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Zur Macht der Sprache: Der Gelehrte Dr. Asadullah Yate über die Wirkung des Arabischen

(iz). Sprachen sind einem enormen Wandel unterworfen: Globalisierung, Internet, die Forderung von Wirtschaft und Kommunikation nach einem International-English-Speak führen dazu, dass sich immer mehr nicht-englische Sprachen dessen Parametern anpassen müssen. […]

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Vom Wissen zur Sorgsamkeit

Viele, wenn sie die islamische Offenbarung lesen, sind beeindruckt von der Rolle, die die Natur darin spielt. Gleiches gilt für die Ausgewogenheit, die in Allahs Schöpfung herrscht. Uns fällt es oft schwer zu verstehen, was dies für uns in einer Situation bedeutet, die bei jeder traditionellen Kultur in ihrer Wirkung und Form so nicht vorgesehen ist. Von Abbas Mustafa

Dies mag einer der Aspekte der Unordnung sein, die die „Religiosität“ in der muslimischen Welt befallen hat. Jene Länder, die über eine besonders „islamische“ Selbstwahrnehmung verfügen, scheinen die gleichen oder gar schlimmere Probleme in den Bereichen der gesunden Ernährung und des ökologischen Bewusstseins zu haben als Länder, für dies nicht gilt.

Was sich daraus auf jeden Fall ableiten lässt, ist die Notwendigkeit einer sofortigen und anwendbaren Beschäftigung mit der Offenbarung, um einen Handlungsstrang in Sachen Umwelt und gesunde Ernährung zu bekommen. Einer der Zugänge dazu liegt in der Beschäftigung mit relevanten Qur’anversen. Diejenigen, die damit vertraut sind, wissen, dass das Motiv der Natur immer wieder darin erscheint.

Der Muslim ist prinzipiell optimistisch, denn das ist die Grundstimmung, die Allah von uns wünscht. Es ist bezüglich der inneren Einstellung mehr als nur empfehlenswert, eine gute Meinung von Ihm und Seiner Schöpfung zu haben. Trotz aller großen Widerstände war der Prophet freundlich und optimistisch. In unserem Lebensstil – nicht in unserer Ideologie – müssen wir Zeugen für eine Lebensweise werden.

Was bedeutet es, wenn wir aus der anderen Ecke der Welt Früchte einfliegen, während sie zeitgleich bei uns reif sind? Es bedeutet, dass wir unsere Beziehung zu dem, was wir zu uns nehmen, entwertet haben. Wir sind entfremdet von der Erzeugung unserer Nahrung wie von der Freude, gutes Essen mit anderen zu teilen. Manche Kinder geben mittlerweile bei Befragungen an, dass sie nicht mehr wissen, was eine Birne ist.

Unsere Beziehung zur Nahrung steht für unsere Beziehung mit der Umwelt und der Weise, wie wir leben. Unsere Geschäfte gehören Anteilseignern, die niemals ihre Firmen besucht haben – ganz zu schweigen von den Bedingungen, unter denen die Arbeiter tätig sind. Zeitgleich transportieren Medien weiterhin ungebremst jene Ideale, die jene Entfremdung hervorgebracht haben. Unser Verständnis von Wirtschaft reflektiert dies, wenn es von einem unendlichen Wachstum auf einem Planeten begrenzter Ressourcen träumt.

Wir stellen uns die falschen Fragen. Ist der Mensch im Krieg mit der Natur, weil er sich im Krieg mit sich selbst befindet? Stellen wir diese Frage, dann sehen wir, dass beide Teile untrennbar miteinander verbunden sind. Der Krieg mit sich selbst bedeutet den Konflikt mit der eigenen Natur. Krieg mit der Natur bedeutet einen Konflikt mit allem, dem wir unseren Unterhalt – Nahrung, Unterkunft, Energie – verdanken. Wir können nur dann im Konflikt mit der Natur sein, wenn wir uns als davon getrennt verstehen.

Welcher Traum reduziert die Sehnsucht nach „Erfolg“ auf einen Anstieg des Bruttosozialprodukts? Nach dem Hurrican „Katrina“ stieg des Bruttosozialprodukt der USA an. Je mehr Medikamente und Pestizide wir kaufen und je mehr Kriege wir führen, desto mehr steigt unser Bruttosozialprodukt an. Äquatorialguinea und Griechenland haben beide ungefähr das gleiche Bruttosozialprodukt. Bedeutet das eine Gleichheit in den Lebensbedingungen und der Zufriedenheit der Menschen? Die Lebenserwartung in Griechenland ist um 30 Jahre höher.

Islam und ökologisches Denken verweisen beide auf die Einheit unserer Existenz. Die Ökologen versuchen, die Verbundenheit der Dinge zu verstehen und die Dinge miteinander zu sehen, die als getrennt gelten. Dies bedeutet, Dinge wie Luft, die wir verschmutzen, oder Nahrung, die wir teilen, als etwas mit uns Verbundenes anzusehen. Die Lösung unserer Probleme kann nur im Zusammenkommen gelingen. Wir müssen unser Weltbild vom Menschen als Beherrscher der Welt hin zu dem vom Menschen als Kalifen, als Sachwalter auf der Erde, dem diese anvertraut wurde, verändern.

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Protestanten und Muslime für mehr interreligiöse Zusammenarbeit

Dortmund (KNA). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der Koordinationsrat der Muslime (KRM) planen mehr Zusammenarbeit zwischen den Religionen gegen Armut und Ungerechtigkeit. Bei ihrem jährlichen Austausch am 29. Oktober in Dortmund habe das Thema „Armut und Gerechtigkeit“ im Mittelpunkt gestanden, teilte die EKD am Samstag mit.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung der Energiekosten und der steigenden Inflation wachse die Gefahr, dass viele Menschen in Deutschland an den Rand ihrer Belastungsgrenzen kommen. Man sei sich einig, dass die staatliche Unterstützung gezielt an diejenigen erfolgen müsse, die unter den wirtschaftlichen Entwicklungen besonders leiden.

Religionsgemeinschaften kommen nach Ansicht von EKD und KRM besondere Aufgaben zu, wenn Menschen in Not geraten sind. Es gehöre zum zentralen Selbstverständnis sowohl des Islam als auch des Christentums, die Benachteiligten in der Gesellschaft zu unterstützen und ihnen zu einem Leben in Würde zu verhelfen.

