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Biden nennt Israels Vorgehen überzogen

usa biden Israel Hamas Angriff

Die USA drängen Israel schon länger dazu, den Schutz der Menschen im Gazastreifen zu verbessern. Jetzt werden die Ansagen immer deutlicher.

Washington/Tel Aviv (dpa/IZ) Angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen hat US-Präsident Joe Biden seinen Ton gegenüber der israelischen Regierung verschärft und das Vorgehen der Streitkräfte gegen die Hamas als unverhältnismäßig bezeichnet. „Ich bin der Ansicht, dass das Vorgehen bei der Reaktion im Gazastreifen überzogen ist“, sagte Biden am 08. Februar im Weißen Haus. Es gebe viele unschuldige Menschen, die hungerten, in Not seien oder gar ums Leben kämen. „Das muss aufhören.“

US-Außenminister Antony Blinken hatte bereits am Tag zuvor bei einem Besuch in Israel auffallend kritische Töne angeschlagen und die israelische Führung eindringlich ermahnt, im Gaza-Krieg mehr für den Schutz von Zivilisten zu tun. Die Entmenschlichung, die Israel bei dem Angriff der Hamas im Oktober erlebt habe, könne „kein Freibrief“ sein, um selbst andere zu entmenschlichen, sagte Blinken. Die täglichen Opfer, die die Militäroperationen der unschuldigen Zivilbevölkerung abverlangten, seien „immer noch zu hoch“. 

Die hohe Zahl ziviler Opfer im Gaza-Krieg und die desaströsen Lebensbedingungen der palästinensischen Zivilbevölkerung haben international scharfe Kritik am Vorgehen Israels ausgelöst. 

UN fürchten humanitäre Katastrophe bei Angriff auf Rafah 

Angesichts der Berichte über eine angeblich bevorstehende israelische Militäroffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens warnte UN-Generalsekretär António Guterres vor einer humanitären Katastrophe und Folgen für die gesamte Region. „Die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens ist nun in Rafah zusammengepfercht und kann nirgendwo anders hin. Berichte, wonach das israelische Militär als nächstes Rafah angreifen will, sind alarmierend“, schrieb Guterres auf der Nachrichtenplattform X, ehemals Twitter. „Eine solche Aktion würde den humanitären Albtraum noch weiter verschärfen und könnte ungeahnte Konsequenzen für die gesamte Region haben.“ Auch die US-Regierung warnte vor einer großangelegten Offensive. „Wir glauben, dass eine Militäroperation zum jetzigen Zeitpunkt eine Katastrophe für diese Menschen wäre“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. „Wir würden das nicht unterstützen.“ 

Zuletzt hatte die israelische Regierung eine Offensive gegen Rafah an der Grenze zu Ägypten angekündigt. Vor dem Krieg lebten in der Stadt etwa 200 000 Menschen, nun drängen sich dort mehr als eine Million Palästinenser, die vor den Kämpfen aus anderen Teilen des Gazastreifens geflohen sind. Ägypten befürchtet, dass ein massiver Militäreinsatz in Rafah zu einem Ansturm verzweifelter Palästinenser auf die ägyptische Halbinsel Sinai führen könnte. Laut einem Bericht der Zeitung „The Times of Israel“ flogen die Streitkräfte am Donnerstag bereits Luftangriffe auf Rafah. Zudem nahmen Panzer den Osten der Stadt unter Beschuss. 

Demonstrationen in Israel zu möglichem Geisel-Abkommen mit der Hamas 

Unterdessen haben in Israel etliche Menschen für und gegen ein mögliches Geisel-Abkommen mit der Hamas demonstriert. In Jerusalem protestierten Tausende gegen Verhandlungen mit Israels Feinden und für eine Fortsetzung des Gaza-Kriegs, wie mehrere israelische Medien berichteten. In Tel Aviv protestierten demnach zur gleichen Zeit Hunderte Menschen für einen Deal, um die Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu erreichen. Das israelische Kriegskabinett traf sich am Donnerstagabend, um über ein mögliches Abkommen mit der Hamas zu sprechen. Demonstranten warfen dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu vor, sein politisches Überleben wichtiger zu nehmen als das Schicksal der Geiseln. Netanjahus rechtsextreme Koalitionsmitglieder drohen derweil, die Regierungskoalition platzen zu lassen, sollte der Ministerpräsident im Rahmen eines Geisel-Deals Zugeständnisse an die Hamas machen. 

Bericht: Kontakt zu Hamas-Chef Sinwar soll abgebrochen sein 

Hochrangige Hamas-Mitglieder sollen einem israelischen Medienbericht zufolge bereits seit mehreren Wochen keinen Kontakt mehr zum Anführer der Islamistenorganisation im Gazastreifen haben. Jihia al-Sinwar sei auch nicht an der kürzlich an Israel übermittelten Antwort der Hamas auf einen internationalen Vermittlungsvorschlag für ein Geisel-Abkommen beteiligt gewesen, berichtete der israelische Sender Kan. Demnach fürchtet Sinwar, sein Versteck im Gazastreifen könne durch Überwachung etwaiger Kommunikation entdeckt werden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. 

EU-Militäreinsatz: Operationsgebiet soll auch Meer vor Iran umfassen 

Der kurz vor dem Beginn stehende EU-Marineeinsatz im Nahen Osten könnte Handelsschiffe auch vor möglichen Bedrohungen aus dem Iran schützen. Wie durch Informationen aus dem Beschluss für die Operation Aspides hervorgeht, sollen europäische Kriegsschiffe nicht nur im Roten Meer und im Golf von Aden, sondern auch in der Straße von Hormus sowie im Persischen Golf und im Golf von Oman zur Begleitung von Handelsschiffen eingesetzt werden können. All diese drei Seegebiete liegen vor der Küste des Irans. Vorrangiges Ziel des EU-Einsatzes ist es, Handelsschiffe vor Angriffen der militant-islamistischen Huthi aus dem Jemen zu schützen. 

