Vermitteln die deutsche Schulbuchverlage immer noch das Bild eines fremden Islam. Von Wolf D. Ahmed Aries

Ausgabe 201

(iz). Beim Rückblick auf die Hannoversche DIDACTA, fällt auf, dass wieder einmal die islamischen Verlage mit ihren Schulbuchange­boten fehlten. Hin und wieder sah man zwar ein Kopftuch oder hörte im Vorübergehen türkische Wörter, aber die auf der DIDACTA zu findenden Schulbücher zum islamischen Religionsunterricht haben in der weitaus größten Mehrheit Nicht-Muslime geschrieben. Nur einzelne einzelne Bücher wurden von Muslimen erarbeitet, unter ihnen sind die Entwürfe des Osnabrückers Bülent Ucar und der Hannoveranerin Annette Abdel Rahman bemerkenswerte Anstren­gungen. Man muss bei der Durchsicht dieser Unterrichtsbücher stets im Auge behalten, dass alle Autoren pädagogisches Niemandsland betraten. Da jedoch kein Lehrer sich eine Sammlung aller bisher vorgelegten Unterrichtsbücher und ­deren ergänzende Lehrerhandbücher ob der Kosten zu legen kann, entfällt der Vergleich beziehungsweise wird er auf einzel­ne Bücher beschränkt, wodurch die bemerkenswerten Anstrengungen gleich den erwähnten nicht recht gewürdigt werden können.

Was beim Durchblättern der Angebote der unterschiedlichen Verlage auffällt ist, dass die säkularen und latein-christlichen Islamexperten den „Islam“ durchweg theologisieren. So wird aus der Offenbarung „das heilige Buch der Muslime“ oder „beten die Moslems zu Mohammed“; aus der Rechtleitung schließen die meisten Experten auf die von ­Luther abgelehnte Werklehre. ­Schwierig wird es an den Stellen, wo jemand meint, er müsse von der Rechtleitung auf „die“ Scharia schließen. So wird eine Fatwa zu einem richterlichen Urteil, das das Gewaltmonopol des Staates bindet oder – wie verdeckt unterstellt – aushebelt. Fiqh scheint für diese Experten ein ­Fremdwort zu sein.

Eine Feststellung erscheint dem Beobachter beunruhigend: Es fehlen die europäischen Muslime. Bilder – teilweise auf hohem wissenschaftlichen Niveau – und Texte zeigen Muslime stets im arabi­schen, persischen, türkischen Kontext. Dies wird auch nicht durch die Fotos der älteren deutschen Gebäude in Dresden, Schwetzingen oder Potsdam eher verstärkt als verändert.

Die indirekt vermit­telte Botschaft lautet: Der Islam ist fremd. Muslime bleiben Einwanderer. Ärgerlich ist geradezu, dass das andalusische Miteinander nur einen Effekt gehaben soll: Die ­Ver­mittlung griechischer Texte. Man kann den Autoren nur empfehlen sich in der englisch- beziehungsweise franzö­sisch­sprachigen Literatur umzusehen zum ­Beispiel Oliver Leamans Arbeiten anzusehen; mit dem neuen Buch des Münsteraner Arabisten zur Ambiguität im ­islamischen Denken hätte man einen deutschsprachigen Autoren.

Zwar hat sich die Gesamtlage seit der ­Publikation der Forschungen Abdoljavad Falaturis wesentlich gebessert, ohne dass die Resultate Sabine Schiffers als überholt ­gelten könnten. Man kann nur hoffen, dass die künftigen Schulbücher für die Sekundarstufe II die teilweise tragische Geschichte der Muslime im Kontext europäischer und deutscher Geschichte aufarbeiten werden.

Nichtsdestotrotz, diese beeindruckende Präsentation der deutschen Bildungs­landschaft imponierte nicht nur durch ihre Vielfalt, sondern auch durch die gezeigten technischen Neuigkeiten, deren Möglichkeiten für den Religionsunterricht erst noch entdeckt werden müssen. Allerdings, was im Bereich der ­modernen elektronischen Tafeln an nahöstlichem Wissen oder „islamischem Grundwissen“ angeboten wird, sollte man schamhaft übergehen. Allein, sich vorzustellen wie lebendig es in der Klasse werden würde, wenn etwa Bülent Ucar seinen Unterrichtsentwurf über eine solche Tafel veranschaulichen könnte, bei der man ein Bild anhalten kann, um mit den Schülern auf der Tafel zu arbeiten, lässt Begeis­terung aufkommen.

Geradezu liebenswürdig war die Präsentation einer Schülerfirma, die Snacks und Essen anbot. Hingegen kam man bei den Profis ins Nachdenken, denn hier war von halal nicht die Rede. Baut sich hier ein (neuer) Konfliktstoff auf? Auch an dieser Stelle empfiehlt sich ein Blick ins Vereinigte Königreich, wo die Schulen über eine lange Erfahrung verfügen.

Die größte und umfassendste Bildungsmesse in Europa ist mehr als einen Kurzbesuch Wert, den auch muslimische Lehrerinnen und Lehrer, aber ebenso die islamischen Verlage nutzen sollten. Zwingt nicht die Einführung des islami­schen Religionsunterrichtes dazu, weil die DIDACTA nicht nur von Lehrern, sondern auch Schulpolitikern, Schulleitern und Ministerialen besucht wird? ­Zumindest sollten sich die islamischen Verlage auf einen Gemeinschaftsstand einigen.