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IGMG fordert, Einbürgerungsdebatte „nicht auf dem Rücken von Minderheiten“ zu führen

Köln (igmg.org/iz). „Die Islamische Gemeinschaft begrüßt die geplanten Einbürgerungserleichterungen. Zugleich ist sie aber auch in Sorge angesichts vorurteilsbeladener Debatten auf dem Rücken von Minderheiten“, erklärt Ali Mete, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). Anlass sind Pläne der Bundesregierung zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes und Diskussionen darüber.

Die angekündigte Neuformulierung des Einbürgerungsrechts sei „eine überfällige Anpassung an die Zeit und gelebte Realität in Deutschland“. Das Vorhaben stärke die demokratische Teilhabe von Millionen Menschen im Land „und damit auch die Demokratie selbst“. Mithin kommt die Reform nicht nur jenen zugute, denen eine Perspektive auf Einbürgerung geboten wird. Insofern begrüße Millî Görüş das Vorhaben ausdrücklich.

„Sehr erfreulich ist vor allem die erleichterte Einbürgerung von Menschen der ersten Gastarbeitergeneration. Sie haben einen nicht wegzudenkenden Anteil an diesem Land – vermutlich weit mehr als so mancher Kritiker dieser Reform. Es ist höchste Zeit, ihnen Wertschätzung durch Ermöglichung echter Teilhabe zukommen zu lassen als warme Worte zu runden Jahreszahlen von Anwerbeabkommen.“

Zugleich zeigte sich Mete angesichts der wieder erstarkten Debatte über die Staatsbürgerschaft in Teilen der Politik und Medien „in Sorge“. Es sei zu erwarten, dass bei jeder geplanten Einbürgerungserleichterung Vorurteile zum Vorschein kämen, „die längst überwunden sein müssten“. Wohin das führe, wisse man inzwischen zur Genüge. Der IGMG-Generalsekretär warnte nachdrücklich davor, diese Debatte mit steilen Thesen und unbegründeten Behauptungen weiter anzuheizen.

„Die Islamische Gemeinschaft appelliert an Politik und Medien, die Debatte sachlich und nicht auf dem Rücken von Minderheiten zu führen. Wir benötigen mehr Zusammenhalt und keine Diskussion, die Ressentiments schürt und einen Keil in die Gesellschaft treibt.“

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Mitgliederversammlung: Das IZH verlässt die Schura Hamburg

izh hamburg

Hamburg (Schura Hamburg/iz). Am 20. November 2022 tagte die Schura Mitgliederversammlung zu verschiedenen, für das muslimische Leben in Hamburg relevanten Themen wie den Bereich Religionsunterricht für alle 2.0., die Lehramtsstudiengänge an der Universität Hamburg, interreligiöser Dialog, einheitlicher Gebetskalender, Antimuslimischer Rassismus und die Meldestelle Marwa.

Ein weiterer wichtiger Punkt war die Mitgliedschaft des IZH in der Schura. Nach einem langwierigen Prozess der Auseinandersetzung mit Grundsatzfragen, hat das IZH am 20.11.2022 in der SCHURA Vollversammlung seinen Austritt bekanntgegeben.

„Wir beobachten seit längerer Zeit die starke Fokussierung auf das IZH und seine Mitgliedschaft innerhalb der Schura. Die Weiterentwicklung als Gemeinschaft bedarf der konstruktiven Auseinandersetzung innerislamisch sowie gesamtgesellschaftlich relevanter Themen für das muslimische Leben in Hamburg. Wir haben es uns nicht einfach gemacht und zahlreiche Gespräche geführt, die zu dem Resultat geführt haben, dass das IZH kein Mitglied mehr bei der Schura ist“, erklärte Fatih Yildiz, Vorsitzender der Schura.

„Gleichzeitig möchten wir bei allem Verständnis für Kritik nochmal deutlich hervorheben, dass Kritik konstruktiv geäußert werden sollte. Anfeindungen gegenüber dem IZH, Koranverbrennungen, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Hetze und Hass sind eindeutig grenzüberschreitend. Diese Form der Kritik ist absolut inakzeptabel und darf keinen Nährboden in unserer Stadt finden“, so Özlem Nas, stellvertretende Vorsitzende und Antirassismusbeauftragte.