Israels Armee greift Hisbollah-Kommandeur im Libanon an 

Die israelischen Streitkräfte haben eigenen Angaben zufolge einen hochrangigen Kommandeur der Hisbollah im Südlibanon aus der Luft angegriffen. Dies sei eine Reaktion auf Raketenstarts aus dem Libanon Richtung Israel gewesen, an denen dieser laut Militär beteiligt gewesen sein soll, teilte die Armee mit. Die mit dem Iran verbündete Hisbollah-Miliz meldete mehrere Verletzte durch den israelischen Luftangriff. Eine Person befinde sich in „kritischem Zustand“. Eine israelische Drohne habe in der Stadt Nabatieh ein Auto direkt getroffen, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen. In dem Wagen hätten zwei Menschen gesessen. 

Heutiges Treffen von Biden und Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt am heutigen Freitag in Washington mit US-Präsident Joe Biden zusammen. Dort wird es neben dem Krieg in der Ukraine auch um die Lage im Nahen Osten gehen. Scholz und Biden dürften bei ihrem Gespräch den Blick in die Zukunft richten: Wie geht es nach dem Gaza-Krieg weiter mit Israel und den Palästinensern? Beide befürworten eine Zwei-Staaten-Lösung. Aber welcher Weg dahin führen könnte, ist derzeit völlig unklar.

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Ringen um eine Feuerpause

Feuerpause Ringen Gaza Israel

Doha/Gaza (dpa/IZ) Nach dem jüngsten Vorschlag internationaler Vermittler für eine befristete Feuerpause im Gazastreifen hat die Hamas nach Angaben der Regierung Katars positive Signale gesendet. „Wir haben von der Hamas eine positive Antwort erhalten, sie beinhaltet mehrere Vorbehalte, aber ist im allgemeinen positiv“, sagte der katarische Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Außenminister Antony Blinken in Doha. 

Die Hamas selbst teilte mit, sie und ihre Verbündeten seien mit dem Vermittlungsvorschlag „in positivem Geiste“ umgegangen. Die Vereinbarung müsse aber zu einem vollständigen und umfassenden Waffenstillstand, einer Beendigung der Blockade des Gazastreifens, dem Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Küstengebiets und der vollständigen Freilassung palästinensischer Gefangener führen. 

US-Präsident Joe Biden kommentierte die Entwicklung am Dienstag in Washington mit den Worten: „Es gibt etwas Bewegung.“ Es habe eine Reaktion von der Hamas gegeben, sie scheine aber „ein wenig übertrieben zu sein“. Katar, Ägypten und die USA bemühen sich seit mehreren Wochen intensiv darum, eine Feuerpause herbeizuführen und die Freilassung von mehr als 130 israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas zu erreichen. 

Während der Feuerpause: Frauen, Alte und Verletzte sollen zuerst freigelassen werden

Bei dem Vorschlag der Vermittler handelt es sich nach Medienberichten um ein mehrstufiges Rahmenabkommen, das eine längere Feuerpause vorsieht, aber mehrere wichtige Einzelheiten offen lässt. In der ersten Phase der Feuerpause soll die Hamas drei Dutzend weibliche, ältere männliche und verletzte Geiseln freilassen. Während der Waffenruhe sollen dann Israel und die Hamas über die Vermittler weiter verhandeln, um die Freilassung aller Geiseln in der Gewalt der Hamas zu erreichen. 

Im Laufe der bisher einzigen Vereinbarung dieser Art hatte Israel im November 240 palästinensische Gefangene, allesamt Frauen und Jugendliche, im Gegenzug für 105 Geiseln der Hamas, unter ihnen 14 deutsche Staatsbürger, freigelassen.

Israel erklärt zahlreiche Geiseln für tot

Knapp vier Monate nach dem Angriff der Hamas auf Israel sind nach Angaben der israelischen Streitkräfte zahlreiche der in den Gazastreifen verschleppten Geiseln für tot erklärt worden. „Wir haben 31 Familien darüber informiert, dass ihre als Geiseln genommenen Liebsten nicht mehr am Leben sind und ihr Tod bestätigt wurde“, sagte Militärsprecher Daniel Hagari. °Wir arbeiten weiterhin daran, die Bedingungen zu schaffen, um alle Geiseln heimzuholen.“ Zuvor hatte die Zeitung „The New York Times“ unter Berufung auf ein vertrauliches israelisches Geheimdienstpapier berichtet, mindestens 30 Geiseln seien bei oder seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober ums Leben gekommen. Zudem gebe es unbestätigte Hinweise auf den Tod von mindestens 20 weiteren Geiseln. 

Einige der Geiseln wurden dem Bericht zufolge bereits während der Attacke auf israelischem Staatsgebiet getötet. Ihre Leichen seien dann in den Gazastreifen gebracht worden. Ihr Tod sei zu diesem Zeitpunkt nicht bestätigt gewesen, weshalb sie als Geiseln gezählt worden seien. Andere erlagen demnach im Gazastreifen ihren Verletzungen oder wurden von Hamas-Kämpfern getötet. In der Zählung der „New York Times“ sind auch zwei israelische Soldaten enthalten, die demnach schon 2014 getötet und deren Leichen in den Gazastreifen gebracht wurden.