Beide Dachverbände riefen zu mehr interreligiösen Kooperationen auf. Die etablierten Akteure sollten dabei stärker als bisher muslimische Initiativen als potenzielle Partner wahrnehmen. Umgekehrt sollten sich muslimische Gruppen um Anschluss an bestehende Arbeitsgruppen bemühen: „Durch ein gemeinsames Engagement von Christinnen und Musliminnen für die Benachteiligten wird Solidarität nicht nur mit den Schwächsten gelebt, sondern dadurch auch das interreligiöse Miteinander gestärkt.“

Die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus, machte einen konkreten Vorschlag und sagte: „Die gemeinsame Aktion #Wärmewinter der EKD und der Diakonie bietet eine gute Möglichkeit auch für interreligiöse Kooperationen. Ich würde mich freuen, wenn es an vielen Stellen in Deutschland auch zu einem gemeinsamen Engagement über Religionsgrenzen hinweg kommen würde.“ Dieser Vorschlag sei von der muslimischen Seite begrüßt worden, so die EKD weiter.

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Die anderen 22 Prozent – Weltweit leben 400 Millionen Muslime als Minderheit

Wie ein aktueller Report des Londoner Thinktanks Ayaan Institute dokumentiert, stellen muslimische Minderheiten nicht nur rund ein Viertel aller Muslime. Sie spielen auch eine wichtige Rolle für die zukünftige Entwicklung der islamischen Welt.

(iz). Am 10. Oktober veröffentlichte das unabhängige Londoner Ayaan Institute ein umfangreiches Papier über muslimische Minoritäten in aller Welt. „Ummah at the Margins“ („Ummah an den Rändern“) behandelt fast ein Viertel der globalen Muslime (ca. 400 Millionen Menschen) und füllt damit eine wichtige Lücke im weltweiten innermuslimischen Diskurs aus. Autor ist der englische Sozial- und Kulturanthropologe Yahya Birt, der 2014 vom Magazin „The Economist“ als „einflussreicher britischer Muslim“ beschrieben wurde. Der Schriftsteller, Gemeinschaftshistoriker und Forscher hat unter anderem für Einrichtungen wie die Georgetown University oder die Universität Leeds gearbeitet.

Das Papier habe zum Ziel, so Institutsleiter Jahangir Mohammed, die Rolle islamischer Minderheitengemeinschaften für die Schaffung von Einheit, Wohlstand und Verbundenheit mit der Mehrheit zu beleuchten. Damit sie das konstruktiv tun könnten, bräuchten sie unabhängige Organisationen sowie eine größere Resilienz gegenüber auswärtigen Feindseligkeiten. Birt nutzt seine umfangreiche Expertise von Communitys in Großbritannien und globaler Bewegungen zur Diskussion fundamentaler Fragen, vor denen wir heute stünden. Gefahren und Chancen, die sich diesen Minderheiten stellten, würde sie zum Vorausdenken zwingen.

Jene muslimischen Bevölkerungen sind nach Ansicht des Ayaan Institute von Bedeutung, weil sie 22 Prozent (Stand: 2022) aller weltweiten Muslime ausmachen. Auch deshalb müssen Wege für ihr Überleben und Erfolg gefunden werden. Der Bericht fokussiert sich auf 31 Gruppen mit jeweils mehr als einer Million Angehörigen. So lebt in Indien die zweitgrößte islamische Personengruppe der Welt mit 213 Millionen Mitgliedern. Aus historischen und demografischen Gründen sind diese Gemeinschaften signifikanter, als es der Begriff „Ummah an den Rändern“ vermittelt.

In „Ummah at the Margins“ werden drei geografische Zonen für die Betrachtung identifiziert. Zuerst kommen die „Großen 3“ (Indien, China und Russland). Hier leben historisch umfangreiche Minderheiten, deren sich verschlechternde Lage global Anlass zur Sorge sein sollte. Als Nächstes folgen 14 afrikanische Staaten, in denen zwar teils schlechte ökonomische Verhältnisse herrschen, die aber vorbildhaft in Sachen Glaubensfreiheit seien. Und schließlich erfreuen sich Muslime in neun westlichen Ländern höherer Freiheit und Wohlstand als Muslime anderswo. Nach Ansicht von Yahya soll diese Dreiteilung ein Fundament zur strategischen Erforschung der Minderheiten insgesamt legen.

Zu den Schlüsselerkenntnissen gehört, dass es kaum oder keinen Zusammenhang zwischen persönlichen, bürgerlichen und ökonomischen Freiheiten und Religionsfreiheit in den 31 Ländern gibt. Das mache nach Ansicht des Autors weitere Untersuchungen nötig, um die Ursachen von Feindseligkeit und nötigen Gegenmaßnahmen zum Schutz solcher Minoritäten zu bestimmen. Die sich diesen Communitys stellenden Fragen sind keinesfalls vom Rest der Ummah getrennt. Insgesamt konkurriert die Vorstellung einer globalen ethischen Gemeinschaft mit der gegenwärtigen Diasporapolitik von mindestens fünf einflussreichen Staaten. Bei Letzterer dominiert die ethnische Zugehörigkeit zu einem Ursprungsland und ist jeweiligen nationalen Interessen unterworfen. Dabei haben diese Minderheiten kein verlorenes Heimatland, „sondern vielmehr eine geteilte Ausrichtung (Qibla) nach Mekka, einen gemeinsamen Glauben, Schrift und einen Propheten für die ganze Welt“.

Muslime sind nach Birt fester Bestandteil des dominanten nationalstaatlichen Systems geworden, das sich in den letzten zwei Jahrhunderten über den ganzen Globus ausgebreitet hat. Im Unterschied zu anderen wird dieser Nationalismus in mehrheitlich islamischen Gesellschaften in religiöse Begriffe gehüllt. Ihre nationalen Eliten schufen „eine betreute Religion“, die ihre Interessen im In- und Ausland befördern sollte. Zu den Schlüsselfaktoren dieser oft übersehenen Communitys gehört unter anderem: In ihnen hat Indien mit schätzungsweise 213 Millionen Angehörigen (Stand: 2020) die zweitgrößte Gemeinschaft weltweit. Schätzungen gehen davon aus, dass es Indonesien in Sachen Größe in den kommenden 50 Jahren überholen wird.

Auf unserem Kontinent verschiebt sich der demografische Schwerpunkt langsam nach Westen. Heute leben in Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Italien mehr Muslime als in den einzigen muslimischen Ländern Europas, Albanien und Kosovo. Legt man die geografische Definition der letzten eineinhalb Jahrhunderte an, erstreckt sich unsere Halbinsel nördlich der afrikanischen Küste bis zu einer Linie vom Ural bis zum Kaspischen Meer. In diesem Bereich dominieren noch die Muslime in Ost- und Südosteuropa; vor allem, wenn man die Mehrheitsgebiete der Türkei (Istanbul und Thrazien, 12,55 Mio. in 2020), Aserbaidschan (9,79 Mio. in 2020) und die große Minderheit in Russland (16 Mio. in 2020) mit einbezieht. Das Pew Forum ging 2015 davon aus, dass die muslimische Bevölkerung Europas von 5,9 Prozent (2010) auf 10,2  anwachsen soll.

