Die Wissenschaft belegt: Esst mit euren ­Kindern! Anmerkungen von Anna Fishel

Ausgabe 239

(TMO). Als Familientherapeutin habe ich oft den Impuls, Familien den Rat zu geben, heimzugehen und zu essen, anstatt eine Stunde bei mir zu verbringe. Und 20 Jahre Forschung in den USA, Europa und Australien stützen meine Begeisterung für Familienmahlzeiten. Es hat sich erwiesen, dass das gemeinsame Sitzen und Essen gut fürs Gehirn, den Körper und den Geist ist. Dafür braucht es weder Gourmetküche, die lange Vorbereitungszeit brauchen, noch ausgefallene Bioprodukte.

Nahrung fürs Hirn
Wissenschaftler wissen, dass Unterhaltungen am Tisch für den Wortschatz junger Kinder besser ist als Vorlesen. Die Forscher zählten seltene Wörter – die sich nicht in den 3.000 üblichen Wörtern finden –, die Familien beim Abendessen benutzten. Junge Kinder lernten tausend davon – im Vergleich zu 143, die sie von ihren Eltern erlernen, wenn diese vorlesen. Kinder mit einem großen Wortschaft lesen früher und leichter.

Ältere Kinder nutzen die gemeinsamen Mahlzeiten intellektuell. Für Jugendliche in der Schule sind sie ein noch stärkerer Einfluss für gute schulische Leistungen als manche Zeit bei der Hausarbeit, Sport oder Kunst. Andere berichteten über einen stabilen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Essens im Familienkreis und schulischen Leistungen. Heranwachsende, die 5-7 Mal wöchentlich im Kreis der Familie essen, gelang es doppelt so häufig, Bestnoten an der Schule zu bekommen als solche Jugendliche, die weniger als zwei Mal pro Woche zusammen essen.

Gut für den Körper
Kinder, die mit ihrer Familie essen, nehmen mehr Früchte, Gemüse, Vitamine und Spurenelemente zu sich; und weniger Frittiertes und Softdrinks. Und der Nutzen zahlt sich auch nach der Kindheit aus: Junge Erwachsene, die als Teenies regelmäßig mit der Familie aßen, neigten weniger zu Fettleibigkeit und ernähren sich gesünder, sobald sie alleine leben. Einige Arbeiten belegen einen Zusammenhang zwischen den Mahlzeiten und der Verringerung medizinischer Symptome wie Asthma. Der Grund dafür könnte in zwei, möglichen Nebenprodukten des Essens im Familienkreis liegen: ein geringeres Stressniveau sowie die Chance, die Einnahme etwaiger Medikamente der Kinder zu gewährleisten. Es ist nicht nur die Präsenz gesunder Lebensmittel, die Stimmung bei Tisch ist auch wichtig. Eltern müssen warmherzig und anteilnehmend sein, anstatt zu kontrollieren und beschränken.

Aber all das kann anders aussehen, wenn der Fernseher läuft. Bei amerikanischen Kindern im Kindergartenalter wurde festgestellt, dass die Kleinen, wenn sie während der Nahrungsaufnahme Fernsehen gucken, bereits in der dritten Klasse wahrscheinlicher übergewichtig sind. Eine Verbindung zwischen TV-Konsum im Laufe einer Mahlzeit und Übergewicht wurde auch in Schweden, Finnland und Portugal beobachtet.

Soul Food
Zusätzlich sehen viele Studien einen Zusammenhang zischen regelmäßigen Mahlzeiten und dem Absinken eines Bündels von riskantem Teenagerverhalten: Rauchen, Komasaufen, Marihuana-Gebrauch, Gewalt, Schulprobleme, Essstörungen sowie frühzeitiger sexueller Aktivität.

Im Rahmen einer Erhebung unter 5.000 Teenagern im US-Bundesstaat Minnesota zogen die Forscher den Schluss, dass regelmäßige Familienmahlzeiten im Zusammenhang mit geringeren Raten bei Depressionen und Selbstmordgedanken steht. Das Essen ist wohl eine bessere Prävention gegen hochriskantes Verhalten als Kirchenbesuche oder gute Noten.

Es gibt auch Verbindungen zwischen regulären Mahlzeiten und gutem Verhalten, nicht nur mit der Abwesenheit von schlechten. In Neuseeland wird eine größere Häufigkeit des familiären Essens und positiven Stimmungen unter Heranwachsenden nahegelegt. Andere Wissenschaftler sind überzeugt, dass Teenies, die häufig mit ihren Familien essen, eine positivere Sicht auf die Zukunft haben als andere.

Magie der Mahlzeit
In den meisten Industriestaaten beackern Familien nicht den Boden, musizieren nicht und nähen keine Steppdecken auf der Veranda. In einer Umfrage antworteten US-Teenager, dass sie am wahrscheinlichsten beim Essen mit ihren Eltern reden werden. Solche Kinder und Jugendlichen erleben weniger Stress und haben eine bessere Beziehung zu ihren Eltern. Die Familientafel ist wie ein Sicherheitsgurt auf der Schotterpiste der Kindheit und Jugend sowie all ihrem Risikoverhalten.

Keine Frage, die wirkliche Macht des gemeinsamen Essen liegt in seiner zwischenmenschlichen Eigenschaft. Sitzen die Familienmitglieder in absoluter Stille, schreien die Eltern sich an oder schimpfen ihre Kinder aus, dann hat das Ganze keine positive Wirkung.

Sich ein Brathähnchen zu teilen, wird die Eltern-Kind-Beziehung nicht magisch verwandeln. Aber die Mahlzeit könnte die Zeit des Tages sein, in der Kinder und Eltern eine positive Erfahrung teilen können. Ein leckeres Essen, ein Witz oder eine Geschichte – all diese kleinen Momente können so viel Schwung verleihen, um eine stärkere Bindung jenseits der Tafel zu schaffen.

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