Israels Militärchef kündigt Untersuchung zu Hamas-Überfall an

Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi hat eine gründliche Untersuchung der Reaktion der Streitkräfte auf den beispiellosen Überfall der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober angekündigt. „Unsere Absicht ist sehr klar“, sagte er. „Zu untersuchen, und zu lernen, und den Dingen auf den Grund zu gehen, und keinen Stein auf dem anderen zu lassen.“ 

Hinweise auf iranische Zahlungen an Hamas entdeckt

Im weitverzweigten Tunnelsystem unter dem Gazastreifen hat das israelische Militär nach eigenen Angaben Belege für Geldflüsse zwischen dem Iran und der Hamas gefunden. Soldaten hätten Dokumente entdeckt, die Überweisungen in Höhe von über 150 Millionen US-Dollar (140 Mio Euro) aus dem Iran an die Islamistenorganisation und deren Anführer im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, aus den Jahren 2014 bis 2020 belegten, sagte Militärsprecher Hagari. Dazu veröffentlichten die Streitkräfte mehrere Dokumente sowie Fotos von Umschlägen und Bargeld. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Heftige Kämpfe in Chan Junis mit zahlreichen Toten

Während der Verhandlungen um eine Feuerpause gehen die heftigen Kämpfe und Angriffe Israels im Süden des Gazastreifens weiter. Das UN-Nothilfebüro OCHA berichtete in der Nacht zum Mittwoch von „intensivem israelischem Bombardement aus der Luft, am Boden und von See aus in weiten Teilen des Gazastreifens, vor allem in und um Chan Junis“. Es gebe weitere zivile Opfer, Vertreibung der Bevölkerung und Zerstörung ziviler Infrastruktur. 

Die israelische Armee teilte am Mittwoch mit, es seien bewaffnete Terrorzellen ausgeschaltet und zahlreiche Waffen sichergestellt worden. „Israelische Fallschirmtruppen haben in den letzten 24 Stunden in Chan Junis Dutzende von Terroristen getötet“, hieß es in der Mitteilung. 

Bei einem Vorfall im Westen von Chan Junis seien Soldaten auf drei Bewaffnete getroffen, die sie mit Panzerabwehrraketen beschossen hätten. In Nahkämpfen seien die drei Männer sowie „mehrere weitere Terroristen getötet“ worden. Der bewaffnete Hamas-Arm, die Kassam-Brigaden, beschrieb am Mittwoch ebenfalls einen Angriff auf israelische Soldaten im Westen von Chan Junis. 

Mittlerweile mehr als 27.000 Tote auf palästinensischer Seite

Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit dem 07. Oktober in dem Küstenstreifen mindestens 27 585 Menschen getötet. Nach UN-Schätzungen mussten drei Viertel der rund 2,2 Millionen Einwohner des Gazastreifens während des Kriegs aus ihren Wohnorten fliehen.

Argentinien verlegt Botschaft nach Jerusalem

Der argentinische Präsident Javier Milei kommt zu Gesprächen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammen. Er gilt als treuer Verbündeter Israels und kündigte zum Auftakt seiner Reise bereits an, die argentinische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen – für die palästinensische Seite, die Jerusalem als Hauptstadt eines zu gründenden Palästinenserstaats reklamiert, ist dies ein Affront.

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IGH entscheidet über Genozid-Eilantrag. UN-Chef Guterres erinnert an bindende Urteilswirkung

IGH Urteil Völkermord Völkerrecht

Der IGH hat über den südafrikanischen Eilantrag entschieden und im israelischen Krieg „die Gefahr eines Völkermordes“ festgestellt.

(dpa, iz). „Außergewöhnliche Diskrepanz zwischen Deutschland und der Welt in Bezug auf das Urteil des IGH zum #GazaGenozid. In Berichten deutscher Nachrichtenagenturen wird hervorgehoben, dass das Gericht keinen Waffenstillstand angeordnet hat und dass Israel humanitäre Hilfe zulassen sollte. Was direkt mit ‘Völkermord’ zu tun hat, wird ignoriert oder beschönigt.“ Dominic Johnson, X

Der IGH hat am Freitag eine Gefahr von Genozids im Gazastreifen festgestellt, Tel Aviv aber nicht zum Ende seines Militäreinsatzes gegen die Hamas verpflichtet. Das höchste UN-Gericht in Den Haag beauftragte Israel, mehr Schutzmaßnahmen für Palästinenser zu ergreifen, um Völkermord zu verhindern.

Guterres UN

Foto: UN-Fotos

UN-Chef erinnert an bindende Wirkung des IGH-Urteils

Nach dem IGH-Entscheid hat UN-Generalsekretär António Guterres daran erinnert, dass Urteile des IGH verbindlich sind. Alle Beteiligten müssten sich an den Richterspruch halten, sagte Guterres am Freitag in New York laut Mitteilung.

In der Entscheidung wird unter anderem gefordert, dass Israel bei seinem Militäreinsatz im Gazastreifen die Zivilbevölkerung besser schützen muss. Er sagte, wie von den Regularien vorgeschrieben, werde er nun den UN-Sicherheitsrat dementsprechend informieren.

Das höchste Gericht der Vereinten Nationen hatte zuvor die Gefahr eines Völkermords im Gazastreifen festgestellt. Die Richter entsprachen damit aber nur teilweise einem Eilantrag Südafrikas, das eine sofortige Einstellung der militärischen Handlungen Israels gefordert hatte.

Israel müsse nun aber Schutzmaßnahmen ergreifen, um Völkermord zu verhindern und mehr humanitäre Hilfe zulassen. Das Gericht entschied damit noch nicht endgültig über den Hauptvorwurf des Völkermordes. Das Verfahren kann sich noch über Jahre hinziehen.