Die älteste Gemeinschaft außerhalb Mekkas, jene in Äthiopien, stellt 36 Prozent aller Einwohner in diesem afrikanischen Land. Zu anderen führenden, und teils historischen Minderheiten gehören die von China (28 Mio.), Tansania (21 Mio.), Russland (16 Mio.), Elfenbeinküste (9 Mio.) und den Philippinen (6 Mio.).

Was vielen nicht bekannt ist: Einige der aufgezählten Bevölkerungsgruppen in einer Minderheitensituation sind größer als die von OIC-Staaten. So leben in Indien mehr Muslime als in Nigeria und Ägypten zusammen. Es gibt mehr Muslime in Äthiopien als in Saudi-Arabien, in China mehr als in Syrien, mehr in Tansania als in Somalia und mehr in Russland als in Tunesien.

Die neun genannten Beispiele im euro-amerikanischen Raum stellten 2020 rund 29 Millionen Angehörige. Das ist eine vergleichsweise neue Entwicklung, denn die meisten Communitys entstanden nach 1945. Allerdings gibt es wichtige Pionierleistungen, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Eine nennenswerte Ausnahme davon ist Bosnien, wo die Beheimatung des Islam im 15. begann.

Für den größten Teil erfreuen sich diese Gemeinschaften relativ hoher Grade an Religionsfreiheit und persönlichem Wohlstand – im Vergleich zu den meisten OIC-Staaten. „Sie wurden während der vergangenen dreißig Jahre in Hinblick auf die Solidarität der Ummah zunehmend durchsetzungsfähiger“, schreibt Birt. Allerdings stehen sie insbesondere seit 9/11 vor größeren politischen und rechtlichen Beschränkungen. Einige Schätzungen besagen, dass es in den „westlichen neun“ Ländern insgesamt 45 Millionen Muslime geben wird.

Es hätte den Rahmen von „Ummah at the Margins“ gesprengt, würde Birt eine Analyse für jede dieser mehr als dreißig Minderheiten anfügen. Im letzten Viertel des Reports wird Großbritannien als Fallbeispiel vorgestellt. Darin finden sich viele Parallelen zu den „westlichen 9“. Die Gemeinsamkeiten gelten hingegen kaum für die Gruppe aus Indien, China und Russland sowie für die muslimischen Minoritäten Afrikas, die unter ganz unterschiedlichen Bedingungen operieren.

Das Phänomen dieser Gemeinschaften beleuchtet „die große Herausforderung des islamischen Nationalismus“, die für den Autor die größte Aufgabe der Ummah darstellt. Für ihn liegt die Erklärung darauf in der Instrumentalisierung, welcher der Islam während der Staatenbildung der postkolonialen Periode unterworfen wurde. Er wurde in nationale Identitäten und Institutionen gepresst. Das äußerte sich laut Birt in diesen drei Prozessen: Religiöse Institutionen und Autoritäten (wie Auqaf oder Qadis) wurden nach dem jeweiligen Trend verstaatlicht.

Die Schari’a wurde von einem unabhängigen und grenzüberschreitenden Prozess des rechtlichen Nachdenkens zu einem öffentlichen, gebietsgebundenen und positiven Recht gemacht. Laut Wael bin Hallaq bedeutet dies, dass es für einen modernen Staat unmöglich sei, „islamisch“ zu sein.

Unterricht für Kinder wurde von privaten Medressen in staatliche Schulen verlegt. Seine Inhalte mutierten zu einer Lehre, in der Islam als ein Bezugspunkt für Nationalgeschichte und bürgerliche Indoktrinierung herhalten musste. Der letzte Punkt ist nach Birt abhängig von den jeweiligen Bedingungen der Dekolonisierung, dem Wiederauftauchen von Privatschulen dank des Neoliberalismus sowie der Art und Weise, wie moderne Islamschulen als Institution die eurozentrische Trennung von öffentlichen und staatlichen Schulen überwinden.

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Islamische Lebenspraxis: Möglichkeiten der muslimischen Suchtbekämpfung

Innerhalb der muslimischen Gemeinschaften sind Trinken und Drogenmissbrauch nicht nur missachtet, sie werden auch aktiv verurteilt. Zur gleichen Zeit aber gibt es Muslime, die trinken. Geht der Konsum von solchen […]

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Das Mittelmeer als Brücke und Grenze

(iz). Das große Meeresbecken, zu dem auch das Schwarze Meer gehört, bedeckt eine Fläche von 2.700.000 Quadratkilometer. Es hat eine Ausdehnung von 3.860 Kilometern – von der Straße von Gibraltar […]

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Riem Spielhaus zum Hamburger Staatsvertrag: „Ein bundesweiter Impuls“

(KNA). 2012 hat Hamburg als erstes Bundesland Verträge mit drei Islamverbänden und der Alevitischen Gemeinde geschlossen. Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten sollen sie nun einer Neubewertung unterzogen werden. Auf einem Fachtag am Mittwoch spricht unter anderem die Professorin für Islamwissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen, Riem Spielhaus. Sie forscht zur rechtlichen Anerkennung islamischer Verbände in Deutschland. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) schildert sie ihren Blick auf die Hamburger Verträge und bewertet ihre bundesweite Wirkung. Von Michael Althaus

Frage: Frau Professorin Spielhaus, haben sich die Hamburger Verträge mit den islamischen Verbänden und der Alevitischen Gemeinde aus Ihrer Sicht bewährt?

Riem Spielhaus: Ich nehme aus Hamburg einerseits Zufriedenheit sowohl auf staatlicher als auch aufseiten der Religionsgemeinschaften wahr. Die Verträge treffen Regelungen zu Feiertagen, Religionsunterricht und Bestattung und decken damit aus meiner Sicht die wichtigsten Fragen ab. Der interreligiös getragene „Religionsunterricht für alle“ scheint in Hamburg gut zu laufen. Auch die Feiertagsregelung scheint zu funktionieren. Auf der anderen Seite gab und gibt es auf muslimischer Seite auch immer mal wieder Frustration.

Frage: Worüber?

Riem Spielhaus: Über einzelne, konkrete Punkte kann ich als außenstehende Beobachterin wenig sagen. So eine Frustration muss nicht immer einen konkreten Grund haben. Manche Erwartungen sind gar nicht zu erfüllen, sondern liegen zum Beispiel auf der Ebene von gesellschaftlichem Diskurs. Man möchte zum Beispiel wertgeschätzt werden.

