Echte Gefahr

Ausgabe 300

Foto: Ananya Bhardwaj, ThePrint

(Agenturen) Indien ist zu einem Zentrum von Muslimfeindlichkeit in Asien geworden. Berichte über Unterdrückung der großen muslimischen Bevölkerung gehen täglich inmitten des Coronavirus oder der COVID-19-Pandemie ein.

Steigende anti-muslimische Rhetorik, Hassverbrechen, Verletzungen der Rechte muslimischer Bürger, die Beschuldigung, diese seien für die Verbreitung der Pandemie verantwortlich sowie das polizeiliche Vorgehen gegen Studenten und Aktivisten warfen ernsthafte Fragen zum Stand der Demokratie in dem Land auf. Während Staaten weltweit Inhaftierte entlassen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, war die indische Regierung unter Premierminister Narendra Modi eifrig dabei, Aktivisten zu verhaften und die ­Gefängnisse zu füllen.

Laut der in Indien ansässigen Webseite „Newsclick“ wurden muslimische Journalisten, Aktivisten und Studenten verhaftet. Das geschah kurz nach Einsetzungen des indischen Lockdowns vom 25. März zur Eindämmung der Pandemie. Das Vorgehen wurde mit den strengen Bestimmungen des Gesetzes zur Verhütung illegaler Aktivitäten (UAPA) begründet. Zu den Festgenommenen gehören auch Gelehrte und Studenten wie Safura Zarfar, Miran Haider und Shifaur Rahman von der Jamia Millia Islamia Universität (JMI) sowie Umar Khalid und Sharjeel Imam von der Jawaharlal Nehru University (JNU). Des Weiteren setzten die Behörden kaschmirische Journalisten wie Masrat Zahra, Gauhar Geelani und Peerzeda Ashiq sowie die Aktivisten Khalid Saifi, Ishrat Jehan und Gulfisha Kawalpreet fest. Außerdem wurde der Vorsitzende der Minderheitenkomission von Delhi, Zaraul Islam, aufgrund dieser Gesetze inhaftiert. Ihm wurde zur Last gelegt, dass er sich bei der kuwaitischen Regierung auf Twitter für deren Einsatz der indischen Muslime ­bedankt hatte.

Die Polizei warf ihnen vor, aufrührerische Reden bei den Protesten vor einigen Monaten zu führen. Konkrete Vorwürfe betreffen Mordversuch, Aufstachelung zur Unruhe und Hass gegen Gruppen aufgrund ihrer Religion. Journalisten in der umstrittenen Region von Jammu-Kaschmir stehen vor einer vergleichbaren Lage. Sie sind aufgrund strenger Regeln zu Veröffentlichungen in sozialen Medien und ihrer journalistischen Arbeit angeklagt.

In einer am 6. Mai veröffentlichten Erklärung forderte Amnesty International die indische Regierung auf, die Anklage gegen Zargar, Haider, Rahman und Khalid unverzüglich fallen zu lassen. Die globale Menschenrechtsorganisation beschrieb diese Verhaftungen als Angriff auf die Meinungsfreiheit. Sie bat Indiens Regierung, das harte UAPA-Gesetz zu ändern, um es teilweise mit den internationalen Menschenrechtsgesetzen und -standards in Einklang zu bringen.

In einer anderen Erklärung vom 22. April bezeichneten die Menschenrechtler die Maßnahmen von Indiens Polizei gegen die Journalisten Kaschmirs als Versuch zur Blockade von Presse- und Meinungsfreiheit. Die Organisation rief Delhi auf, die Anklagen fallen zu lassen und die Inhaftieren freizulassen, nur weil sie ihre Rechte in Anspruch nahmen.

Nach Beschreibung der auflagenstarken, englischsprachigen Tageszeitung „The Telegraph“ aus Kalkutta gäben diese Anti-Terror-Gesetze den Behörden umfangreiche Verfügungsgewalt. Demnach könne eine Person ohne Anklageerhebung bis zu 180 Tagen hinter Gitter landen. Und die Gefangenen könnten nicht gegen Kaution freigelassen werden.

Das Gesetz ermächtigt die Regierung zusätzlich, Einzelpersonen oder Organisationen zu Terroristen oder Terrororganisationen zu erklären. Die Anwendung des Antiterrorgesetzes gegen Studenten, Aktivisten und Journalisten hat in der gesamten Zivilgesellschaft Ängste geweckt.

Politik und Medien nutzten vorherige Treffen muslimischer Gruppierungen wie der Tablighi Jamaat. Sie warf ihnen die Nichtbeachtung von Distanzregeln vor, was zu einer Ausbreitung der Pandemie geführt habe. Diese Kampagne führte an vielen Orten dazu, dass Muslime keine Märkte, Apotheken, Krankenhäuser und Wohnanlagen betreten durften.