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Die Stimmungsrepublik nach dem Terror von Solingen

Prediger solingen magdeburg

Nach Solingen: Wir Muslime müssen genau hinschauen, wer aus unseren Kreisen Stimmung macht. Oder gar unter dem Eindruck schwerer Verbrechen eine „Ja, aber“-Logik benutzt.

(iz). Die Muslime in Solingen wissen, was es heißt, wenn der ideologisch motivierte Wahnsinn zuschlägt. In der Stadt herrscht allgemeine Erschütterung angesichts der brutalen Messermorde eines mutmaßlichen IS-Terroristen. Neben die Trauer über die Verstorbenen tritt die Sorge um die Genesung der Schwerverletzten. Die Kommune ist wieder zu einem Symbol für Trauma geworden, die Zivilgesellschaft zu einer Trauergemeinde.

Nach Solingen: Stimmungen setzen sich durch

Kurz vor den Landtagswahlen im Osten setzen sich Stimmungen durch: Angst vor zu großer Immigration, Empörung über Straftaten, die von Flüchtlingen begangen werden und die offensichtliche Veränderung des Landes führen zu einer undurchsichtigen Mixtur. Neben der rationalen Forderung nach konsequenter Verfolgung von Verbrechen treten auch irrationale Fantasien.

Jede Stimmung fordert eine politische Umsetzung und setzt sich in neuen Möglichkeiten für ideologisches Gedankengut fort. Wir sehen die Akteure, die jetzt den Plural im Kampf gegen den Extremismus nutzen: die Syrer, die Immigranten, die Ausländer oder die Bürgergeldempfänger.

Keine „Ja, aber“-Logik unter Muslimen

Wir Muslime müssen genau hinschauen, wer aus unseren Kreisen ebenso Stimmung macht. Oder gar unter dem Eindruck schwerer Verbrechen eine „Ja, aber“-Logik benutzt. Die Taten in Solingen sind keine Reaktion beziehungsweise Konsequenz aus einer geopolitischen Situation. Sie sind perfide ausgeführte Morde ohne die Spur einer Rechtfertigungsmöglichkeit.

Die absolute Mehrheit der Muslime weiß ebenso, dass der Terrorismus und das ideologische Feld, das ihn nährt, niemals aus dem Islam heraus zu begründen sind. Die Taten der Terroristen erklären sich aus einer Mutation von muslimischen Elementen und dem modernen Nihilismus.

afd Rechtsextrem Bundestag

Foto: photocosmos1, Shutterstock

Jedes Verbrechen nährt antimuslimische Verschwörungstheorien

Wenig überraschend strickt die politische Rechte in Deutschland weiter an ihrer Verschwörungstheorie. Die Terroristen sind aus dieser Sicht demnach die Speerspitze des organisierten Islam und der Moscheegemeinden. Jede x-beliebige Tat eines Muslims wird aus dieser Logik heraus dem Islam zugerechnet.

Alle besonnenen Mitbürger werden – trotz der verständlichen Empörung über das Geschehen in Solingen – einsehen, dass das eine toxische Argumentation darstellt. Fakt ist, dass auch die Muslime keine ideologischen Gruppierungen oder vereinzelte Moscheen in diesem Land wollen, die Gewalt tolerieren.

Was jetzt nottut, ist keine Stimmungsrepublik, sondern eine sachliche und breite Debatte darüber, wie konkret künftige Verbrechen zu verhindern sind. Wer in Wahrheit nicht genau weiß, wie die Probleme zu lösen sind, wird dagegen weiter auf eine hitzige Stimmung, Polarisierung und auf das Ende jeder Differenzierung setzen.

Das ist ein Teufelskreis. Denn jegliche sprachliche Verrohung ist die Vorstufe neuer Exzesse. Wie eine solche Gesellschaft der politischen Extreme eines Tages aussehen wird, gehört zu den politischen Sorgen dieser Tage.