Frage: Und die Frustrationen auf staatlicher Seite?

Riem Spielhaus: Die islamischen Religionsgemeinschaften sind in Deutschland noch nicht so organisiert wie die beiden großen Kirchen. Auch wenn es beispielsweise in Hamburg bereits Professionalisierungskurse für das Personal in islamischen Gemeinden gegeben hat, können sicher nicht immer alle Erwartungen auf staatlicher Seite erfüllt werden. Frustration gibt es darüber hinaus immer wieder auch bei der Frage, ob die islamischen Verbände auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Da gab es in Hamburg etwa Debatten um die Teilnahme einzelner Vertreter des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) am Al-Quds-Tag oder um die Abhängigkeit der Ditib vom türkischen Staat. Die wurden teils auch innerhalb der islamischen Verbände kontrovers geführt, setzen aber natürlich vor allem die staatliche Seite unter Rechtfertigungsdruck.

Frage: Dem IZH wird eine unmittelbare Abhängigkeit vom iranischen Regime vorgeworfen. Das Zentrum ist Mitglied im Dachverband Schura, einem von drei Partnern der Stadt bei dem Islamvertrag. Sollte die Schura trotzdem Vertragspartner bleiben?

Riem Spielhaus: Mit konkreten Empfehlungen möchte ich mich zurückhalten. Die entscheidende Frage ist, wie sich die Schura in dieser Situation verhält. Sie prüft derzeit, ob das IZH seine Mitgliedschaft ruhen lassen kann und hat ein Schiedsgericht eingesetzt. Die Einflussnahme aus dem Iran auf das IZH ist offensichtlich stärker geworden. Das wird auch innerhalb der Schura diskutiert und einzelne Mitgliedsverbände haben sich bereits vom IZH distanziert, weil sie sich nicht aus dem Ausland lenken lassen wollen. Es kann weder aus Sicht der Verbände noch aus Sicht des Senats Ziel sein, eine solche Konstellation einzugehen. Ähnliche Debatten gab es auch zur Türkei-nahen Ditib. Allerdings hat sich die Hamburger Ditib immer als besonders selbstständig hervorgetan gegen Versuche aus Ankara, sie zu lenken.

Frage: Befürworter des Vertrags argumentieren, man müsse ihn um des Dialogs willen beibehalten…

Riem Spielhaus: Einen Vertrag aufzulösen bedeutet ja nicht gleich, den Dialog aufzulösen. Ein Dialog wäre selbst mit einer Organisation, in der sich ausländische Kräfte engagieren, wichtig. Es kann durchaus interne Kräfte geben, die sich versuchen, davon freizumachen. Wir kennen das zum Beispiel von der katholischen Kirche genauso, dass es Organisationsstrukturen außerhalb von Deutschland gibt, sogar staatliche mit dem Vatikan. Auch hier kann es durchaus zu Problemen kommen. Aber darüber wird konstruktiv und transparent gesprochen. So könnte man sich das auch bei den islamischen Organisationen vorstellen.

Frage: Sind denn ansonsten aus Ihrer Sicht Änderungen an den Verträgen notwendig?

Riem Spielhaus: Das wird man im bevorstehenden Gesprächsprozess Punkt für Punkt klären müssen. Zudem wäre zu fragen, ob es weitere Bereiche gibt, für die man Vereinbarungen treffen möchte. Potenziale sehe ich bei der Jugendarbeit und der Wohlfahrtspflege. Hier könnte Hamburg bundesweit noch einmal neue Akzente setzen.

Frage: Als vor zehn Jahren die Verträge abgeschlossen wurden, wurde ihnen Vorbildcharakter für die ganze Republik zugesprochen. Gilt das immer noch?

Riem Spielhaus: Ja. Hamburg hat in der Tat einen Impuls gesetzt, der sehr stark über die Grenzen der Hansestadt hinaus wahrgenommen wurde. Nicht ganz ein Jahr später wurde ein ähnlicher Vertrag mit islamischen Verbänden und später auch mit der Alevitischen Gemeinde in Bremen geschlossen. In Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wurden Vertragsgespräche aufgenommen. In Niedersachsen ist der Prozess seit 2016 auf Eis gelegt. Rheinland-Pfalz hat 2019 einen Vertrag mit den Aleviten geschlossen. Mit den islamischen Verbänden wurden auch dort die Gespräche zwischenzeitlich gestoppt, inzwischen aber wieder aufgenommen.

Frage: Woran hapert es bei den Gesprächen, und warum tut sich in den anderen Bundesländern nichts?

Riem Spielhaus: Die Gespräche wurden vor allem wegen der Entwicklungen 2016 in der Türkei ausgesetzt. Nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der dortigen Regierung und ihren Gegnern war eine erhöhte Einflussnahme der Türkei auf die Ditib-Verbände hierzulande festzustellen. Rheinland-Pfalz geht nun einen spannenden Weg, bei dem sich die Partner Zeit nehmen und sich Zielvorgaben setzen. Ich denke, jedes Bundesland muss seine eigene Geschwindigkeit finden und seine jeweiligen Strukturen berücksichtigen. In Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen ist die Zusammenarbeit wesentlich einfacher als in Flächenländern, weil die Akteure viel näher beieinander und besser vernetzt sind.

Frage: Wären auch andere Modelle der Zusammenarbeit als ein Staatsvertrag erstrebenswert?

Riem Spielhaus: Natürlich. In Berlin gibt es seit 2005 das Islamforum, ein Koordinierungsgremium zwischen staatlichen, islamischen und weiteren gesellschaftlichen Institutionen. Auch dort wurden verschiedene Regelungen getroffen, zum Beispiel zu Bestattungen, zu Feiertagen und zum Religionsunterricht.

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Trügerische Ruhe in Kasachstan: Lage bleibt unübersichtlich

Die Lage in Kasachstan bleibt unübersichtlich. Während Machthaber Tokajew auf Unterdrückung setzt, reagieren Religionsgemeinschaften unterschiedlich auf die Unruhen. Von Heinz Gstrein

Nur-Sultan (KNA/iz). In Kasachstan hat der Befehl von Machthaber Kassym-Schomart Tokajew, „blind in die Massen zu schießen“, in der zweiten Woche zum Abflauen der Unruhen geführt. Vor allem in der alten und weiter heimlichen Hauptstadt Almaty trifft die Behauptung des Regimes und seiner russischen Verbündeten von einer „weitgehend“ beruhigten Lage zu.