Die SCHURA wünsche dem IZH für den weiteren Weg und Orientierung alles Gute und stehe mit ihrer Expertise auch nach dem Austritt geschwisterlich zur Verfügung. SCHURA werde sich weiterhin für die Belange von Hamburger MuslimInnen einsetzen.

Die Mitgliederversammlung fasste am Ende der Mitgliederversammlung noch einen Beschluss für einen einheitlichen Gebetskalender: „Dies ist ein historischer Beschluss und ein wichtiges Zeichen für die Einheit der MuslimInnen über Hamburger Grenzen hinaus“, so abschließend Imam Zulhajrat Fejzullahi, Vorsitzender des Gelehrtenrates der Schura.

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Die besten „Allys“? Faizan Malik über Bündnispartner von Muslimen

interkulturell BLM rassismus

Schon länger gelten bei Muslimen im Westen linke beziehungsweise „progressive“ Parteien als bevorzugte Partner in der Bildung gesellschaftlicher Bündnisse. Während dieser Trend in Ländern wie Deutschland als logische Schlussfolgerung aus […]

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Der Münchner Imam Ahmad Schekab: Wo sind wir im Gespräch?

(iz). Imam Ahmad Schekab  kam 1990 im Münchner Passing als eines von fünf Kindern afghanischer Einwanderer zur Welt. Nach islamwissenschaftlichen Studien in Südafrika, Kairo und der Türkei absolvierte er ein […]

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Kommentar: Der Gebetsruf sollte so selbstverständlich sein wie Kirchenglocken

Muezzin

(iz). Seit dem 14. Oktober ist an der Zentralmoschee in Köln, der islamische Gebetsruf öffentlich zu hören. Er darf einmal pro Woche in einer festgelegten Uhrzeit an Deutschlands größter Moschee […]

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Baerbock verteidigt Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien

kurzmeldungen

Berlin (KNA). Außenministerin Annalena Baerbock hat auf dem Bundesparteitag der Grünen die Entscheidung der Bundesregierung für Waffenexporte an Saudi-Arabien verteidigt. Zugleich sagte die Ministerin am 15. Oktober in Bonn: „Wir liefern direkt nicht nach Saudi-Arabien“ – dorthin, „wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden“. Sie und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hätten sich mit der Entscheidung sehr schwer getan.

Baerbock betonte, es habe sich hierbei um einen Altvertrag für ein EU-Gemeinschaftsprojekt gehandelt. Sie sei für eine solche europäische Rüstungskooperation. Diese sei notwendig, „sonst brauchen wir noch mehr als diese 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr“. Sie wolle nicht, dass Sozialstaat gegen Verteidigung ausgespielt werde.

Zugleich versprach Baerbock eine künftige restriktivere Rüstungspolitik. Die Ministerin kündigte das geplante Rüstungsexportkontrollgesetz an, mit dem Waffenexporte restriktiver gehandhabt werden sollen. Habeck will Eckpunkte dafür in Kürze vorstellen.

Zugleich wandte sich Baerbock dagegen, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine genutzt werde, um Angst und Spaltung zu verbreiten und dass Flüchtlinge darunter zu leiden hätten. Sie wisse, „was in den Kommunen los ist, was auch in einigen Turnhallen passiert“. Es sei aber nicht gegeben, dass im Winter Flüchtlinge gegen den Krieg in der Ukraine ausgespielt werden müssten. „Man kann auch hier Haltung zeigen.“

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Für den Zentralrat der Muslime sind Muezzinrufe eine „Selbstverständlichkeit“

Hannover (KNA/iz). Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, begrüßt es, dass am Freitag erstmals aus der Kölner Zentralmoschee Muezzinrufe über Lautsprecher nach draußen getragen werden sollen. „Der Gebetsruf, fester Bestandteil des muslimischen Gebets und in einigen Städten Deutschlands längst Alltag, ist im Rahmen unserer Religionsfreiheit und durch das Grundgesetz gedeckt und sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein“, sagte Mazyek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Donnerstag.

