Konversion: ein Modewort?

Ausgabe 243

(iz). Das, worum es bei dem Wort „Konvertit“ geht, gibt es seit Jahrhunderten. Da wechselt jemand seine Glaubenszugehörigkeit und bekennt sich fortan zu einer anderen Glaubensgemeinschaft. In den vergangenen zwei Jahrhunderten ging es hier vor allem um den Wechsel vom Protestantismus zum Katholozismus und umgekehrt. Hinzu kamen Jahrzehnte später jene, die sich von der Synagoge abwandten, um sich taufen zu lassen. Es war also ein rein religiöser Begriff, mit dem man im Grunde nur feststellte, dass jemand eine Gemeinschaft gewechselt hatte.
In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts veränderte sich der Wortinhalt in mehrere Richtungen: Zum einen bekam das Wort in den 1980er Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen gefühlsmäßig negativen Beigeschmack, wenn sich zum Beispiel ein Europäer dem Islam zuwandte. Das geschah nicht und geschieht auch heute nicht, wenn er Buddhist oder Hindu wurde; und ein Bantu, der sich in Deutschland taufen lässt, ist Christ geworden. Bei ihm spricht niemand von Konversion.

Gleichzeitig stellte die Konversion zum Islam für die Sicherheitsbehörden ein Warnsignal dar, das auf eine mögliche Radikalisierung im Sinne nahöstlicher Gruppen gleich dem IS oder der Taliban verwies. Dabei blickte und blickt man auf solche Gruppierungen, die zum sogenannten Dschihad aufrufen. Wenn jemand bei seinem Studienaufenthalt in Indonesien konvertierte, scheint es keine Rolle zu spielen.

Beim gleichzeitigen Phänomen von im Orient geborenen und in Europa herangewachsenen Studenten, die vom Glauben ihrer Großeltern nichts wussten, die sich jedoch in Deutschland einer Moscheegemeinschaft anschlossen, sprach man nicht von Konvertiten. Der Bielefelder Heinz Streib schlug vor, jene, die einem religiösen Raum entstammten und sich später dieser Religion „wieder“ zuwenden, „Rekonvertiten“ zu nennen. Orientalisten sprechen, wenn sie dieses Phänomen in muslimischen Mehrheitsgesellschaften meinen, von „Islamisierung“, die auf Konvertiten eine besondere Anziehung ausübe.

Aber wohin wendet sich ein deutscher Konvertit? Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage schaut man im Allgemeinen auf den arabischen Raum oder auf die Türkei beziehungsweise Afghanistan. Doch die Araber mögen vielleicht zwanzig Prozent der 1,4 Milliarden der Weltgemeinschaft der Muslime ausmachen. Sie waren nie die Mehrheit.

Die Konsequenz ist, dass in Deutschland mit dem Begriff der Konversion zum Islam gleichzeitig „der“ Islam ethnisiert wird, manche sprechen auch vom Arabisieren. Ein echter Muslim spricht fließend, so die Meinung, Arabisch und kennt sich unter Arabern aus. Nur die meisten Muslime und auch Neu-Muslime können kaum mehr als die für das Gebet notwendigen qur’anischen Texte. Ansonsten passen sie sich den örtlichen, den gelebten Traditionen ihrer Moschee an. Hin und wieder arabisieren einige wenige deutsche Muslime gleich dem bekannten Pierre Vogel, was indonesischen Muslimen merkwürdig vorkommt…

Neben den „lauten“ Konversionen bei den Salafis gibt es seit Jahrzehnten eine stille Hinwendung zum Islam im Rahmen der mystischen Bruderschaften, deren Dschihad allein der Vervollkommnung ihres Glaubens gilt. Sie leben meistens einen streng orthopraktischen Islam, in dem sie alle Gebote wie selbstverständlich leben. Der Begriff der Gewalt war unter ihnen stets ein Fremdwort. Diese Stillen im Lande integrieren jeden Neuen beziehungsweise jede Neue, ohne dass jemand dies in der deutschen Mehrheitsgesellschaft bemerkt. Für einen muslimischen Mystiker ist der Konvertit aus der säkularen Gesellschaft ein Mensch, der zum ursprünglichen Glauben des Menschen als Geschöpf Gottes zurück gefunden hat.