Die besteht allerdings darin, dass sich die Straßen von Demonstranten geleert, doch dafür die Gefängnisse gefüllt haben. Die noch immer nicht überschaubare Zahl an Toten und Verletzten verwandelt die spontane Wut der Bevölkerung über explodierende Teuerung für die Armen und ausufernde Korruptionsgewinne in der herrschenden Schicht in feste Entschlossenheit, bis zum Sturz der Diktatur weiterzukämpfen.

Bislang herrschten in der zweitgrößten der einstigen Sowjetrepubliken nach Russland vergleichsweise stabile Verhältnisse. Ein Aufstand der Ölarbeiter von Schangaösen und seine blutige Niederschlagung 2011 wirken aus heutiger Sicht aber wie eine Vorwegnahme der jüngsten Proteste.

Die Motive waren damals dieselben wie heute: Obwohl das Feld von Ösen 70 Prozent des Erdöls in Kasachstan lieferte, musste die Belegschaft unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen zu Hungerlöhnen schuften, während die Petro-Oligarchen mit Ölprinzessin Darigha Nasarbajewa, einer Tochter des damaligen Präsidenten, im Geld schwammen.

Nursultan Nasarbajew sicherte dem postkommunistischen Ausbeutungssystem von 1990 bis 2019 Stabilität. Auch nach seinem Rücktritt als Präsident blieb er Vorsitzender der Einheitspartei „Nur Otan“ („Lichtvolles Vaterland“) und gab die eigentliche Macht als Chef des Sicherheitsrates erst jüngst zum Jahreswechsel auf. Sofort zeigte sich, dass sein Nachfolger Tokajew der autoritären und sozial repressiven Führung Kasachstans nicht gewachsen ist. Der kasachische Exilpolitiker Muchtar Abljazow hält ihn für unfähiger, doch auch bösartiger als Nasarbajew, dem er eine gewisse „Gemütlichkeit“ bescheinigt. Tokajew hingegen habe mit seiner überzogenen Reaktion auf die Proteste diese erst zum Überkochen gebracht.

Abljazow weist auch auf einen indirekten, aber maßgeblichen Beitrag der Deutsch-Kasachischen Universität von Almaty auf eine kritischere, weniger obrigkeitsgläubige politische Meinungsbildung hin. Aus ihrer Sozialwissenschaftlichen Fakultät seien die führenden Köpfe der neuen Demokratiebewegung hervorgegangen.

Auch die volkstumsnahe Türkei spielt in Kasachstan heute eine wichtige Rolle. Sie war schon mit ihrer Einführung der lateinischen anstelle der arabischen Schrift von 1928 ein Vorbild, dem Almaty im Jahr darauf folgte. Nach der Wende trat Kasachstan dem „Türkischen Rat“ und der Kulturgemeinschaft Türksoy bei. Yasi – heute Türkistan – eine der ältesten Städte des Landes, wurde zur „spirituellen Hauptstadt der türkischen Welt“ erklärt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützte in Kasachstan den Kurs einer Re-Islamisierung, schlägt sich aber im aktuellen Konflikt als einziger außerhalb des Moskauer Einflussbereichs auf die Seite der Führungsclique. Zu groß ist die Ähnlichkeit seines eigenen Gewinnschöpfungssystems im türkischen Finanz-, Bau- und Rüstungswesen mit der jetzt von den Kasachen infrage gestellten Korruption. Erdogan fürchtet, dass ein Umsturz bei den „volkstürkischen Brüdern“ in Kasachstan auf die Türkei ausgreifen könnte.

Obwohl 70 Prozent der Bevölkerung Muslime sind, spielten islamische Kräfte bei diesem Volksaufstand bislang kaum eine Rolle. Und die Christen? Die orthodoxe Kirche in Kasachstan verurteilte die Unruhen und stellte sich hinter den Kurs von Präsident Tokajew. „Unser Land war einem heimtückischen Überfall von Extremisten ausgesetzt“, so der oberste Geistliche, Metropolit Alexander von Astana (Nur-Sultan). Die Angreifer hätten den Menschen auf grausamste Weise ihren bösartigen Willen aufzwingen und die staatliche Souveränität zerstören wollen.

Ein anderes Bild biete sich bei den Katholiken sowie den Protestanten und Freikirchlern, die allerdings nur einen unteren einstelligen Prozentsatz am Bevölkerungsanteil haben. Sie wollen offenbar ihre schon gelebte, vom kirchlichen Osteuropa-Hilfswerk Renovabis unterstützte Geschwisterlichkeit und Hilfsbereitschaft zu Andersgläubigen und Ungläubigen (rund 18 Prozent) fortsetzen.

Überblick: Islam in Kasachstan

Kasachstan ist das nördlichste mehrheitlich muslimische Land der Erde. 70 Prozent der mehr als 18 Millionen Einwohner sind Muslime, überwiegend Sunniten der hanafitischen Rechtsschule. Neben den Kasachen zählen auch Usbeken, Uiguren und Tataren zum muslimischen Bevölkerungsteil.

Die Ausbreitung des Islam begann mit dem Vordringen muslimischer Heere im achten Jahrhundert und dauerte bis ins Spätmittelalter. Mit dem wachsenden russischen Einfluss seit dem 18. Jahrhundert geriet der Islam zunehmend in die Defensive. In der Sowjetzeit wurde er von den Kommunisten unterdrückt, viele Moscheen verfielen oder wurden umgewidmet. 

Nach der Unabhängigkeit der früheren Sowjetrepublik Kasachstan 1991 nahm der islamische Einfluss wieder zu. Der autoritäre Präsident Nursultan Nasarbajew nutzte die Religion und islamische Geschichte des Landes gezielt zur Stärkung der nationalen und kulturellen Identität, sorgte aber auch für eine strikt säkulare Auslegung des Islam. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Moscheen von 68 am Ende der Sowjetära auf 2.516 im Jahr 2016.

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Was ist eine Fatwa?

(iz). Wir leben in einem historischen Augenblick, in dem viele Begriffe, die uns vertraut erscheinen, schleichend aber stetig an Substanz verlieren. Das wirkt sich im Denken wie in der zwischenmenschlichen Kommunikation aus, gilt aber besonders, wenn es um kritische Themen wie „Islam“ geht. Was für Muslime – oder für sachlich gebil­dete Menschen – jahrhundertelang Alltäglichkeit war, ist längst Streitpunkt beziehungsweise zum Augenblick des Schreckens geworden.

Dafür lassen sich viele Beispiele finden, aber eine Sache – prägnant, weil die stetige „Um­wertung aller Werte“ Nichtmuslime und Muslime betrifft – ist die berühmt-berüchtigte „Fatwa (plural Fatawa)“. Angefangen mit der längst ikonisch gewordenen „Fatwa“ des persischen Revolutionsführer Ayatollah Khomenei in der Causa Rushdie, über die virtuell verbreiteten Urteile von Terrorführern in den Bergen Afghanistans oder Jemens bis zu Hobby-Predigern in westlichen Gesellschaften: Sie alle haben den Muslimen mit ihren „Meinungen“ einen Bärendienst erwiesen.