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Der hohe Preis des Extremismus

hizb extrem

Reflexionen über extremistische Politik, das nicht stattgefundene Ende der Geschichte und wie man seriöse Politik macht.

(Post Apathy). Radikale Politik endet in der Regel enttäuschend. Fast jede extreme Bewegung marschiert unter dem Banner von Blut und Eisen, um die Welt radikal nach ihren Vorstellungen umzugestalten, aber hinter dem Lärm kommen eher banale Lebensvisionen zum Vorschein. Von Ahmad Askary

Fast alle Bewegungen des letzten Jahrhunderts waren sich einig im Wunsch nach Wohlfahrtsstaaten, Hochgeschwindigkeitszügen (elektrisch), einem relativ technokratischen Regierungskabinett (oft unter einem ideologisch geprägten Staatsoberhaupt aus Gründen der Identitätsfindung), etc.

Welchen Preis bezahlt die Welt für den Extremismus?

Die Würde der Bezugsgruppe ist wichtig für sie. Ein Großteil der radikalen Politik läuft darauf hinaus, dass es um die Frage geht, warum „unsere“ Gruppe nicht über diese banalen Annehmlichkeiten verfügt. Unglücklicherweise führt der vermeintliche Charakter des Nullsummenspiels im Wettbewerb zwischen ihnen zu viel Blutvergießen und Chaos, obwohl ihre Visionen fast identisch sind.

Im Europa des 19. Jahrhunderts gab es zahlreiche nationalistische Bewegungen, die Revolutionen und eine nationale Homogenisierung (sprich: Völkermord) auslösten. Im 20. Jahrhundert griff diese Entwicklung auf den Rest der Welt über.

Heute, aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts können wir rückblickend fragen: Hat es sich gelohnt? Nach all dem Blutvergießen und den Kämpfen, in denen Millionen Menschen getötet, ins Exil getrieben und unterdrückt wurden, sind viele der damals entstandenen Nationalstaaten kaum noch funktionsfähig.

Wo stehen die Iren heute nach all dem Leid und dem Kampf, den sie durchgemacht haben? Der irische Nationalismus scheint ihnen nicht wirklich gut zu tun. Sie haben sich den Engländern angenähert und sprechen Englisch statt Gälisch. Sie haben den Katholizismus aufgegeben und sind der EU beigetreten. Polen ist auf dem gleichen Weg (abgesehen von Englisch). Wo steht Bulgarien (und der größte Teil des Balkans)? Die Jugend ist nach Deutschland ausgewandert.

Foto: John Smith, Shutterstock

Das größte Argument gegen Nationalismus

Das größte Argument gegen Ideologien wie den Nationalismus ist, dass die Mehrheit nach all dem Blutvergießen und den Kämpfen ein normales Leben nach US-Vorbild mit Konsum und dem Prinzip „leben und leben lassen“ führen wollen.

Ein anderes Beispiel ist der muslimische Extremismus. Die meisten „Islamisten“ wollen vordergründig nur einen Staat mit religiöser Identität; im Wesentlichen wollen sie ein funktionierendes Parlament, ein technokratisches Kabinett unter einer Kalifatsfigur und dann moderne Annehmlichkeiten wie Hochgeschwindigkeitszüge, eine Art Wohlfahrtsstaat usw. Kurz gesagt, ein Nationalstaatsmodell, das nach Religion und nicht nach ethnischer Zugehörigkeit differenziert. Was kein großer Unterschied ist.

Die Taliban führten eine epische Reihe von Kriegen gegen die Russen, sich selbst und eine von den USA angeführte westliche Koalition, die sich über mehrere Generationen erstreckte. Sie siegten, als sich die US-Truppen im August 2021 aus Kabul zurückzogen. Nachdem sie in den Tälern und Bergen von Khorasan gegen die mechanisierten Armeen zweier Weltreiche gekämpft hatten, sitzen die Kämpfer in ihren Büros und müssen den Krieg mit E-Mails und Tabellenkalkulationen führen.

