COVID-19 bei den Ärmsten

Ausgabe 299

Foto: Yaw Niel, Shutterstock

(IPS). Was sind die wahrscheinlichsten Folgen der COVID-19-Pandemie für die Wirtschaft der Entwicklungsländer? Hier ist es schwierig, Vorhersagen zu treffen. Viel wird von der Ausbreitung der Krankheit – insbesondere in Afrika, Lateinamerika, Asien und dem Nahen Osten – abhängen. Ebenso auch von den Maßnahmen, welche die unterschiedlichen Regierungen in der kommenden Zeit beschließen werden oder schon beschlossen haben.

Dieser Text beschäftigt sich mit der Möglichkeit ökonomischer Folgen und welche Maßnahmen geeignet sind, um Negativfolgen für die Armen und Empfindlichen zu reduzieren.

Kurzfristig dürfte die inländische ­Verbrauchernachfrage in den meisten Entwicklungsländern erheblich zurückgehen. Der Bedarf an Nahrungsmitteln, medizinischer Hilfe und anderen wichtigen Waren könnte steigen. Das würde durch das geringere Kaufinteresse nach nicht wesentlichen Gütern und verschiedenen Dienstleistungen mehr als aus­geglichen. Kaufwunsch würde zusätzlich aufgrund weiterer Faktoren sinken: weil ausländische Käufer Bestellungen verzögern oder zurückziehen, einheimische und fremde Touristen Reisen stornieren und die Aktienmärkte verlieren, was den Wohlstand der Leute und ihre Bereitschaft zu Ausgaben untergräbt.

In Ländern mit vielen Auslandsar­beitern wie den Philippinen, Indien und Pakistan oder mit einer großen Diaspora wie Somalia würden sich die Über­weisungen aufgrund von Entlassungen und verspäteten Gehaltszahlungen in ­Europa, im Nahen Osten und in den USA, in denen die meisten dieser Menschen arbeiten, verlangsamen.

Ein gesunkenes Kaufverhalten hat Negativfolgen für Produktion und Arbeitsmarkt. Die Industrie könnte es ein bisschen geringer betreffen, wo Unternehmen mit Zugang zu Krediten Vorräte an Fertiggütern erzeugen können, anstatt die Erzeugung zu drosseln und Mitarbeitern zu kündigen. Die Folgen für den kleinteiligen Dienstleistungssektor dürften dramatisch sein.

uf der Zulieferseite könnte es ebenfalls zu Unterbrechungen in Entwicklungsländern führen. Es gibt dann Mängel bei Rohstoffen und Ersatzteilen. Allerdings dürften die gesunkenen Energiepreise den Entwicklungsländern helfen. Die meisten von ihnen importieren diese Energieträger.

Insgesamt hängen Schweregrad und Dauer auf diese Nachfrage von den jeweiligen Regierungsmaßnahmen ab, die zur Eindämmung der Verbreitung ergriffen wurden. Sollte sich die Pandemie so schnell wie in Europa und in den USA vervielfältigen, werden Regierungen Produktionen schließen und den Verkauf unwesentlicher Güter verbieten.

In Indien und Teilen Pakistan wurde ein „Lockdown“ beschlossen. In solch ­einem Szenario wären die Schnitte beim Bruttosozialprodukt und Einkommen schwerwiegend. Und könnte sogar die erwarteten drei bis fünf Prozent von ­Italien erreichen. Dieser Rutsch bedeutet schwere Bedrängnisse für die ärmsten Teile der Bevölkerung. Dazu gehören ­Tagelöhner in Städten und auf dem Land.

In vielen Entwicklungsländern gibt es keine staatlichen Sicherungsnetze. In ­Zeiten der Not wenden sich die meisten Menschen an Freunde, Nachbarn und Verwandte, um Hilfe zu erhalten. Nichtstaatliche Wohltätigkeitsorganisationen nehmen in solchen Situationen tendenziell zu. Private Vorsorge umfasst direkte Hilfen für Betroffene mit Bargeld und Lebensmitteln, fortgesetzte Gehälter trotz der Arbeitsunfähigkeit und die Unterstützung bei Behandlungskosten.

Der größte Anteil von Hilfen liegt bei zivilgesellschaftlichen Organisationen, NGOs, Moschee- oder Kirchenvorständen sowie religiösen Gruppen. Im Großteil der Länder haben diese Strukturen gut entwickelte Fähigkeit zur Erreichung der Armsten. Viele haben Systeme für Nahrungsverteilung und andere Hilfsformen in Großstädten wie Karatschi ­geschaffen. Obwohl es Unklarheiten bei der Entwicklung der Pandemie gibt, ist klar, dass die privaten Mechanismen nicht alles abdecken. Außerdem sind sie ­tendenziell relativ selten auf dem Land vertreten. Seine dünne Besiedlung macht es schwierig, die Betroffenen zu erreichen.

Zur Vervollständigung privater Initiativen müssen Regierungen ihre Einrichtungen mobilisieren – insbesondere jene, die im ländlichen Raum sind. Dazu gehören Polizeistationen, Kliniken sowie Landwirtschaftsbüros. Alle könnten eine logistische Basis bieten, um die Armen auf dem Land mit gesundheitlicher Hilfe und Lebensmittelunterstützung zu versor­gen. Diese Institutionen sollten ins Spiel gebracht werden, indem Mittel von anderen laufenden Aktivitäten abgezweigt werden. Angesichts der Schwierigkeiten der Regierung, die steigenden Kosten für die medizinische Versorgung zu decken, dürfte ihre finanzielle Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt sein. Internationale Organisationen sollten mobilisiert werden, um zu helfen.

An dieser Stelle kann erwähnt werden, dass die Weltbank 12, die Asiatische Entwicklungsbank 6,5 und der IWF 50 Milliarden US-Dollars zur Hilfe betroffener Ländern bereitgestellt haben. Es wäre gut, wenn andere Akteure wie internationale NGO ebenfalls mit einbezogen würden. Eine gesonderte Rolle kommt dem ­Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) zu. Es besitzt die nötige Erfahrung in der Krisenlogistik sowie in der Beschaffung nötiger Ressourcen.

Schließlich müssen ermutigen Geschäftsbanken angehalten werden, Kunden und Unternehmen zu erlauben, Zahlungen zu verzögern. Und gleichzeitig die Liquidität im System erhöhen, indem sie die Einlagen reduzieren, die diese bei den Zentralbanken halten müssen. Zentralbanken und Finanzministerien müssen ebenfalls erkennen, dass eine Abwertung der Währung erforderlich sein kann, um sie angesichts der sinkenden globalen Nachfrage wettbewerbsfähig zu halten.

Die Regierungen sollten versuchen, den niedrigeren internationalen Ölpreis auszunutzen. Wie oben erwähnt müssen diese Kürzungen durch niedrigere Preise für Kraftstoff und Strom an die Ver­braucher, insbesondere an industrielle und gewerbliche Nutzer, weitergegeben werden. Preissenkungen müssen Diesel bevorzugen, der hauptsächlich in der Landwirtschaft, der Industrie sowie im Transportwesen eingesetzt wird.