Hintergründe: Welcher Einfluss wird auf die Arbeit eines Untersuchungsausschusses genommen?

Berlin (GFP.com). Der angekündigte Rückzug des CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter aus dem NSA-Untersuchungsausschuss verweist erneut auf die systematische Behinderung der Ausschussarbeit durch den Bundesnachrichtendienst (BND). Kiesewetter begründete seinen Rücktritt am vergangenen Wochenende damit, dass zwei Angehörige des von ihm geleiteten Reservistenverbandes der Bundeswehr heimlich für den BND gearbeitet hätten. Daraus möglicherweise resultierenden “Zweifeln” an seiner “Unvoreingenommenheit” wolle er nun “entgegenwirken”.

Das parlamentarische Untersuchungsgremium, dem Kiesewetter als Obmann der CDU angehört, hatte sich in der Vergangenheit mehrfach mit der Zusammenarbeit zwischen NSA und BND befasst – und war dabei wiederholt vom deutschen Auslandsgeheimdienst massiv getäuscht worden. Unter anderem berichteten die Abgeordneten von bewusst zurückgehaltenen Akten, dreisten Lügen und offenen Drohungen.

Demgegenüber erklärte der Präsident des BND, Gerhard Schindler, er gehe mit einem “guten Gefühl” in die “Diskussion” über die Kooperation mit den US-Geheimdiensten. Dass diese die von seinem Spionageapparat erhobenen Daten für Drohnenangriffe und illegale Hinrichtungen nutzen, problematisierte er nicht.

Kompromittiert
Wie am vergangenen Wochenende bekannt wurde, wird der Obmann der CDU im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter, seinen Posten zum 1. März dieses Jahres aufgeben, weil er sich vom Bundesnachrichtendienst (BND) getäuscht sieht. Ursprünglich hatte Kiesewetter seinen Schritt damit begründet, er müsse sich in Anbetracht “aktuelle(r) außenpolitischer Herausforderungen” auf andere “Wahlämter” konzentrieren.

Gegenüber der deutschen Presse verwies der Politiker, der zugleich als Präsident des “Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr” (VdRBw) fungiert, jetzt darauf, dass zwei Mitglieder des VdRBw jahrelang ohne sein Wissen für den BND gearbeitet hätten. Wörtlich erklärte Kiesewetter: “Nachdem ich von den Vorgängen im Reservistenverband erfuhr, habe ich die Arbeit des Verbandes durch den Bundesnachrichtendienst kompromittiert gesehen. Um möglichen Zweifeln an meiner Unvoreingenommenheit im NSA-Untersuchungsausschuss entgegenzuwirken, habe ich mich konsequent und rasch entschieden, als Obmann zurückzutreten.”

Eine Drohkulisse
Der Vorfall steht in einer langen Reihe von Ereignissen, die dokumentieren, dass der BND vielfach versucht hat, die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses zu torpedieren. So beschwerten sich die Ausschussmitglieder erst letzte Woche bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) über die massive Behinderung ihrer Arbeit durch den deutschen Auslandsgeheimdienst.

Dem war eine gezielt lancierte Indiskretion seitens der BND-Spitze vorangegangen: In einer ausdrücklich nicht als geheim deklarierten Sitzung des parlamentarischen Aufklärungsgremiums hatten BND-Präsident Gerhard Schindler und der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, detailliert von einer gemeinsam mit britischen “Partnern” durchgeführten “europaweite(n) Überwachungsaktion aus dem Jahr 2013” berichtet. Daran schloss sich die Warnung an, die referierten Fakten auf keinen Fall zu veröffentlichen, da dies “schwerwiegende Konsequenzen” für die Geheimdienstkooperation zwischen Deutschland und Großbritannien nach sich ziehen könne. Dessen ungeachtet konnten die Ausschussmitglieder am nächsten Tag folgendes in der deutschen Presse lesen: “Der britische Abhördienst 'Government Communications Headquarter' (GHCQ) befürchtet, dass durch die Offenlegung seiner Akten im Ausschuss in Berlin streng geheime Details über Kryptologie und Einsatztechnik offenbart werden.”