EU forderte Umsetzung von Israel

Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell haben Israel zur Befolgung der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zum Gaza-Krieg aufgerufen.

„Die EU erwartet, dass die vom IGH angeordneten Maßnahmen vollständig, sofort und wirksam umgesetzt werden“, teilten sie am Freitag mit. Urteile des Internationalen Gerichtshofs seien für die Vertragsparteien verbindlich, das heißt die Vertragsparteien müssten ihnen nachkommen.

Inhaltlich äußerten sich Borrell und die EU-Kommission nicht zu dem Verdikt der Richter. Man nehme die Entscheidung zur Kenntnis, hieß es lediglich. Die EU sichere dem Internationalen Gerichtshof als wichtigstem Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen weiterhin seine Unterstützung zu.

Das Recht jeder Vertragspartei, Argumente in Bezug auf die Zuständigkeit, die Zulässigkeit oder die Begründetheit vorzubringen, bleibe von der Entscheidung über den Antrag Südafrikas auf Anordnung vorläufiger Maßnahmen unberührt.

Angst Eskalation

Screenshot: YouTube

Was wurde verhandelt?

An diesem Freitag ging es zunächst um einen Eilantrag Südafrikas. Das hatte konkrete Maßnahmen gefordert, um die Rechte der Palästinenser zu schützen. Und dazu gehört auch, dass das Gericht das sofortige Ende der militärischen Handlungen anordnen sollte.

Das haben die Richter nicht getan. Sie ordneten aber Schutzmaßnahmen für die Palästinenser an. Israel solle alles tun, um zu verhindern, dass Zivilisten getötet werden und Häuser zerstört würden.

In dieser Phase des Verfahrens haben die UN-Richter noch nicht festgestellt, ob tatsächlich Völkermord verübt wurde. Es ging zunächst darum, ob möglicherweise die Völkermord-Konvention verletzt wird.

Das ist eine niedrige Schwelle für eine Entscheidung. Und die Richter sehen zumindest das Risiko, dass die Konvention verletzt wird. Und sie erkennen auch Hinweise auf eine Absicht, die Palästinenser auszulöschen.

Foto: Palestinian News & Information Agency (Wafa) in contract with APAimages, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Hintergründe zum weiteren Verfahren

Jedes Urteil des UN-Gerichts ist bindend. Die Richter haben zwar keine Machtmittel, um die Durchsetzung zu erzwingen. Doch der internationale Druck auf Israel kann sich erhöhen und eine negative Entscheidung dem Ruf des Landes schaden.

Ein solches Verfahren kann sich über Jahre hinziehen. Außerdem kann Israel zunächst auch die Zuständigkeit des Gerichts anfechten.

Jeder Unterzeichnerstaat der Völkermordkonvention kann eine solche Klage einreichen. Südafrika ist ein Unterstützer der palästinensischen Rechte. Das Land vergleicht seine Apartheid-Vergangenheit mit dem gegenwärtigen israelischen Vorgehen gegen die Palästinenser.

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Lesermeinung: Netanjahu repräsentiert nicht Israel

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Der Gegenangriff Netanjahus stellt eine kollektive Bestrafung der Palästinenser in Gaza dar. Die als Grund angeführte Selbstverteidigung entspricht eher einer absoluten Zerstörung. (iz). Vor dem terroristischen Anschlag der radikalen Organisation […]

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UN-Vertreter Volker Türk: Wiederaufnahme von Krieg ist katastrophal

un-vertreter krieg Rafah Genozid Augenzeugen Gaza Israel IDF

Der UN-Vertreter Türk bezeichnete die erneuten Operationen der israelischen Armee als „katastrophal“. Die IDF weitet ihre Aktionen in den Süden aus.

Genf/New York/Jerusalem (KNA, dpa, iz) Die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten in Gaza ist nach Worten des UN-Hochkommissars für Menschenrechte katastrophal. „Die jüngsten Äußerungen der politischen und militärischen Führung Israels, die darauf hindeuten, dass sie eine Ausweitung und Intensivierung der Militäroffensive planen, sind sehr beunruhigend“, sagte Volker Türk in einer Stellungnahme vom Freitag.

UN-Vertreter will verstärkte Anstrengungen für Waffenruhe

Türk rief politische Kräfte mit Einfluss auf die Konfliktparteien auf, die Bemühungen für einen Waffenstillstand zu verdoppeln. Türk forderte ein sofortiges Ende der Gewalt und eine bedingungslose Freilassung aller verbliebenen Geiseln. Von „Israel als Besatzungsmacht“ forderte er die Grundversorgung der Bevölkerung des Gazastreifens.

Nach einwöchiger Feuerpause hat Israel den Krieg gegen die Hamas am Freitag wieder aufgenommen. „Die Terrororganisation Hamas-ISIS hat gegen die Rahmenvereinbarung verstoßen“, in dem sie ihrer Verpflichtung, alle weiblichen Geiseln freizulassen, heute nicht nachgekommen sei und Raketen auf israelische Bürger abgefeuert habe, hieß es dazu aus dem Büro des Ministerpräsidenten Netanjahu (Freitag).

Foto: UN Photo / Jean-Marc Ferré, via flickr | Lizenz CC BY-NC-ND 2.0

Israels Streitkräfte warfen der Hamas einen Bruch der Feuerpause vor. Sie rief die Zivilbevölkerung in Gaza auf, ihren Anweisungen Folge zu leisten. Die Armee werde „eine kontrollierte und präzise Evakuierung der Bevölkerung des Gazastreifens“ durchführen, um sie „so weit wie möglich aus dem Kriegsgebiet zu bringen“.

