„Womit haben wir das verdient?“

Ausgabe 284

Foto: Mona Film

(KNA). Die Tochter einer atheistischen Feministin konvertiert zum Islam. „Womit haben wir das verdient“, fragen viele in der satirischen Komödie mit pointierten Dialogen, schwarzem Humor und brillanter Situationskomik.
Was ist das Schlimmste, was pubertierende Kinder ihren Eltern antun können? Drogen nehmen, die Schule abbrechen, magersüchtig oder rechtsradikal werden? Die 51-jährige ­Filmemacherin Eva Spreitzhofer konnte sich noch Schrecklicheres vorstellen: „Wenn meine Tochter religiös werden und sich ein ­Kopftuch aufsetzen würde.“
Aus dieser Vorstellung heraus entstand für die überzeugte Feministin und Atheistin die Grundidee ihres Spielfilmdebüts „Womit haben wir das verdient?“ (ab 24. Januar im Kino), denn: „Immer wenn der Protagonistin das Schlimmste passiert, was sie sich vorstellen kann, ist das ein guter Ausgangspunkt für eine Komödie.“
Diese beginnt mit einer höchst angespannten Familientherapie. Die getrennt lebenden ­Eltern sitzen nebeneinander. Aber nicht um ihre Beziehung noch zu kitten, denn Wanda (Caroline Peters) wie auch ihr Ex-Mann (Simon Schwarz) leben längst in neuen Partnerschaften. Es geht vielmehr um die gemeinsame Tochter Nina (Chantal Zitzenbacher). Da sie Komasaufen und Kiffen bereits hinter sich hat, fürchten die Eltern das Schlimmste. Als die Tochter den Raum betritt, bewahrheiten sich ihre dunkelsten Befürchtungen: Sie ist zum Islam konvertiert, hat den Kopf völlig bedeckt und möchte nur noch Fatima genannt werden.
Ein Alptraum beginnt. Mit fundamentalistischer Wut will die Tochter beweisen, dass sie eine Super-Muslimin ist: Mit „halal“ („rein“ oder „erlaubt“) und „haram“ („verboten“) durchdringen zwei neue Vokabeln und damit unzählige Speisevorschriften und Alltagsregeln Wandas Patchwork-Familie bis in die letzten Winkel hinein. Wenn Nina Zweifel über­fallen, hilft das Internet dem zum Islam ­konvertierten Bürgerkind in Form von Selbsthilfe-Chats und Videos, in denen etwa ein ­fideler bärtiger Mann mit säuselnder Stimme erklärt, wie sich junge Frauen am besten zu waschen haben.
Mit brillanter Situationskomik und viel schwarzem Humor spießt der Film die teils ängstlichen, teils trotzigen Reaktionen auf die religiöse Offensive der jungen Frau auf. Nina/Fatima erschreckt sogar tiefgläubige Muslime, aber sie findet auch unerwartet Verständnis: Die schwangere Lebensgefährtin ihres Vaters etwa ist fest davon überzeugt, dass ein Mehr an religiöser Festigkeit die Gesellschaft nur stabilisieren könne und bereitet ihrerseits eine große katholische Hochzeit vor.
„Womit haben wir das verdient?“ ist eine wunderbar bissige Komödie, bei der Linke und Rechte, Religiöse und Atheisten durch den Kakao gezogen werden. Der Film gewährt aber auch einen humoristischen Lichtblick angesichts all der oft von tiefer Humorlosigkeit geprägten Debatten um Identität und Religion, in denen Schablonen vorherrschen, keine wirklichen Auseinandersetzungen.
Diesen Status Quo bringt der Film in einer Einstellung auf den Punkt: Wanda sitzt in der sogenannten „Deradikalisierungsstelle“ auf einer Wartebank. Nach rechts weist ein Pfeil zum Dezernat Rechtsradikalismus, nach links geht es zum Islamismus.
Der Film lebt in erster Linie von pointierten Dialogen und den Darstellern: Allen voran Caroline Peters („Mord mit Aussicht“) als feministische Mutter, die sich als Vorkämpferin für Emanzipation und Freiheit versteht, bei ihrer Tochter aber an ihre eigenen Toleranzgrenzen stößt – durchaus ein ironisches Selbstporträt der Regisseurin.
Simon Schwarz als Vater hat gelernt, es sich auch in Zeiten glühenden kollektiven En­gagements immer irgendwie gut gehen zu ­lassen. Chantal Zitzenbacher als energiesprühende Tochter und die gut besetzten ­Nebendarsteller komplettieren das Ensemble. Dynamik und Zusammenspiel der Schauspieler tragen dazu bei, dass der Film die ­Untiefen des Tabubruchs wie auch die Kalauer gängiger Multikulti-Komödien elegant umschifft, ohne Schiffbruch zu erleiden.