Muslime in der europäischen Medienlandschaft

Ausgabe 205

(KRM/Vodafone-Stiftung). Fast 90 Prozent der im Rahmen einer aktuellen Medienstudie befragten Muslime fühlen sich von etablierten Medien in Deutschland und Großbritannien nicht repräsentiert. Sie beklagen eine stereotype Darstellung der Muslime und ein respektloses mediales Bild des Islam. Rund 60 Prozent der Befragten in Deutschland fühlen sich durch Berichte über Islamfeindlichkeit bedroht.

Dennoch ist die Vorstellung einer „parallelen Mediengesellschaft“ nicht angemessen, um die Mediennutzung von Muslimen zu beschreiben. Vielmehr erscheinen Muslime mit Migrationsgeschichte mehrheitlich als kritische Mediennutzer. Dies sind die zentralen Ergebnisse des Forschungsprojekts „Muslime in der europäischen Medienlandschaft“.

„Gerade Studien, die sich kritisch mit einer gesellschaftlich relevanten Thematik wie der Medienlandschaft und dem Umgang von Muslimen mit Medien beschäftigen, sind sehr zu begrüßen“, kommentiert der Sprecher des Koordinierungsrats der Muslime Ali Kizilkaya. Besorgniserregend sei die Empfindung vieler Muslime, dass sie sich von islamfeindlichen Berichterstattungen bedroht fühlten. „Wenn Muslime in den Medien häufig in negativen Zusammenhängen als Angehörige des Islams besonders hervorgehoben werden, darf man sich über solch eine Wahrnehmung nicht wundern“, stellte der KRM Sprecher fest.

Stereotype Darstellung
Die Gesellschaften Europa werden vielfältiger und seine Medienlandschaft ändert sich. Vor diesem Hintergrund untersuchten deutsche und britische Wissenschaftler in de Studie, wie Medienproduktion und -nutzung sowie die Beziehungen gesellschaftlicher Gruppen zusammenhängen. Die Forscher sprachen mit deutschen und britischen Journalisten, die in Mainstream-Medien und in Sparten-Medien arbeiten. Neben einer nicht repräsentativen Online-Befragung in beiden Ländern wurden Fokusgruppen mit muslimischen und nicht-muslimischen Mediennutzern gebildet.

Warum diese Studie?
„Die Zahl der medialen Migrantinnen und Migranten nimmt eher zu als ab“, sagt Professor Dr. Andreas Zick vom IKG. „Zu ihnen gehören zu einem großen Teil Menschen, deren Identität medial muslimisch geprägt ist.“ Hinzu kommt, dass der Islam und sein Integrationspotenzial medial an prominenten Stellen diskutiert werden – ebenso wie Stereotype und Vorurteile über Muslime. „Etwa vier Millionen Menschen in Deutschland sind muslimisch, und sie konsumieren Medien teilweise als Muslime“, so Zick. Trotzdem spiele der Islam in den etablierten Medien eine Außenseiterrolle.

„Der besondere Erkenntniswert des Forschungsansatzes liegt aus unserer Sicht in der vergleichenden Perspektive auf Großbritannien und Deutschland. Durch eine Analyse des Mediennutzungsverhaltens und der subjektiven Wahrnehmungen der medialen Inhalte wollen wir die Diskussion über das mediale Bild des Islam weiter anregen“, sagt Dr. Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland.

In dem Forschungsprojekt ging es unter anderem darum, ob sich aktuell getrennte Mediengesellschaften entwickeln – und dies mit Blick auf muslimische Gemeinschaften. Eine gängige Befürchtung sei, dass Muslime sich durch die Nutzung eigener Medien von der deutschen Gesellschaft abschotten, so Andreas Zick. Ein Ergebnis: Ein Großteil der befragten Personen muslimischen Glaubens nutzen sowohl deutsch- als auch anderssprachige Medien. Sie beschreiben die Nutzung von Medien aus verschiedenen Kulturen als Bereicherung, weil sie so etwa verschiedene Sichtweisen auf ein Thema erhalten. „Es gibt in unserer Studie damit keinen Befund für eine parallele oder abgeschottete Mediengesellschaft von Muslimen in Deutschland”, so Zick. Auffällig sei demnach, dass eine hohe Anzahl von Personen Spartenmedien nutzt – also Medien, die besondere Bedürfnisse befriedigen. Dazu gehören auch Medien, die Themen aufbereiten, die Menschen mit muslimischem Hintergrund interessieren.

Nicht repräsentiert
Wie die Online-Befragung der Forscher zeigt, bleiben dennoch Mainstream-Medien, also Sender, Zeitungen und Internetangebote, die sich an die breite Masse wenden, für die Mehrheit der Muslime und Nicht-Muslime in Deutschland und Großbritannien die wichtigste Quelle, wenn es um Nachrichten geht. Das erscheint verwunderlich – denn nur die Minderheit der muslimischen Befragten in Deutschland (16,5 Prozent) hat den Eindruck, dass etablierten Medien für ihre Bedürfnisse und Interessen sorgen, in Großbritannien äußert ein fast doppelt so hoher Anteil (28,6 Prozent) der muslimischen Befragten, dass er sich von Mainstream-Medien vertreten fühlt.