Dem Vorwurf, dass die Muezzinrufe politisch instrumentalisiert werden könnten, widerspricht Mazyek. Die Kölner Zentralmoschee wird vom deutsch-türkische Moscheeverband DİTİB getragen.

Der Muezzinruf, der ab heute an der Zentralmoschee erklingen kann, darf laut Auflagen der Stadt 60 Dezibel nicht überschreiten. Das ist etwa so laut wie ein Gespräch. Der Ruf wird auch nicht über die beiden nicht begehbaren, je 55 Meter hohen Minarette ertönen, sondern über zwei Lautsprecher, die auf den Hof zwischen Moschee und Verwaltungsbau gerichtet sind. Das Gebäude liegt an zwei größeren Straßen.

„Ich rechne damit, dass der Gebetsruf nicht weit außerhalb des Innenhofs zu hören sein wird“, sagte die Leiterin des Kölner Integrationsamts, Bettina Baum, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Schätzungsweise 11 Prozent der gut eine Million Kölnerinnen und Kölner sind islamischen Glaubens.

Die Schallauflagen bewertet Mazyek kritisch: Durch die Dezibelvorgaben leisteten „schrägen“ Diskussionen Vorschub. „Durch manch Politisierung des Gebetsrufes mit unterschiedlichen Vorzeichen – sei es, indem man suggeriert, ein bestimmter Moscheeträger stünde angeblich zur Disposition oder durch fadenscheinige politische Umdeutung des Ruftextes, nimmt am Ende der Religionsfrieden und damit die Freiheit Religion zu leben oder auch nicht, Schaden“, erklärte der Zentralratsvorsitzende.

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Köln will Muezzinruf ab Mitte Oktober erlauben

Düsseldorf/Köln (KNA) An der Kölner Zentralmoschee könnte die Türkisch Islamische Union DİTİB womöglich ab 14. Oktober den Muezzin per Lautsprecher zum Gebet rufen lassen. Eine Sprecherin der Stadt Köln bestätigte auf Anfrage der „Rheinischen Post“ (Sonntag, den 02. Oktober), dass es nur noch kleinere Nachfragen gebe, dass die Stadt aber im Prinzip grünes Licht geben werde.

Formale Voraussetzung für den Muezzinruf ist nun noch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen Stadt und DİTİB. Sollte er in den nächsten Tagen unterschrieben werden, könnten ab dem 14. Oktober die ersten Muezzinrufe in Köln erschallen. Erlaubt wäre das dann immer freitags in der Zeit zwischen 12.00 und 15.00 Uhr für fünf Minuten.

Die Stadt Köln hatte Anfang Oktober 2021 erklärt, dass Moscheegemeinden auf Antrag und unter Auflagen künftig ihre Gläubigen zum mittäglichen Freitagsgebet rufen dürften. Zu den Auflagen gehört etwa, dass der Gebetsruf nicht länger als fünf Minuten dauert. Für die Lautstärke gibt es eine Höchstgrenze, die je nach Lage der Moschee festgelegt wird. Außerdem muss die jeweilige Moscheegemeinde die Nachbarschaft frühzeitig mit Flyern informieren und eine Ansprechperson benennen, die Fragen beantworten oder Beschwerden entgegennehmen kann. Das Modellprojekt ist zunächst auf zwei Jahre befristet.

Die Erlaubnis ist umstritten. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) steht dahinter. Auch der Kölner katholische Stadtdechant Robert Kleine befürwortet das Muezzin-Projekt. Das Grundrecht auf freie Religionsausübung stehe auch „den islamischen Gemeinden in Form des Muezzinrufes“ zu, sagte er im Mai. „Es geht dabei ja um ein verfassungsmäßiges Recht, das auch nicht mit dem Hinweis auf religiöse Intoleranz oder die politische Instrumentalisierung der Religion in anderen Teilen der Welt relativiert werden darf. Wir nehmen uns eben kein Maß an autoritären Staaten.“

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) äußerte dagegen Kritik. Er fürchtet um den gesellschaftlichen Frieden, wenn viele Moscheegemeinden entsprechende Anträge stellten.

