Die Observierung linker Politiker ist eine Fortsetzung des Überwachungswahns gegen die deutschen Muslime. Kommentar von Sulaiman Wilms

Ausgabe 200

(iz). Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich löste mit traumwandlerischer Sicherheit einen heftigen Streit aus, der – Monate nach Aufdeckung der „Zwickauer Zelle“ – erneut einige Verfassungsschützer und deren Arbeit in ein schlechtes Licht rückt. Am 24. Januar erklärte der Bundesinnenminister (um von den offenkundigen Mängeln im Umgang mit der rechtsextremen Szene abzulenken?), dass die Linke „verfassungsfeindliche Tendenzen hat“. Wenn der Verfassungsschutz nicht mehr verfolgen dürfte, „was Abgeord­nete machen“, müsse auch die ­Beobachtung von NPD-Spitzenfunktionären in Parlamenten beendet werden. „Und das kann ja nicht sein“, meinte Friedrich und tappte nach seinen Islam-Äußerungen in einen weiteren öffentlichen Fettnapf.

Auch andere Politiker reagierten empört. Der Streit um die Äußerungen Friedrichs und die angeblich nur „offene Beobachtung“ der Partei und eines Teils ihrer Parlamentarier reichte bis in die Regierungskoalition hinein. Nicht nur die Überwachung ­ihrer Repräsentanten empört die Linken zu Recht, sondern auch die implizite Gleichsetzung mit der NPD und ihren Zielen.

Einen Tag nach der ministeriellen Stellung­nahme über eine im Bundestag vertretene Partei wurde bekannt, dass die betroffenen 27 Abgeordneten beileibe nicht nur mit ­“offenen Mitteln“ beobachtet werden, wie Bundesverfassungsschutzchef Fromm versicherte. Der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes Hans-Werner Wargel offenbarte einen Tag nach Friedrich, dass einzelne Politiker der Linken auch mit „punktuell nachrichtendienstlichen Mitteln“ observiert würden.

Bereits zu Beginn der Überwachung des muslimischen Mainstreams in Deutschland unter dem damaligen Innenminister Otto Schily erkannten viele Menschen, dass ein allgemeines Klima des Verdachts nicht mit der Stigmatisierung der betroffenen Minderheit enden wird. Akzeptiert eine Gesellschaft einen Geist des kollektiven Verdachts, darf es nicht verwundern, wenn ihre nicht-öffentlichen Organe diesen verinnerlichen und – dank mangelnder Debatte – auch auf weitere Andersdenkende ausweiten. Erschwe­rend kommt hinzu, dass die jeweiligen Behörden heute nicht nur beobachten, sondern – wie es auch beim Islam der Fall ist – selbst festlegen, was verfassungsfeindlich sein soll und was nicht.