„Traurige Beispiele sind politische oder militärische Bewegungen, die an die Macht kommen, und Muftis ernennen, die Fatawa erlassen, um ihre Handlungen zu rechtfertigen. Dazu gehören auch Muftis, die nicht die nötigen Voraussetzungen erfüllen oder Meinungen veröffentlichen, die Muslime zum Gespött von Nichtmuslimen machen“, meint Malik del Pozo, Lehrer für Qur’an, islamisches Recht und Arabisch. Die Liste zeitgenössischer Meinungen, die in den Augen von Nichtmuslimen sehr skurril erscheinen müssen, ist sehr lang und reicht von erhängten VHS-Kassetten, geht über absurde Rechtsmeinungen, die gelegentlich aus Kairo in unseren Breiten ankommen und endet nicht mit dem Verbot von Mickey Mouse oder dem Fahrverbot für saudische ­Frauen.

Vor Jahren bemerkte ein taz-Autor klug und richtig, dass wir in einer „Diktatur der Meinung“ leben. Wie zutreffend das bei den Fatawa ist (nur selten spricht jemand über die Muftis), kann am inflationären Gebrauch der Fatwa erkannt werden. Jede Selbstentäußerung einer öffentlichen Stimme – ob qualifiziert oder nicht – erhält so einen Status, der ihr im Normalfall nicht zukommen sollte.

Ob es sich um vermeintliche „Lehrzentren“ in der „muslimischen Welt“ handelt (die, laut informierten Stimmen hinter vorgehaltener Hand, auch schon einmal genehme Meinungen äußern) oder um interessierte Politikerinnen, die Privatfatawa zum Fasten in Sommermo­naten von sich geben: Es sind vor allem Meinungen. Gleichzeitig werden diese, wenn unbequem, auch schon einmal dadurch relativiert, dass es sich bei ihnen „nur um eine private Meinung“ handle.

Die Fatwa

Eine Fatwa bezieht sich im Allgemeinen auf ein neues Urteil, das von einer geeigneten Person durch eine Entscheidung gefunden wird – oder auch nicht. Es sollte, so der Gelehrte Dr. Asadullah Yate, „von einem anerkannten Mufti innerhalb einer existierenden Gemeinschaft kommen“ und durch eine akzeptierte Autorität bestätigt werden. ­Unabhängig davon, ob sich ein Richter (arab. Qadi) danach richtet oder nicht, könne es von Leuten als Richtlinie für ihr Verhalten genutzt werden.

Das grundlegende Verständnis einer Fatwa erläutert Malik del Pozo: „Die Notwendigkeit für eine Fatwa ergibt sich aus der Existenz einer Frage, die beantwortet werden muss.“ Der Fakt, dass sich diese Antwort nicht im Qur’an, in den Hadithen oder in den anderen Rechtsquellen finde, impliziere einen Mufti oder mehrere. Diese träfen in Folge eine Entscheidung, „die falsch oder richtig sein kann“.

Es handle sich hier um eine Frage ­großer Verantwortung. Es sei nicht ­selten gewesen, Imam Malik „ich weiß es nicht“ sagen zu hören. Selbst, wenn eine Entscheidung durch einen Mufti notwendig werde, müsse sie immer auf „Qur’an, Hadith und den Rechtsschulen basieren“. Daher brauche ein Mufti ein vertieftes Wissen auf diesen Gebieten. „Eine Fatwa kann sich niemals gegen die Scharia selbst richten.“ Im Falle von Muslimen, die in einem nichtmuslimischen Land leben, könne eine solche Rechtsmeinung auch nicht den dortigen Geset­zen zuwiderlaufen. „In der Scharia gibt es zwei große Oberkategorien für Fatawa: Die erste betrifft die gesamte Umma und ihre Antwort beruht auf Qur’an und Hadith. Die zweite richtet sich nach den Regeln einer bestimmten Rechtsschule (Madh­hab), die dieser eigen sind. Auch wenn dies früher nicht der Fall war, sollten ­allgemeine Fatawa heute von mehreren Muftis oder Gelehrten geschrieben ­werden.“


Foto: Der Mufti von Belarus (2019) in der Moschee von Minsk. (Foto: Santos1992, Shutterstock)

Der Mufti

„Was heute gerne in der Internet-Realität unter dem rechtlichen Begriff des ‘Muftis’ verstanden wird, unterscheidet sich von der historischen Realität des Dar Al-Islam“, meint Dr. Yate. Mit anderen Worten, in jeder funktionierenden, realen muslimischen Gesellschaft, die selbstständig war und sich an Richtlinien des Mittleren Weges orientierte, habe der Mufti bestimmten Bedingungen unterlegen: „Der Mufti ist ein Mudschtahid. Das heißt, er hat den Rang eines Rechtsgelehrten (arab. Faqih) inne, der in der Lage ist, in einer Sache zu einem Urteil zu kommen, die bisher noch nicht entschieden wurde.“ Seine absolute Mindestanforderung bestehe darin, dass er sein Wissen von Angesicht zu Angesicht von anerkannten ‘Ulama genommen habe und, dass er „die ‘Bidaya’ von Ibn Ruschd Al-Hadidh gemeistert hat“.

Ein Mufti gehöre zu einer spezifischen Gemeinschaft und stehe im Verbund mit ihrer Führung; „mit dem Ergebnis, dass seine Entscheidung einen gemeinschaftlichen und sozialen Kontext hat. Auch wenn er unabhängig in seiner Entscheidungsfindung ist, sollte er natürlich zu einem Urteil kommen, dass zum ­Nutzen der Gemeinschaft ist“.
Malik del Pozo beschreibt die Eigenschaften, die jemand haben muss, der eine Fatwa gibt: „Er oder sie braucht tiefes Wissen vom Qur’an, der Hadithwissenschaft, der arabischen Sprache und den Rechtsschulen. Charakterlich muss er gerecht sein, verantwortungsbewusst handeln, vertrauenswürdig sein, intelligent und sich um eine Antwort bemühen. Der entsprechende Mufti muss die Lebensbedingungen des oder der Fragen­den kennen, die in der Suche nach Antwort zu ihm kommen. Das beinhaltet ihre Zeit, ihren Ort und die Frage, ob sie in der Lage sein wird, die Fatwa auch umzusetzen.“ Vielleicht etwas überraschend für Nichtkenner der Materie ist, dass laut Del Pozo auch Frauen Fatwas erstellen können.

