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Neue Handreichung gegen Radikalisierung

Ausgabe 295

Foto: Schängel, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

(iz). Das Problem, ob und inwieweit „der Islam“ für die Radikalisierung von Jugendlichen in Verantwortung gezogen werden könne, ist in Deutschland nicht nur aktuell, es wird auch innerhalb und außerhalb der muslimischen Gemeinschaft diskutiert. Parallel dazu bleibt die Frage im Offenen, inwiefern eine fundierte Kenntnis der islamischen Tradition dazu beitragen kann, religiös begründetem Extremismus erst gar nicht aufkommen zu lassen oder dem durch Dekonstruktion auf theologischer Basis aktiv entgegenzuwirken. Das ist eine der Ansatzpunkte des Projekts Al-Etidal.

Das Bremer Präventionsvorhaben (in Trägerschaft der SCHURA Bremen) hat jüngst seine Handreichung „Salafismus und religiös begründeter Extremismus unter Jugendlichen. Eine Analyse aus ­Perspektive bekenntnisorientierter Präventionsarbeit“ veröffentlicht. Die vom Bremer Senat und dem Bundesfamilienministerium (im Rahmen seines Programms „Demokratie leben!“ Studie wurde wissenschaftlich von den Islamwissenschaftlern beziehungsweise Theologen Dr. Ali Ghandour, Bacem Dziri und Matthias Schmidt begleitet.

Mit dem Dokument erhoffe sich das Projekt „Al-Etidal“ und der Trägerverein Schura Bremen auf die Sichtbarkeit muslimischer Auseinandersetzung mit religiös begründetem Extremismus in Deutschland zu verweisen. Der gegenwärtige pädagogisch-wissenschaftliche Diskurs solle dabei durch eine theologische Innenperspektive um den Faktor Religion ergänzt werden, um die Entwicklungsprozesse von Jugendlichen ganzheitlich zu erschließen.

Das Dokument richtete sich insbesondere an MultiplikatorInnen der Bildungsarbeit und an JugendarbeiterInnen in Moscheen. Der Name selbst, der so viel wie Ausgewogenheit, Gleichgewicht und Gerechtigkeit verdeutlichen sollen, soll die muslimische Auseinandersetzung „mit religiös begründetem Extremismus“ sichtbar machen und stärken.

Nach fünf Jahren, so die Einführung der Handreichung, könne das Projektteam zufrieden auf viele Erfahrungen zurückblicken. Mit ihr wolle man diese mit einem weiteren Kreis teilen. Sie fasst die Absicht zusammen, eine muslimische Position zu radikalisierten Haltungen und Meinungen zu dokumentieren. Gleichzeitig sollen diese mit praktischen Maßnahmen unterfüttert werden.

Es geht den MacherInnen unter anderem um eine Dekonstruktion „problematischer Begriffsdekonstruktionen und Fragestellungen“. Was genau sei Salafismus und wodurch unterscheide sich dieser vom Religionsverständnis der meisten Muslime? Was genau bedeute Radikalität und wie lasse sich solch eine Tendenz basierend auf Erfahrungswerten erkennen?

Als Form der Darstellung wurde die Form des Comics gewählt. Sie solle ­LeserInnen „den Zugang zur Thematik“ erleichtern. Mithilfe von Bildsprache solle ein passender Einstieg in verwickelte ­Fragen geschaffen werden. „Die Bildgeschichten können vielschichtige theologische Sachverhalte aber auch Erfahrungswelten von muslimischen Jugendlichen greifbar machen, und erheben durch die künstlerische Abstraktion zeitgleich keinen Wahrheitsanspruch.“

Nach seiner Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex gibt die Bremer Handreichung auch Empfehlung für die Arbeit muslimischen Jugendlichen. In einer definitorischen Einführung sprachen sich ihre AutorInnen für eine nötige Differenzierung der benutzten Begriffe aus. Insbesondere in der Praxis reflektiere die benutzte Terminologie der Präventionsarbeit „nicht die Lebensrealität wieder“. Außerdem müsse der Faktor Religion mitbedacht werden.

In praktischer Hinsicht brauchten muslimische „vorurteilsfreie Räume für die Auseinandersetzung mit ihrer Religiosität“. Gleichermaßen dürfe man sie nicht auf ihre Religionszugehörigkeit reduzieren, sondern müsse weitere Ebenen wahrnehmen. Je nach Zielgruppe müssten auch geschlechtsspezifische Angebote in Betracht gezogen werden. Nicht nur hier: Generell solle sowohl bei der Konzeption als auch bei der Realisierung ­pädagogischer Maßnahmen die Lebenswirklichkeit muslimischer Jugendlicher miteinbezogen werden. Das sind nicht die einzigen vorgeschlagenen Maßnahmen. Die Handreichung formulierte eine ganze Reihe.

Sie richtet ihr praktisches Augenmerk allerdings nicht nur auf die Jugendlichen, sondern formuliert auch Angebote im Umgang mit Moscheegemeinden und muslimischen Verbänden. Denn gerade die lokalen Gemeinden erreichten via ihrer Räume häufig Menschen, „die über andere Regelstrukturen im Stadtteil nicht erreicht werden können“. Um Kommunikationsfehler auszuschließen, sei eine tiefere Auseinandersetzung hilfreich.

Link: al-etidal.de