Zuvor hatten sich Israel und die Hamas laut israelischen Medienberichten nicht auf eine Liste von am Freitagabend freizulassenden Geiseln einigen können. Das Außenministerium in Katar erklärte demnach, die Verhandlungen über eine Wiederherstellung der seit 24. November geltenden Waffenruhe dauerten an.

Unicef: Angriffe in Gaza „unmoralisch“ und „sicher illegal“

Der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks Unicef, James Elder, kritisierte die israelischen Angriffe während eines Besuchs im Süden des Gazastreifens scharf. Dort finde ein „Blutbad“ statt, das „unmoralisch“ sei und das mit „mit Sicherheit als illegal verstanden werden wird“, sagte Elder dem Sender Al Jazeera. Wer das hinnehme, mache sich selbst schuldig. „Schweigen ist Mittäterschaft“, sagte der sichtlich erschütterte Elder.

Während seines Besuchs habe er überall Kinder mit schweren Verbrennungen, mit Verletzungen durch Granatsplitter, Gehirnverletzungen und mit Knochenbrüchen gesehen.

Die jüngsten Angaben über sogenannten „sicheren Zonen“ für die Bevölkerung in Gaza bezeichnete Elder als „Falschdarstellung“. Die Menschen würden dabei zu „winzigen Flecken Land bewegt“, dort gebe es nur Sand, kein Wasser, keine Sanitäranlagen und keinen Schutz vor dem Wetter.

Diplomatische Bemühungen gehen weiter

Während die IDF ihre Einsätze am Boden auf den gesamten Gazastreifen ausgeweitet hat, gehen die diplomatischen Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts weiter.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris sprach auf ihrem Rückflug von der Klimakonferenz in Dubai mit Israels Staatspräsidenten Isaac Herzog sowie mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, über die Lage in Gaza, wie das Weiße Haus mitteilte.

feuerpause katar

Foto: QNA

Außenminister Antony Blinken habe zudem mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, über „die laufenden Bemühungen, die sichere Rückkehr aller verbleibenden Geiseln zu ermöglichen und die Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu erhöhen“, gesprochen.

Harris äußerte ihre Besorgnis über Schritte, die zu einer Eskalation der Spannungen führen könnten, wie der Gewalt extremistischer israelischer Siedler im Westjordanland. Sie habe erneut darauf hingewiesen, wie wichtig die Planung für den Tag nach Ende der Kämpfe in Gaza sei, hieß es.

Arabische Partei fordert Entwaffnung bewaffneter Gruppen

Die Raam-Partei in Israel fordert Medienberichten zufolge die Entwaffnung von Gruppen wie der Hamas. Die Waffenabgabe solle aber erst nach der Gründung eines Palästinenserstaates passieren, betonte die Partei am Samstag israelischen Medien zufolge.

Zuvor hatte der Parteivorsitzende Mansur Abbas in einem CNN-Interview verlangt, dass militante Palästinensergruppen ihre Waffen niederlegen und zusammen mit der Autonomiebehörde daran arbeiten sollen, einen palästinensischen Staat an der Seite Israels anzustreben.

In dem CNN-Interview verurteilte Abbas auch erneut das Massaker der Hamas in Israel. Alle Maßnahmen, die sich gegen unschuldige Menschen, Kinder, Frauen und Ältere richteten, seien unmenschlich und gegen die Werte des Islam. Dafür gebe es keine Rechtfertigung.

Die Anwendung von Gewalt durch bewaffnete Palästinensergruppen als Mittel, um so ihre Ziele zu erreichen, sei in der Vergangenheit stets gescheitert, sagte Abbas weiter. Den Preis dafür zahle stets das palästinensische Volk – so auch aktuell im Gaza-Krieg.

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Feuerpause in Kraft getreten

feuerpause katar

Feuerpause: Seit dem Morgen gilt die Vereinbarung im Gaza-Krieg, aber wird sie auch halten? Die Kämpfe dauerten bis zuletzt an – und sollen nach der auf mehrere Tage angelegten Waffenruhe weitergehen. Ein Überblick über die Ereignisse der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.

Doha/Gaza/Tel Aviv (dpa). Mit der vereinbarten Feuerpause zwischen Israel und der islamistischen Hamas hat am Freitagmorgen eine neue Phase im Gaza-Krieg begonnen. Die Waffenruhe begann um 7.00 Uhr Ortszeit (6.00 Uhr MEZ) und soll mindestens vier Tage dauern.

Verlängerung von Feuerpause auf bis zu zehn Tage möglich

Eine Verlängerung auf bis zu zehn Tage ist möglich, wie das in dem Konflikt vermittelnde Golfemirat Katar mitgeteilt hatte. Die Feuerpause soll den Weg bereiten für die Freilassung von Geiseln in der Gewalt der Hamas und von palästinensischen Häftlingen in Israel sowie für die Einfuhr von mehr humanitärer Hilfe in den Gazastreifen.

Die Kämpfe dauerten bis zuletzt an. Im israelischen Grenzgebiet zum Gazastreifen gab es noch unmittelbar vor Beginn der Waffenruhe und auch kurz danach wieder Raketenalarm, so wie es auch schon bei früheren Waffenruhen der Fall gewesen war. 

Die israelische Armee hatte zuvor ihre Angriffe im Gazastreifen noch intensiviert und wird ihre Soldaten auch während der Kampfpause dort stationiert lassen.

Screenshot: YouTube, Channel 4

Ab heute Abend sollen Geiseln freigelassen werden

Um 16.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr MEZ) sollen im Zuge der Vereinbarung zwischen Israel und Hamas die ersten 13 im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln freigelassen werden.

