgen wollten ihn Einsatzkräfte deswegen verhaften – trafen ihn zu Hause jedoch nicht an, wie der Staatssekretär im Innenministerium, Laurent Nuñez, erklärte. Bei dieser Aktion seien fünf Menschen festgenommen worden, die aber nichts mit dem anschließenden Anschlag zu tun gehabt hätten.
Frankreichs Regierung ließ nach dem Anschlag die höchste nationale Sicherheitswarnstufe ausrufen. Frankreich ist in den vergangenen Jahren immer wieder Ziel von islamistisch motivierten Terroranschlägen geworden, die fast 250 Menschen das Leben kosteten.
In Straßburg blieb der Weihnachtsmarkt am Mittwoch geschlossen. Der Unterricht an Grundschulen und Vorschulen wurde ausgesetzt. Die Elsass-Metrople unweit der Grenze zu Deutschland ist bei Touristen gerade in der Weihnachtszeit sehr beliebt – Zehntausende kommen pro Tag. Zusammen mit dem Weihnachtsmarkt in Dresden zählt der Straßburger Weihnachtsmarkt zu den ältesten Europas.
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte in der Nacht zu Mittwoch in Paris eine Krisensitzung einberufen. „Solidarität der gesamten Nation für Straßburg, unsere Opfer und ihre Familien“, schrieb Macron auf Twitter.
Das Europaparlament in Straßburg begann seine Sitzung am Mittwoch im Gedenken an die Opfer. „Das war ein krimineller Anschlag auf den Frieden“, sagte Parlamentspräsident Antonio Tajani zum Auftakt der Sitzung. „Wir stehen auf der Seite der Familien der Opfer.“
Das Parlament war Dienstagabend zwischenzeitlich abgeriegelt worden. Über Stunden hinweg durfte niemand das Gebäude verlassen, Mitarbeiter wurden per Handy-Kurznachricht und Mail gewarnt. Erst am frühen Mittwochmorgen durften sich Abgeordnete und Mitarbeiter auf den Heimweg machen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drückte Macron sein Mitgefühl aus. „Ich möchte Ihnen, auch im Namen meiner Landsleute, meine tief empfundene Anteilnahme aussprechen“, schrieb Steinmeier in einem Brief. Außenminster Heiko Maas (SPD) twitterte am Morgen: „Wir sind tief erschüttert vom Anschlag in #Straßburg und verurteilen diese feige Tat.“ Regierungssprecher Steffen Seibert hatte sich auf Twitter „erschüttert über die schreckliche Nachricht“ aus Straßburg gezeigt.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schrieb auf Twitter: „Meine Gedanken sind bei den Opfern der Schießerei in Straßburg, die ich mit großer Entschiedenheit verurteile.“ Straßburg sei eine symbolische Stadt für den Frieden und die europäische Demokratie. „Werte, die wir immer verteidigen werden.“