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Doku über die US-Wahlen

Foto: Ryota Nakanishi | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Agent provocateur spielt Michael Moore in den USA schon lange. Im neuen Film „Trumpland“ tauscht er beißende Satire gegen ein Loblied auf Hillary Clinton. Es ist ein neuer, ganz anderer Moore – und vielleicht gerade deshalb seine schärfste Waffe gegen Donald Trump.
New York (dpa). Seine ersten Tage als US-Präsident verbringt Donald Trump dem Filmemacher Michael Moore zufolge etwa so: Statt wie üblich von der Vereidigung am Kapitol zum Weißen Haus zu fahren, fliegt er einfach mit dem Trump-Helikopter rüber. Dann lässt er mexikanische Grenzstädte bombardieren, ordnet willkürliche Durchsuchungen der Polizei in ganz USA an und startet eine Reality-Serie in seinem eigenen TV-Kanal. Weil es im Weißen Haus kein Penthouse gibt, zieht er sich dann aber in seinen Beach Club Mar-a-Lago in Florida zurück.
Dieser satirische Ausblick auf einen Wahlsieg des Republikaners ist dann aber auch das einzige, was an Michael Moores neuem Film nach einem typischen Michael Moore aussieht. Das überraschend angekündigte und am Dienstag in New York vorgestellte Werk passt nicht zur sonst üblichen Filmsprache des 62-Jährigen, der die Mächtigen gern vor die Kamera holt, um unbequeme Fragen zu stellen – zum Bankwesen, zu Schusswaffen, zur Terrorismusbekämpfung oder dem Gesundheitssystem.
Stattdessen ist „Michael Moore in Trumpland“ eine Ein-Mann-Show mit Moore selbst in der Hauptrolle geworden. In der Trump-Hochburg Wilmington im Staat Ohio lädt er in ein Theater und erklärt rund 700 Zuschauern eine Stunde lang, was er an Hillary Clinton schätzt. Anders als im zur Schlammschlacht verkommenen US-Wahlkampf haut er nicht auf die Fehler seines Gegners, sondern hebt die Tugenden seiner Favoritin hervor. Die bittere, beißende Brandrede gegen Trump, auf die viele Fans wohl gehofft hatten, bleibt aus.
Bis zu sechs Stunden hatten sich die New Yorker am Kino angestellt, um eine der Freikarten für die Premiere zu ergattern. Sie erwarte „vor allem Entertainment“, sagt die aus New Jersey angereiste Stacey D’Arc etwa, der 33-jährige Colin DeVries hofft auf einen „scharfen Blick auf Donald Trump“. Bald hat sich die Warteschlange in eine spontane Anti-Trump-Party verwandelt, samt Papp-Aufstellern, Megafonen und dem Wahrsager-Automat, in dem eine Trump-Figur die Zukunft deutet. „Mach ein Foto von mir, wie ich dagegen pinkel“, sagt ein Teenager zu seinem Freund und zeigt der Puppe den Mittelfinger.
Doch auf diesen Ton lässt Moore sich nicht ein. „Ich wollte etwas Subversives machen, etwas, das niemand erwartet hätte“, sagt der Oscar-Preisträger nach der Vorführung. „Niemand braucht einen Film, der Dir sagt, dass Donald Trump ein riesiges Stück Scheiße und ein schrecklicher Mensch ist. Das ist der Grund, warum die Leute keine Dokumentationen sehen: Sie wissen schon, was der Film sagen wird.“ Witze über Trump schreibe der Republikaner dank seiner ausfallenden Bemerkungen ja sowieso jeden Tag selbst.
Was dem begabten Redner Moore an jenem Abend in Ohio gelingt, ist mit Hilfe von Humor und einem bewegenden Appell ein Brücke zu schlagen zwischen zwei Lagern im Saal – eine Brücke, die im Wahlkampf und im täglichen Hickhack zwischen Demokraten und Republikanern wieder und wieder eingebrochen ist. Er regt die Zuschauer an, nette Dinge über die sonst stets kritisierte und extrem unbeliebte Clinton zu sagen. „Wovor immer ihr Angst habt“, sagt Moore den Trump-Unterstützern im Saal, „es hat kein Kleid und keinen Hosenanzug an“.
Ein paar Gags auf Trump-Kosten leistet sich Moore natürlich trotzdem. Die Hispanics im Saal lässt er im Rang in eine Ecke setzen und durch eine Mauer von der Show abschotten, die Muslime in einer anderen Ecke werden sicherheitshalber von einer kleinen Drohne videoüberwacht. Trump, warnt Moore, sei ein menschlicher Molotowcocktail, eine aus Wut über die Missstände im Land geworfene Handgranate. Dessen Wahl werde sich wie das Brexit-Votum über den britischen EU-Austritt zunächst gut anfühlen – dann werde die Katerstimmung einsetzen.
Ob der in nur zwölf Tagen produzierte Film nur drei Wochen vor der Wahl einen großen Unterschied macht, ist offen. Rund 40 Kinos wollen „Trumpland“ zeigen. Doch für entschiedene Trump-Wähler ist der Name des ultraliberalen Moore, der sich bereits Ex-Präsident George W. Bushs Politik vorknöpfte, ein rotes Tuch. Falls Trump gewinnen oder Clinton ihre Versprechen nicht einlösen sollte, hat Moore aber schon einen Plan (und damit sicher auch einen neuen Film) parat: Im Jahr 2020 wird er einfach selbst kandidieren.