Im Gegensatz zu anderen, westlichen Rechtssystemen bereitet eine Fatwa nicht den Boden für ähnliche zukünftige oder verwandte Fragen. Fragen zur gleichen Sache von unterschiedlichen Leuten können zu vollkommenen anderen Fatawa führen. Das heißt, diese Kategorie der Urteile betrifft nicht alle Muslime, sondern ist „persönlich oder optional“.

Das Urteil des Qadis

Im Gegensatz zur „Fatwa“, die in ­aller Munde ist, kommt dem Qadi, der fester Bestandteil der deutschen Sprache ist, und seinem Urteil (Qada oder Hukm) ein klar verbindlicher Rang zu. Der Qadi sei, so Dr. Asadullah Yate, in seiner Entscheidung nicht an die Meinung eines Muftis gebunden.

Die Entscheidung eines Qadi, Hukm, bezieht sich im Allgemeinen auf die klaren rechtlichen Vorschriften, die im Qur’an enthalten sind, oder die durch den Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, ausgedrückt wurden.

„Es gibt weitere Rechtsquellen für das Urteil eines Qadi“, so der Gelehrte: Vorschriften, die nicht unmit­telbar klar werden, solche, die durch erweiterte Bedeutungen unterstützt ­werden und die durch das Mittel des Analogieschlusses (arab. Qijas) aus Passagen im Qur’an oder vom Propheten abgeleitet werden können, der Gesamtkörper aller Regelungen, die von den ersten vier Khalifen und den frühen Generationen des Islam stammen, Vorschriften aus der Zeit nach den ersten drei Generationen, über die Einigkeit besteht, anerkannte Bräuche sowie neue Fatawa, die im Laufe der Zeit zu einem festen und anerkann­ten Bestandteil des islamischen Rechts wurden.

Laut Malik del Pozo stellt das Urteil eines Qadis – ebenso wie eine Fatwa – eine gemeinschaftliche Verpflichtung (Fard kifaja) für die gesamte muslimische Gemeinschaft dar. Kommt ihr ein Teil der Muslime nach, dann ist das nicht länger die Verantwortung des Restes. Wird diese Pflicht von niemandem erfüllt, dann hat die gesamte Gemeinschaft einen schwerwiegenden Fehler begangen.

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Muslime und das Klima: Zum Teil der Lösung werden

Glaubensgemeinschaften

„Während viele von ihnen – im subsaharischen Afrika, auf dem indischen Subkontinent oder in Südostasien – längst unter extremen Wetterereignissen leiden, tragen andere – wie die erdölproduzierenden Staaten sowie die aufstrebende, konsumwillige muslimische Mittelklasse – zu ihnen bei.“

(iz). Begleitet von Protesten ging am 12. November der UN-Klimagipfel in Glasgow (COP26) zu Ende. Während der Gipfel-Präsident zum Schluss die optimistische Losung „Wir können“ ausgab, zogen Hunderte Delegierte durch das Gebäude, die für „Klimagerechtigkeit“ demonstrierten. Muslime in Großbritannien, den USA oder Indonesien beschäftigen sich seit Längerem intensiver mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Wie enorm die Aufgabe ist, zeigte der Physiker Harald Lesch bei Markus Lanz. Laut Lesch herrsche in Sachen roher Energie, die für alle Prozesse nötig sei, eine Art „Fettleibigkeit“. Alleine mit neuen Technologien sei die Herausforderung nicht zu meistern.

Beim Ausstoß der klimaschädlichen Gase CO2 und Methan ist vom durch die Pandemie verursachten Rückgang nichts mehr zu spüren. Germanwatch geht davon aus, dass die „Werte von 2019“ in nächster Zeit wieder übertroffen werden. Insbesondere die 20 größten Industrienationen der G20 haben einen Riesenanteil an den Emissionen. Sie sind für rund 75 Prozent verantwortlich. Während klassische Industrienationen wie Italien, Frankreich, Großbritannien oder Deutschland sich ambitionierte Ziele gesetzt haben wie einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030, sind es Schwellenländer und klassische Kohlendioxid-Erzeuger, die gegenwärtige und zukünftige Zuwächse zu verantworten haben. Insbesondere in China und Indien ist eine für deutsche Verhältnisse unglaubliche Zahl neuer Kohlekraftwerke anvisiert.

Ungeachtet dessen, was in Glasgow beschlossen wurde und was gegen enorme Widerstände realisiert werden kann, zeigten sich Experten des Weltklimarates (IPCC) skeptisch. Nach Angaben der Fachzeitschrift „Nature“ vom August des Jahres seien rund 60 Prozent der befragten Forscher, dass sich die Erde in Relation zur vorindustriellen Periode bis Ende des Jahrhunderts um drei Grad erhöhen werde. Nur 20 Prozent waren optimistisch, dass eine Begrenzung auf zwei Grad möglich werde. Der Internationalen Energieagentur zufolge hätten die Glasgower Ankündigungen bei Einhaltung eine Erderwärmung von 1,8 Grad zur Folge. „Das ist ein großer Schritt nach vorne, aber es braucht noch viel mehr“, erklärte ihr Chef Birol.

Zur Dramatik und tatsächlichen Ungerechtigkeit der Klimakrise zählt, dass diejenigen, die historisch und aktuell am wenigsten zu ihr beitragen, den höchsten Preis bezahlen. Namentlich betrifft das Menschen in Afrika – insbesondere südlich der Sahara. Hier kam es in den letzten Jahren zu veränderten Klima- und Wettermustern, was zu weiteren Dürren, Hitzeperioden aber auch Sturmfluten und Überschwemmungen führte.

Die volatil werdenden Wetterereignisse bewirken nicht nur eine Zunahme von „Naturkatastrophen“, sie erschweren die Lebensgrundlage vieler Menschen. Namentlich erhöhen sie politische Unsicherheiten, Fluchtbewegungen, wirtschaftliche Verluste und insbesondere eine Abnahme der Lebensmittelsicherheit. Diesen Punkt sprach kürzlich der Leiter im Berliner Büro des Welternährungsprogramms (WFP), Dr. Martin Frick, an. Er warnte „vor den katastrophalen Folgen der Klimakrise für den Welthunger“. 811 Millionen Menschen litten bereits jetzt an Hunger. Wenn sich die Erderwärmung um zwei Grad erhöhe, rechnet das Welternährungsprogramm mit weiteren 189 Millionen Hungernden.