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Natürlich dürfen Muslime zum Gebet rufen

(iz). Seit Wochen diskutieren Politik und Medien über die Frage, ob man Muslimen den Gebetsruf erlauben sollte. Dabei stellt sich die Frage gar nicht. Denn juristisch ist das Recht auf Muezzin-Ruf eindeutig.

Seit der Ankündigung von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, muslimischen Gemeinden den öffentlichen Gebetsruf (arab. adhan) zu erlauben, kennt die Debatte kein Halten mehr: In unzähligen Gastbeiträgen und Interviews haben echte und vermeintliche „Experten“ in den vergangenen Tagen kundgegeben, warum ihrer Meinung nach der Adhan erlaubt oder verboten werden sollte. Die einen argumentieren mit persönlichen Erfahrungen, die zweiten machen den Muezzinruf abhängig von der Erfüllung integrationspolitischer Forderungen, die dritten reihen einfach plumpe Klischees aneinander. Das mag alles sehr interessant sein, für die Frage aber, ob Muslime zum Gebet rufen dürfen, ist es letztlich unerheblich. Denn die Antwort darauf ist eindeutig: Natürlich dürfen sie.

Der Grund hierfür steht in Art. 4 des Grundgesetzes. In Absatz 1 heißt es: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“. Absatz 2 fügt hinzu: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Dass diese grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit auch öffentliche Gebetsrufe abdeckt, haben Gerichte immer wieder bestätigt.

Maßgeblich ist hierfür ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1968, wonach die Religionsfreiheit „extensiv“ zu interpretieren sei:  „Zur Religionsausübung gehören danach nicht nur kultische Handlungen und Ausübung sowie Beachtung religiöser Gebräuche wie Gottesdienst, Sammlung kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente, Prozession, Zeigen von Kirchenfahnen, Glockengeläute, sondern auch religiöse Erziehung, freireligiöse und atheistische Feiern sowie andere Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens.“

Auch die Bundesregierung kennt das Recht auf Muezzinruf. In einer Antwort auf eine Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema „Islam in Deutschland“ aus dem Jahr 2000 schreibt sie: „Der islamische Gebetsruf als Betätigung einer Glaubensüberzeugung im Sinne der Bekenntnisfreiheit und der freien Religionsausübung wird durch Artikel 4 Abs. 1 und 2 GG geschützt.“

Gegner von Muezzinruf und/oder Glockenläuten argumentieren häufig, dass Religionsfreiheit der Gläubigen dann ein Ende finden müsse, wenn die Religionsfreiheit von Dritten, also zum Beispiel von Anwohnern, gefährdet sei. Doch das ist sie nicht. Entgegen dem landläufigen Verständnis begründet die „negative Religionsfreiheit“ kein Recht darauf, von religiösen Bekundungen unbehelligt zu bleiben. Sie bedeutet lediglich, dass niemand zu religiösen Bekenntnissen oder Praktiken gezwungen werden darf.

Im Kruzifix-Urteil von 1995 urteilte das Bundesverfassungsgericht beispielsweise, der Einzelne habe „in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben.“

In diesem Sinne wies auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Jahr 2020 eine Klage gegen einen Muezzinruf ab. Die Richterin urteilte damals: „Jede Gesellschaft muss akzeptieren, dass man mitbekommt, das andere ihren Glauben ausleben.“

Politiker, die den Adhan verbieten wollen, ohne auf Kirchenglocken verzichten zu müssen, greifen ohnehin lieber zu einem anderen Argument. Ihnen zufolge passe der muslimische Gebetsruf schlicht nicht zur christlichen Kultur des Landes. Lässt sich diese These juristisch untermauern? Ja. Zumindest wenn man im Jahr 1955 hängengeblieben ist.