Bei ihnen handelt es sich um Frauen und Kinder. Im Gegenzug sollen für jede Geisel drei palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Auch hier geht es um Frauen und Minderjährige.

Foto: HRH King Abdallah, X

Mehr Hilfslieferungen

Mit der Waffenruhe – fast sieben Wochen nach Kriegsbeginn – soll es auch mehr Hilfslieferungen für die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen geben. Inzwischen sind dort mehr als 1,7 Millionen Menschen, also rund drei Viertel der Bevölkerung,

UN-Angaben zufolge Binnenflüchtlinge. Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA will die Kampfpause nutzen, um dringend benötigte Hilfsgüter zu verteilen.

Während der Waffenruhe würden alle Seiten ihre militärischen Aktivitäten einstellen, kündigte ein Sprecher der Kassam-Brigaden an, die den bewaffneten Arm der Islamistenorganisation Hamas bilden.

Nach dem vorläufigen Ende der intensiven Kämpfe soll es nach Angaben des israelischen Militärs aber auch weiterhin viele Einsätze im Gazastreifen geben, bis von dort aus keine militärische Bedrohung mehr ausgehe.

Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn vor knapp sieben Wochen nach Hamas-Angaben auf fast 15 000 gestiegen. Mehr als 36 000 Menschen seien verletzt worden, teilte die Regierungspressestelle der Islamisten in Gaza am Donnerstagabend mit. Der Großteil von ihnen seien Kinder, Jugendliche und Frauen. Tausende Menschen würden zudem weiter vermisst. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.

IKRK

Foto: IKRK

Erste, weitere Hilfslieferungen in Gaza eingetroffen

Nach dem Inkrafttreten sind erste Hilfslieferungen von Ägypten aus in den Gazastreifen gebracht worden. Über den Grenzübergang Rafah im Süden des Küstenstreifens seien Lastwagen mit humanitären Hilfslieferungen gelangt, berichtete der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News berichtete am Freitagmorgen.

Die israelische Armee teilte mit, es seien vier Tanklaster mit Treibstoff und vier Laster mit Gas von Ägypten über den Rafah-Übergang an UN-Hilfsorganisationen im Süden des Gazastreifens übergeben worden.

Dies sei von der israelischen Regierung als Teil der Feuerpause genehmigt worden. „Der Treibstoff und das Kochgas sind für den Einsatz der grundlegenden humanitären Infrastruktur im Gazastreifen bestimmt.“

Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA will die Kampfpause nutzen, um dringend benötigte Hilfsgüter für die notleidende Zivilbevölkerung zu verteilen. Insgesamt sollen am Freitag rund 200 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gebracht werden – also deutlich mehr als zuletzt pro Tag.

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Zeit nach dem Krieg: Wie weiter?

krieg zeit Netanjahu Haftbefehl Dilemma

Zeit, um über die Zukunft nach dem krieg nachzudenken. Ein Zurück zum Status quo ist ausgeschlossen (IPS). Die beispiellose und unfassbare Grausamkeit, mit der die Hamas 1.400 unschuldige israelische Zivilisten […]

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Kinder leiden, während das Völkerrecht verletzt wird

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Kinder im gegenwärtigen Krieg sind die Hauptleidtragenden vom weitverbreiteten Bruch des Völkerrechts. (The Conversation). Unter den Opfern, die bei den jüngsten Feindseligkeiten zwischen Israel und der Hamas ums Leben gekommen […]

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Experte: Israel muss trotz Terror Regeln beachten. WHO besorgt um geistige Gesundheit

Experte humanität gaza krieg

Der Experte Leonard Rubenstein erinnerte an Israels Pflicht gegenüber dem Völkerrecht. Zeitgleich erinnert die WHO an geistige Gesundheit.

(dpa, iz). Israel ist im Krieg nach Ansicht eines US-Menschenrechtsexperten verpflichtet, die Zahl ziviler Opfer so weit wie möglich zu minimieren.

Die Grundregel sei, dass es Vorsichtsmaßnahmen geben müsse, um sicherzustellen, dass Zivilisten nicht übermäßig geschädigt würden, meint Professor Leonard Rubenstein von der Johns Hopkins Universität in Baltimore am Donnerstag (Ortszeit) bei CNN.

Experte: „Die Regeln des Krieges gelten für alle gleichermaßen“

Zwar stehe außer Frage, dass die Hamas sich wiederholt Kriegsverbrechen schuldig gemacht habe, etwa mit wahllosem Raketenbeschuss Israels, Geiselnahmen, Tötung von Zivilisten oder ihre Verwendung als menschlichen Schutzschilden, ergänzte der Jurist.

Foto: IDF, via Wikimedia Commons | Lizenz: gemeinfrei

Dennoch sei zu bedenken: „Die Regeln des Krieges gelten für alle gleichermaßen, egal ob es sich um eine bewaffnete Gruppe, eine nichtstaatliche bewaffnete Gruppe oder ein legitimes staatliches Militär handelt.“

So gebe es einige grundlegende Prinzipien. Eines davon sei, nur militärische Objekte anzugreifen. Auch dürften keine Zivilisten angegriffen werden oder wahllose Angriffe ausgeführt werden, bei denen nicht gezielt, sondern ein ganzes Gebiet beschossen werde.

Selbst wenn eine zivile Einrichtung wie etwa ein Krankenhaus zum Abfeuern oder zur Lagerung von Waffen oder für andere militärische Zwecke genutzt werde, bestünde die Verpflichtung, auch wenn man es angreifen könne, den Schaden für die Zivilisten dort so gering wie möglich zu halten.