In einem Jahr, in dem in Teilen der Welt Rekordtemperaturen herrschten, sich ungewöhnliche Kälteeinbrüche ereigneten, das Ahrtal in Deutschland hinweggespült wurde, und manche Regionen zwischen Dürren und Fluten pendelten, gibt es keine global signifikante Gruppe, die nicht zugleich Akteure und Betroffene der Klimakrise sind. Hierzu zählen zahlreiche Muslime in aller Welt. Während viele von ihnen – im subsaharischen Afrika, auf dem indischen Subkontinent oder in Südostasien – längst unter extremen Wetterereignissen leiden, tragen andere – wie die erdölproduzierenden Staaten sowie die aufstrebende, konsumwillige muslimische Mittelklasse – zu ihnen bei. Es greift zu kurz, Angehörige von Religionsgemeinschaften ausschließlich in Kategorien wie „Opfer“ und „Täter“ zu sehen.

Nach Angaben einer Studie, die von Jens Koehrsen herausgegeben wurde, der unter anderem am Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik der Universität Basel arbeitet, gibt es wachsende Erkenntnisse zur Rolle von Religion im Verständnis von und der Herangehensweise zur Klimakrise. Obwohl Muslime die zweitgrößte Religionsgruppe weltweit sind, sei in der Vergangenheit nur wenig über ihre Positionen zum Klimawandel bekannt gewesen. Hier stecken Potenziale. So erfreuen sich religiöse Führer und Organisationen oft einer hohen Glaubwürdigkeit. Sie haben eine wichtige Stimme in Debatten und können durch ihre Netzwerke politische Entscheidungsprozesse beeinflussen. Darüber hinaus haben Institutionen finanzielle und organisatorische Ressourcen, die sie mobilisieren können, um eine Transformation in Richtung umweltfreundlicherer, nachhaltiger Gesellschaften anzustoßen. Religionswissenschaftler deuten einen interessanten Aspekt an: Sie sprechen von einem anhaltenden „Begrünungs“-Prozess bei Religionen. Damit meinen sie, dass religiöse Traditionen über die Zeit ökologisch bewusster und aktiver werden.

Muslime haben unterschiedliche Strategien im Umgang mit dem Phänomen entwickelt hätten. Eine derzeitige Minderheit engagiere sich in öffentlichen Kampagnen zur Aufklärung, wolle CO2-Minderungen durch sozio-technologische Anstrengungen und setze sich für eine Befragung der islamischen Lehre in Hinblick auf Klimafreundlichkeit ein. Eine zahlenmäßig größere Gruppe in verschiedenen Teilen der Welt betrachte die Erderwärmung als göttliche Reaktion und Strafe auf eigenes Fehlverhalten. Und schließlich ein kleineres Segment, welches in der Diskussion des Themas beteiligt ist, vermute im Klimaaktivismus ein „Komplott des Westens“.

Umfragewerte aus dem Jahre 2018 ergeben, dass eine Mehrheit muslimischer Verantwortungsträger in aller Welt den Klimawandel als wichtige soziale Herausforderung betrachten. Die Forscher befragten 150 einflussreiche Personen aus Nordafrika, dem Nahen Osten, der EU, den USA, Asien und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Jedoch würden anhaltende ökonomische Herausforderungen in mehrheitlich muslimischen Staaten und Armut die Bevölkerungen dazu treiben, auf Wachstum und Armutsreduktion und Armutsminderung zu setzen.

Muslimische Umweltaktivisten beziehen sich auf den Qur’an und die Sunna als Hauptquellen zur Entwicklung ökologischer Prinzipien. Damit schaffen sie eine Interpretation der Lehre und formulieren eine islamische Umweltethik. Dabei sind die Kernbegriffe durchaus nicht für alle gleich. Für die meisten von ihnen sind die Begriffe Tauhid und Khalifa aber bestimmend. Hinzukommen zwei weitere Konzepte: Mizan und Maslahah. Tauhid – die Einheit des Göttlichen – wird als Einheit von Schöpfung inklusive von Mensch und Natur gedeutet. Mizan – Gleichgewicht – steht für ein balanciertes Verhältnis aller Kreaturen. Khalifa – auf den Menschen bezogen – sieht den Menschen als Sachwalter Allahs auf Erden. Und Maslahah – Gemeinwohl – verweist auf Umsicht und Sorge für zukünftige Generationen.

Vielen in Umweltschutz und Klimagerechtigkeit aktiven MuslimInnen ist es längst nicht mehr genug, alleine auf die Quellenlage und mögliche Interpretationen für mehr Umweltbewusstsein bei den Gläubigen zu setzen. Dabei setzen sie auf ihre Reichweite in den Communitys, um verstärkt nach Innen für Aufklärung und Handeln zu sorgen.

Parallel zum Beginn des Glasgower Gipfels meldeten sich die führenden muslimischen Organisationen und Gelehrten Großbritanniens mit einer eindeutigen Erklärung zu Wort. „Wir müssen jetzt handeln, wenn wir sicherstellen wollen, dass wir künftigen Generationen eine lebenswerte Erde hinterlassen, und uns vom Qur’an und der Sunna leiten lassen, die uns den Weg weisen“, hieß es in dem Text. Solle nachhaltige Entwicklung irgendeine Chance zum Funktionieren zugunsten des ärmeren Teils der Menschheit haben, müssen „die Glücklicheren unter uns unsere Wirkungen“ auf die natürlichen Systeme der Erde reduzieren. Die Autoren folgen in ihrem Aufruf der wegweisenden „Islamischen Erklärung zum globalen Klimawandel“ aus dem Jahre 2015.

Muslime wollen jetzt handeln und das praktische Verhalten in Richtung Klimafreundlichkeit verändern. Der Veteran unter den Projekten ist die britische Islamic Foundation for Ecological and Environmental Sciences (IFEES), die vom Ehepaar Fazlun und Saba Khalid ins Leben gerufen wurde. Nach umfangreichen Jahren der Forschung hat die Stiftung in aller Welt lokale ökologische und klimafreundliche Projekte in Kooperation mit der Bevölkerung und religiösen Führern verwirklicht.

Sie haben eine neue Generation klimabewusster Umweltaktivisten in aller Welt inspiriert. Diese finden sich in der „Green Deen“-Bewegung aus den USA und Großbritannien, die Moscheen zeigt, wie man klimafreundlich Iftare organisieren kann. In Deutschland gibt es das Projekt NourEnergy, das unter anderem Religionsgemeinschaften dabei hilft, seine Gebäude und seinen Betrieb nachhaltig zu gestalten.

Die Anfänge sind gemacht und das nötige Fundament für ein klimafreundlicheres Verhalten gelegt. Jetzt stehen MuslimInnen in aller Welt vor der Aufgabe, ihre Existenz in der Welt entsprechend anzupassen.