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„Wichtige Brückenbauer“

Ausgabe 262

Foto: Hasane

(KNA/iz). Muslime setzen sich laut einer Studie stärker ehrenamtlich für Flüchtlinge ein als Mitglieder anderer Konfessionen oder Atheisten. Damit seien Muslime „wichtige Brückenbauer in unserer Gesellschaft“, heißt es in dem am 27. März in Gütersloh vorgestellten Religionsmonitor 2017 der Bertelsmann Stiftung. Die Flucht Hunderttausender Menschen nach Deutschland habe neue zivilgesellschaftliche Potenziale in der Bundesrepublik geweckt.
Laut Stiftung gaben 44 Prozent der befragten Muslime an, sich im Jahr 2016 für Flüchtlinge engagiert zu haben. Das bekundeten aber nur 21 Prozent der Christen und 17 Prozent der Konfessionslosen. Damit träfen Vorurteile nicht zu, wonach Muslime sich wenig bis gar nicht in der Flüchtlingshilfe beteiligen und kaum gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
Laut Untersuchung ist auch die Annahme haltlos, Muslime würden die Flüchtlingshilfe für eine religiöse Einflussnahme missbrauchen. Allenfalls bei ein bis zwei Prozent der Helfer könne von einer Absicht gesprochen werden, Geflüchtete zu radikalisieren. Durch ihre eigenen Integrationserfahrungen und ihre demokratischen Kompetenzen könnten Muslime in der Flüchtlingshilfe ein Vorbild sein. Sie brächten sprachliche, seelsorgerische wie kulturelle Kompetenzen mit, die in der Arbeit mit Flüchtlingen besonders erwünscht und nun häufig erstmals wertgeschätzt würden, so die Studienautoren.
Rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung hat sich nach der Studie 2016 für Flüchtlinge eingesetzt. Darunter seien Menschen gewesen, die sich bislang wenig engagiert haben: junge Erwachsene, Niedrigverdiener und Migranten. Auffällig dabei sei das intensive Engagement von Ostdeutschen. Jeder fünfte ostdeutsche Flüchtlingshelfer arbeite mehrmals die Woche mit; unter den Westdeutschen sei nur jeder Zehnte so aktiv.
Für die Hilfe spiele der Ort einer Flüchtlingsunterkunft eine zentrale Rolle, hieß es. Wer nahe an einer solchen Einrichtung wohnt, engagiere sich deutlich häufiger für Flüchtlinge als weiter entfernt wohnende Menschen. Damit seien Flüchtlingsheime nicht nur „Stein des Anstoßes“, sondern eine „wichtige Quelle für Empathie“. Für Religionsmonitor-Expertin Yasemin El-Menouar zeigt das ehrenamtliche Engagement, „dass unsere Gesellschaft in schwierigen Zeiten zusammenhält – unabhängig von Religion und Herkunft“. Außerdem kommt die Hilfe häufiger von Frauen als von Männern. Ebenso zeigen die Daten: Je besser Ausbildung und die wirtschaftliche Lage, desto eher ist jemand für Flüchtlinge aktiv.
Damit diese Potenziale noch effektiver und dauerhaft genutzt werden könnten, sollten sie besser in bestehende ehrenamtliche Strukturen eingebettet werden. Vernetzungsangebote, Beratung und Qualifizierung können laut der Stiftung dazu beitragen, dass Integration nachhaltig gelingt. „Dies würde auch dazu beitragen, den – wenn auch seltenen – fundamentalistischen Missionierungsversuchen entgegenzuwirken“, hieß es.
Ein Anfang der Vernetzung und der Professionalisierung wurde bereits in mehrfacher Hinsicht gemacht. Auf verschiedenen Ebenen – von der Kommune bis zu führenden Dachverbänden – schlossen sich Muslime seit 2015 zu gemeinsamen Initiativen zusammen oder kooperieren mit nichtmuslimischen Trägern der verschiedenen Sozialdienste. Auch innerhalb muslimischer Dachverbände sowie in angeschlossen Sozialvereinen wie denen der IGMG oder der DITIB kümmern sich Muslime gezielt und kollektiv um Bedürfnisse von geflohenen Menschen. Ein Beispiel für die lokale Koordination muslimischer Bemühungen um Flüchtlinge ist das Projekt „Moscheen fördern Flüchtlinge“, das bundesweit vor rund fünf Monaten ins Leben gerufen wurde.
Der Religionsmonitor untersucht den Angaben zufolge anhand repräsentativer Umfragen die Rolle von Religion und religiöser Vielfalt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. An der aktuellen Untersuchung beteiligten sich mehr als 10.000 Menschen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Großbritannien und der Türkei.