Foto: Palestinian News & Information Agency (Wafa) in contract with APAimages, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Luftangriffe lassen Zweifel aufkommen

Mit Blick auf die Tausenden Luftangriffe sagte Rubinstein: „Die schiere Zahl der Luftangriffe in einem so kurzen Zeitraum in einem dicht besiedelten Gebiet und die hohe Zahl der Todesopfer lassen jedoch ernsthafte Zweifel aufkommen, ob Israel seinen Verpflichtungen nachgekommen ist.“

Die Kriegsverbrechen der Hamas entbänden Tel Aviv nicht von seiner Verantwortung. „Man kann nicht für ein Verbrechen Vergeltung üben, indem man ein anderes begeht. Das führt tatsächlich zur Barbarei“, sagte er. Es gehe dann immer weiter abwärts in einer Spirale, in der keine Regeln mehr übrig blieben.

Weltgesundheitsorganisation sieht mentale Gesundheitskrisen in Israel und Gaza

Der Terrorangriff der Hamas in Israel und Israels Gegenangriff im Gazastreifen haben laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weitreichende psychische Folgen bei den Menschen in der Region. „Alle in Gaza“ würden psychosoziale Unterstützung benötigen, sagte Rik Peeperkorn, der WHO-Repräsentant für die palästinensischen Gebiete, am Donnerstag.

Er erinnerte daran, dass die mehr als zwei Millionen Einwohner von Gaza zuvor schon jahrelang von Konflikten und von Blockaden durch Israel belastet worden seien.

kinder

Foto: andlun1, via flickr | Lizenz: CC BY-NC 2.0

Auch ein Teil der WHO-Mitarbeiter vor Ort habe mit psychischen Problemen zu kämpfen, sagte Peeperkorn in einer Videoschalte der UN-Gesundheitsorganisation in Genf. „Sie sind völlig verzweifelt, völlig depressiv und haben keine Lebensperspektive mehr“, berichtete er.

Außerdem erhalte die WHO in ihren laufenden Kontakten mit palästinensischen Gesundheitsfachkräften „besorgniserregende“ Berichte über deren mentalen Zustand.

Auch in Israel seien unter anderem Überlebende des Terrors, Angehörige der von der Hamas entführten Geiseln, Zeugen des Angriffs sowie Entscheidungsträger traumatisiert, berichtete Michel Tieren, der WHO-Vertreter in Israel. „Das ganze Land ist in die Dunkelheit des Traumas gestürzt, und das Trauma breitet sich in etwa wie ein Virus aus“, sagte er.

Manche Menschen würden sich zu intensiv mit den schrecklichen Erlebnissen anderer beschäftigen. Israelische Gesundheitsbehörden seien im Gespräch mit der WHO über Maßnahmen, um die psychische Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung wiederherzustellen.

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Kommunikationsprobleme: Mehrheitsgesellschaft und muslimische Minderheit haben abweichende Erfahrungsräume

Kommunikationsprobleme Feuerpause

Kommunikationsprobleme belasten das Verhältnis von Mehrheitsgesellschaft und muslimischer Minderheit. Habecks Rede zeigt Bruchlinien auf.

(iz). Wie ein Staatsmann: Im dunklen Anzug erklärt Vizekanzler Robert Habeck in einer Videoansprache die deutsche Nahostpolitik. Er erinnert an das Versprechen Deutschlands, für die Sicherheit Israels im Rahmen des Völkerrechts einzustehen.

Der Wirtschaftsminister fordert ein klares Bekenntnis der deutschen Gesellschaft, jüdisches Leben im Land zu schützen. Er prangert den Antisemitismus von linken, rechten und muslimischen Zeitgenossen an, der in „keiner Gestalt“ zu tolerieren sei. Muslimische Verbände hätten sich zum Teil klar von den Taten der Hamas distanziert, „aber nicht alle, und manche zu zögerlich“.

Der Grünen-Politiker erhält für seine klare Rhetorik, die ihn innenpolitisch vermutlich vorteilhaft positioniert, viel Lob. Allerdings spricht hier nicht nur der Berufspolitiker. Seine persönliche Erschütterung angesichts der Bilder des Massakers an der israelischen Gesellschaft wirkt ehrlich. Wie reagieren deutsche Muslime auf diese Rede?

Kommunikationsprobleme: Versuchen wir es zunächst mit einer Selbstkritik

Der 7. Oktober und die folgenden Tage waren wahrlich keine Sternstunden der Kommunikation – von muslimischer Seite gesehen. Die Bilder der brutalen Ermordung, Schändung von Zivilisten und die Entführungen lassen für vernünftige Menschen keinen Interpretationsspielraum. Unter normalen Umständen würde man unter dem Eindruck dieses Horrors schweigen.

Unstrittig bestand eine Notwendigkeit – zumindest, wenn Muslime öffentliche Verantwortung tragen –, nach den angemessenen Worten zu ringen, um der Anteilnahme Ausdruck zu verleihen. Dieses Zeitfenster, das hätte ehrlicher Empörung gewidmet sein müssen, schloss sich viel zu schnell.

In der Folge entfaltete sich ein grundsätzlicher Unterschied der Erfahrungsräume der Mehrheitsgesellschaft und der muslimischen Minderheit. Die einen blickten zurück, erinnerten sich an die dunkelsten Stunden der deutschen Vergangenheit. Die anderen blickten nach vorne – in Erwartung einer absehbaren Reaktion des israelischen Militärs. Die Gesprächsfäden rissen ab und gegenseitiges Verstehen wurde schwierig. 