Die parlamentarischen Aufklärer erblickten hierin den gezielten Versuch, die Arbeit des Untersuchungsgremiums in Misskredit zu bringen; der Abgeordnete der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Hans-Christian Ströbele, sprach sogar davon, BND und Kanzleramt wollten eine “Drohkulisse” aufbauen.

Auf der Basis von Metadaten
Ebenfalls in der vergangenen Woche wurde publik, dass der BND täglich 220 Millionen Telefonverbindungsdaten erfasst und diese zumindest teilweise an US-Geheimdienste weiterleitet. An diesen so genannten Metadaten lässt sich ablesen, wer wann wo mit wem wie lange kommuniziert, was wiederum die Erstellung von Persönlichkeits-, Beziehungs- und Bewegungsprofilen ermöglicht. Die USA nutzen die auf diese Weise gewonnen Erkenntnisse für meist per Drohnenangriff vorgenommene illegale Hinrichtungen, was der ehemalige CIA- und NSA-Leiter Michael Hayden 2014 unumwunden einräumte: “Wir töten Menschen auf der Basis von Metadaten.”

Der BND ist seinerseits nach Kräften bemüht, die hierin zum Ausdruck kommende völker- und menschenrechtliche Problematik herunterzuspielen. So ließ er etwa einen seiner Unterabteilungsleiter in der Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses am 5. Februar erklären, die an US-Geheimdienste übermittelten Metadaten bewegten sich im “Promillebereich”. Schon zuvor hatte der deutsche Spionageapparat seine Mitarbeiter angewiesen, entsprechende Fragen von Parlamentariern “nur reaktiv” zu beantworten – also nur dann, wenn die Abgeordneten ultimativ nach Aufklärung verlangten.

Mit den Akten nicht zu vereinbaren
Bereits im vergangenen Jahr führte das Aussageverhalten von BND-Mitarbeitern zu hitzigen Kontroversen im NSA-Untersuchungsausschuss. Wie der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) Anfang Dezember 2014 erklärte, sei immer wieder festzustellen, dass Zeugen aus den Reihen des deutschen Auslandsgeheimdienstes Angaben machten, “die mit den Akteninhalten nicht zu vereinbaren sind”. Mehrfach mussten Ausschusssitzungen unterbrochen oder gar ganz abgebrochen werden, weil der BND die von den Parlamentariern geforderten Informationsmaterialien nicht oder nur in lückenhafter Form zur Verfügung gestellt hatte.

„Nicht auf dem Ponyhof”
Demgegenüber zeigt sich die BND-Spitze von jeglicher Kritik unbeeindruckt. “Ohne internationale Zusammenarbeit könnte der BND seinen Auftrag noch nicht einmal ansatzweise erfüllen”, erklärte erst unlängst der Chef der deutschen Auslandsspionage, Gerhard Schindler. Zur geheimdienstlichen Kooperation gehöre auch der “Austausch von personenbezogenen Daten”, selbst wenn diese wie im Fall der USA für illegale Tötungen genutzt würden, ließ Schindler wissen: “Angehörige von Kern-Al Qaida oder Taliban-Kommandeure kann man nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn man sie identifiziert.”

Ganz ähnlich hatte sich zuvor der nun durch das Verhalten des BND zum Ausscheiden aus dem NSA-Untersuchungsausschuss genötigte CDU-Politiker Roderich Kiesewetter geäußert. Wie er einem deutschen Rundfunksender sagte, erwarteten insbesondere die USA, “dass Deutschland einen leistungsfähigen Auslandsnachrichtendienst hat” – mit allen daraus resultierenden Konsequenzen bei der Abwehr “terroristischer Gefahren”: “Wir sind hier nicht auf dem Ponyhof.”