Frankreich: „Ihr spaltet uns nicht!“

Screenshot: YouTube, EuroNews

Paris (KNA/dpa/iz). In ganz Frankreich haben am Sonntag Zehntausende an Trauerkundgebungen für den bei einem offenbar islamistischen Anschlag getöteten Lehrer Samuel Paty teilgenommen. Um 15 Uhr klatschten die Menschen minutenlang auf der Pariser Place de la Republique. Französischen Fernsehberichten zufolge hielten viele Teilnehmer Schilder mit der Aufschrift „Je suis Prof“ oder „Je suis enseignant“ (dt.: Ich bin Lehrer) in die Höhe.

Das 47-jährige Opfer war am 16. Oktober in dem Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine nach Angaben der französischen Staatsanwaltschaft von einem 18-jährigen Muslim mit russisch-tschetschenischen Wurzeln mit einem Messer enthauptet worden. Der Angreifer wurde kurz nach der Tat von der Polizei erschossen. Inzwischen sind elf Personen aus der Familie und dem näheren Umfeld des Mannes festgenommen worden.

Grund für den Mordanschlag auf Paty ist nach bisherigen Erkenntnissen, dass der Geschichts- und Geografielehrer in seinem Unterricht die Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte, um mit den Schülern über Meinungs- und Glaubensfreiheit zu diskutieren. Den muslimischen Schülern stellte er zuvor frei, die Bilder anzusehen. Dennoch soll er damit Proteste muslimischer Eltern erregt und auch Drohungen erhalten haben.

Staatspräsident Emmanuel Macron hatte die Bluttat am Freitagabend bei seinem Besuch am Tator als „eindeutig islamistisches Attentat“ bezeichnet. „Ich rufe alle unsere Landsleute auf, zusammenzustehen, vereint zu sein“. Das Opfer habe seine Schüler gelehrt, dass man die Freiheit habe, etwas zu glauben oder auch nicht zu glauben. Dafür sei der Mann getötet worden. „Sie werden damit nicht durchkommen“, so Macron mit Blick auf die Islamisten.

Regierungssprecher Gabriel Attal sagte dem Sender BFM TV, dass diejenigen, die sich an dieser öffentlichen Lynchjustiz beteiligt hätten, auch eine Verantwortung tragen würden. ”Ich bin nicht das Justizsystem, ich bin nicht die Polizei, es laufen Ermittlungen, diese Menschen sind in Polizeigewahrsam, aber wir brauchen eine absolut beispielhafte Antwort in dieser Frage.“

Im Verteidigungsrat wurde laut Élyséekreisen außerdem beschlossen, die Überwachung von Online-Plattformen zu intensivieren, um bei Gewaltaufrufen schneller tätig werden zu können. Außerdem sollen radikale Vereinigungen identifiziert und ein geeigneter rechtlicher Rahmen zu deren Auflösung gefunden werden.

Macron hatte bereits Anfang Oktober in einer Rede angekündigt, stärker gegen Radikalisierung vorzugehen. Dabei hatte der Staatschef vor allem die Bildung in den Blick genommen – ein entsprechender Gesetzentwurf soll im Dezember vorgelegt werden. Macron kündigte etwa an, dass Fernunterricht von Kindern, die zu Hause bleiben, ab dem kommenden Sommer strikt eingegrenzt werden soll.

Gleichzeitig gehen in Paris die Ermittlungen nach der brutalen Ermordung weiter. Mehrere Menschen befanden sich am Sonntag noch in Polizeigewahrsam. Der Angreifer mit russisch-tschetschenischer Herkunft hatte nach seiner Tat im Netz damit geprahlt und geschrieben, der Lehrer Paty habe den Propheten herabgesetzt.

Der Großimam von Bordeaux, Tarek Oubrou, verurteilte das Attentat scharf und verteidigte das Recht, die Mohammed-Karikaturen zu zeigen. „Gott hat dem Menschen die Erlaubnis gegeben, das Göttliche zu karikieren“, sagte er laut dem Sender BFM TV. Theologisch lasse sich das aus den religiösen Texten begründen. Es sei notwendig, Schülern Toleranz und Offenheit zu lehren.

Auch deutsche Muslime diskutierten die Pariser Untat. „Solche Taten sind abscheulich“, schrieb der muslimische Blogger und Autor Akif Şahin. Solche Ereignisse fänden „in keinem luftleeren Raum statt“. Frankreich müsse sich mit seinem Laizismus, seiner Kolonialgeschichte und der Frage, wie es Muslime wirklich integrieren will, auseinandersetzen. „Solange es hier keine Fortschritte und Bemühungen gibt, sind solche Homegrown-Attentate leider auch Teil der französischen Realität.“

Es sei ein „unglaublicher Mordakt“, so Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). „Der Terror darf nicht die letzten Worte haben. Alle müssen Verantwortung zeigen.“ Er sei überzeugt, eine gemeinsame Antwort auf diese globale Bedrohung zu finden. Der Vorsitzende des Islamrats, Burhan Kesici, beschreibt die Tat als einen „unmenschlich brutalen Mord“.

„Ein abscheulicher Mordakt ist das in #paris“, postete Zentralratschef Aiman Mazyek am gleichen Abend auf Facebook. Fassungslos trauere er mit den Angehörigen des Opfers. „Terror ist eine Gefahr für uns alle, er will neben den Tod die Zerstörung der Gesellschaft. Kämpfen wir gemeinsam dagegen.“ (sw)