Große Teile der Öffentlichkeit stiegen erst an diesem Punkt der Geschichte in das Geschehen ein, während Juden und Muslime seit Jahrzehnten die Narrative des „ewigen Krieges“ erzählen; und aus existentieller Betroffenheit heraus das Schicksal von Freunden und Verwandten verfolgen. Die berühmte Satzkonstruktion des „ja, aber…“ verdrängte einerseits schnell die notwendige Trauerarbeit. Andererseits kann man sich eine Kontextualiserung nicht auf Dauer ersparen oder nur auf die israelische Sicht beschränken.

Foto: Islamrat, X

Ein Zeitpunkt zum Innehalten

Es gibt Momente, in denen man den Automatismus von Aktion und Reaktion gerne anhalten würde. Nach dem Terroranschlag der Hamas wäre eigentlich der Zeitpunkt gewesen, inne zu halten und die Strategien aller politisch Beteiligten in den letzten Jahren zu hinterfragen.

Das heißt aus muslimischer Sicht, den Zynismus dieser Terrororganisation zu ächten und den Abgrund dieser selbstmörderischen Strategie des Kampfes gegen eine der größten Armeen der Welt zu erkennen – ausgetragen auf dem Rücken der eigenen Zivilbevölkerung. Diese Klarheit der Analyse zur trostlosen Erfolgsbilanz dieser Organisation hat mir in der ersten Reaktion der muslimischen Verbände besonders gefehlt.

Wie wir wissen, hat die Geschichte ihren Lauf genommen. Es ist klar, dass Hamas zu keinem Zeitpunkt in der Lage war, die Existenz Israels real zu gefährden. Dieses Faktum schließt Propagandaerfolge für sie nicht aus. Unter dem Eindruck des Bombenhagels und unter dem Druck der furchtbaren Bilder aus Region reagiert die muslimische Gemeinschaft in diesen Tagen zunehmend empört. In die Reaktionen mischt sich Verzweiflung: Viele deutsche Muslime kennen Zivilisten persönlich, die unter den Schutthaufen sterben.

Die Frage sei erlaubt, warum so viele den Eindruck haben, es fehle auf der politischen Ebene an echter Empathie gegenüber den tausenden palästinensischen Opfern. Verständlich ist auch die Irritation über die Behauptung, fünf Millionen Muslime hätten nichts zur Suche nach dem moralischen Kompass unserer Gesellschaft beizutragen.

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Jede Differenzierung hat es zunehmend schwer

Die innermuslimische Debatte, die – wenn überhaupt vorhanden – meist nur kurz in sozialen Medien aufblitzt, verkürzt sich gerade dramatisch auf eine Botschaft: Israel ist schuld am Tod tausender, unschuldiger Zivilisten! Jede Differenzierung hat es zunehmend schwer.

Widerspruch wird als „Verrat“ an der islamischen Sache zurückgewiesen. Die Ereignisse vom 7. Oktober spielen entweder keine große Rolle mehr oder werden als „Betriebsunfall des Widerstands“ abgehakt. Es gibt keine einzige Forderung des organisierten Islam nach einer Kapitulation der Hamas – die offen angekündigt hat, genauso weiterzukämpfen.

Die Qualifizierung als „Befreiungsorganisation“ wird von einigen unkritisch übernommen; angeblich weil die Besatzungspolitik jede Form des Widerstands rechtfertigt. Und die Logik des Völkerrechts wird meist nur noch auf die israelische Seite angewendet.

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Hat Robert Habeck also Recht?

In vielen Punkten ja. Allerdings ist seine moralische Position zu einfach aufgezogen. Neben dem Vorwurf an den sogenannten politischen Islam fehlt eine Beschäftigung mit den politisch-extremistischen Rändern im Judentum.

Vernichtungsphantasien gibt es nicht nur aufseiten der Hamas, sondern auch in extremen und religiös fanatisierten Kreisen der israelischen Regierung. Das dies keine Phantasie von blinden Israelkritikern ist, zeigt die Lektüre des israelischen Tagebuches von Saul Friedländer. Er weist darauf hin, dass die politische Landschaft Israels im Jahr 2023 „zu einem Dschungel mit einigen sehr gefährlichen Raubtieren geworden ist“.

Ist ein Genozid am Volk der Palästinenser im Rahmen der Terrorbekämpfung tatsächlich undenkbar, oder will man diese Gefahr nicht sehen? Es ist bezeichnend, dass Kritik an der israelischen Reaktion auf den Terrorismus eher in israelischen als in deutschen Tageszeitungen zu finden ist. Hier muss eine glaubwürdige deutsche Politik – auch Robert Habeck – klar Stellung nehmen.

Der allgemeine Verweis auf die Grundsätze des Völkerrechts wurde in der Rede erwähnt. Aber wo sind klare Formulierungen zur roten Linien der Bundesregierung; zum Beispiel in Form einer Garantie, am Ende des Weges keine neue Vertreibung der Palästinenser zuzulassen? Sind etwa Kriegsverbrechen akzeptierter Bestandteil der Bekämpfung des Terrorismus?

Die Vernichtung der Hamas, die ohne Rücksicht auf Kollateralschäden fortgeführt wird, wirft die Frage auf, wie viele tote Zivilisten auf palästinensischer Seite – Frauen und Kinder – diese Zielsetzung tolerieren kann? Hier herrscht noch immer ein Defizit in der Kommunikation.

Es wäre zu billig, wenn sich das rechtskonservative Erklärungsmodell durchsetzt, die Bombardierung des Gazastreifens sei mit der Bombardierung deutscher Großstädte im 2. Weltkrieg zu vergleichen.