In einer aus heutiger Sicht abenteuerlich anmuteten Argumentation urteilte das Bundesverfassungsgericht damals: „Das Grundgesetz hat nicht irgendeine, wie auch immer geartete freie Betätigung des Glaubens schützen wollen, sondern nur diejenige, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet hat.“

Wer nun hofft, das passende Urteil gefunden zu haben, um allen Nicht-Christen ihre Religionsfreiheit abzusprechen, muss leider enttäuscht werden: Die sogenannte Kulturadäquanzklausel wurde von späteren Verfassungsrichtern nie wieder aufgegriffen und spielt heute keine Rolle mehr. Die heutige Rechtsprechung ist eindeutig: Das Grundrecht auf freie Ausübung der Religion gilt für alle Gläubigen gleich welcher Religion.

Trotzdem könne man Glockengeläut und Adhan doch nicht gleichsetzen. Schließlich handelt es sich bei dem einen nur um harmloses Gebimmel, während die anderen ihre Nachbarschaft mit einem religiösen Bekenntnis beschallen. Dieses Argument hat tatsächlich juristische Relevanz. Allerdings zugunsten der Muslime.

Denn gerade der eindeutig religiöse Charakter des Adhan lässt keinen Zweifel daran, dass er unter die Religionsfreiheit fällt. Im Falle von Kirchenglockenläuten unterscheiden Juristinnen hingegen manchmal zwischen liturgischem (wie Gottesdienst, Taufe) und profanem Glockenläuten (Zeitangabe, Sturmwarnung). Nur erstes fällt dieser Argumentation zufolge unter den Schutz der Religionsfreiheit. Andere sehen hingegen jegliches Glockengeläut von der Religionsfreiheit gedeckt. Sie argumentieren: Eine staatliche Unterscheidung zwischen liturgischem und profanem Geläut sei ein unzulässiger Eingriff in die Autonomie der Religionsgemeinschaften.

Grenzenlos ist das Recht auf öffentliche Gebetsrufe in der Bundesrepublik dennoch nicht. Das in der Rechtsprechung häufigste und wirksamste Argument gegen öffentliche Gebetsrufe lautet: Lärmschutz. Zwar stehen Glockengeläut und Muezzin-Rufe unter dem Schutz der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit, unantastbar macht sie das dennoch nicht. Vor allem dann nicht, wenn sie mit anderen Grundrechten kollidieren.

Ein von Kirchenglocken oder „Allahu Akbar“-Rufen täglich aus dem Schlaf gerissener und in Schlafstörungen, Migräne und Depressionen gestürzter Anwohner kann mit gutem Grund auf die Verletzung von Art. 2, Abs. 2 des Grundgesetzes verweisen: das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Der Großteil der Gerichtsverhandlungen zu Kirchenglockenläuten befasst sich tatsächlich mit diesem Konflikt.

Aber auch in diesen Fällen führt die Rechtsprechung nicht zum Verbot von Gebetsrufen. „Praktische Konkordanz“ nennen Juristen das Prinzip, wonach bei kollidierenden Grundrechten stets der Kompromiss gesucht werden sollte. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel: der Muezzin ruft etwas leiser, die Kirchenglocken läuten etwas später. Häufig urteilen Richterinnen aber auch völlig pro Religionsfreiheit und muten Anwohnern Gebetsrufe weit jenseits der örtlich geltenden Lärmschutzbestimmungen zu. Urteile hingegen, in denen ein öffentlicher Gebetsruf zugunsten lärmgeplagter Anwohnerinnen generell untersagt wurde, gibt es nicht.

Was es dennoch leider reichlich gibt, sind Politiker, Journalistinnen und „Experten“, die fordern Muslime die Ausübung ihrer Religionsfreiheit zu verweigern. Auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen sie sich – anders als zum Gebet rufende Muslime – nicht.

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Schnellschüsse aus der Hüfte

(iz). Längst sind das Internet und seine Kommunikationsformen zu einer Arena des Politischen geworden. Hier finden die Politik sowie ihre Themen ihren Widerhall. Alles, was früher den Wählern beziehungsweise jeweils […]

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