Foto: Gage Skidmore, Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Aufstieg der neuen Rechten

Wir haben in der westlichen Hemisphäre mit der Wahl von Donald Trump, dem Aufstieg der „Alt-Right“, esoterischen Blogosphäre-Bewegungen und anderen rechtsgerichteten Dissidenten-Szenen zwischen 2016 und 2020 einen Vorgeschmack auf radikale Politik bekommen. Nachdem wir einige Hauptakteure dieser Initiativen beobachten durften, scheint es, dass die Mehrheit der extremen Galionsfiguren heute ausgebrannt sind, gecancelt wurden oder ihren Dissidentenstatus als Mittel genutzt haben, um Junior-Mitglieder der Hierarchie des Status quo zu werden.

Die meisten Menschen, die sich als „Dissidenten“ im Status quo bezeichnen, sind entweder bloße Ästheten oder vorübergehend ins Abseits geratene Aspiranten auf einen Platz in der Elite. Die mit Prosa um sich werfenden Edgelords und die Manifeste schwingenden „Reformer“ sollte man meiden.

Es mag ein Klischee sein, zu sagen, dass Fukuyama Recht hatte. Aber es gibt (derzeit) nichts, was über das von ihm formulierte Ende der Geschichte hinausgeht. All das Blut und das Leid, das aus religiösen, ethnischen und nationalen Gründen vergossen wurde, strebt nach dem, das wir heute haben. Warum also überhaupt mit den Extremen befassen, wenn dies in der Regel durch die Systeme erreicht werden kann/wird, die von den Radikalen aufgrund ihres vermeintlichen Mangels an Vitalität abgelehnt werden?

Gibt es Alternativen?

Wir schimpfen über die Ungerechtigkeiten der liberalen Demokratie und ihrer modernen prozeduralistischen Form. Aber was ist die Alternative? Erstens: Wir haben größtenteils die gleichen Absichten. Zweitens: Hat irgendjemand wirklich ein besseres System zur Erreichung dieser Ziele geschaffen?

Es scheint, als stehen wir derzeit vor diesen Alternativen: eine kommunistische Technokratie mit chinesischen Merkmalen und eine kapitalistische Technokratie mit amerikanischen Merkmalen. Selbst dann unterscheidet sich China metaphysisch nicht von der westlichen Zivilisation. Es hat diese genommen und sie „besser“ gemacht.

Es ist noch zu früh, um zu sagen, wer in wem aufgehen wird. Auf jeden Fall unterschätzen die Radikalen die welthistorischen Kräfte, die notwendig sind, um eine dritte Option zu schaffen bei Weitem und sie überschätzen ihre eigene Fähigkeit, diese global historische Macht zu sein.

Extremismus wird immer Anhänger haben – aber der Preis dafür ist hoch. Radikale enden entweder als Kanonenfutter oder geraten in ernsthafte Schwierigkeiten, weil sie etwas Dummes und der Gesellschaft Abträgliches tun. Ihre Ideologien sind es nicht wert, sein Leben dafür zu opfern. Nur um es für eine Vision zu verlieren, die sich als so banal erweist wie alles, was wir heute schon haben.

Der einzige Vorteil, den man aus dem Surfen in radikalen politischen Diskursen zieht, ist, dass man ein tieferes Verständnis für Macht, Zivilisation und die menschliche Natur entwickelt. Es ist von Zeit zu Zeit nützlich, „aus der Box herauszutreten“, sich von dummen, untergeordneten ideologischen Schikanen zu lösen und -ismen für das Ist aufzugeben.

Man muss sich bemühen, einen eher aristotelischen Ansatz zu verfolgen: Denken in Grundprinzipien zu grundlegenden Fragen von Krieg und Frieden, Leben und Tod, Wohlstand und Armut, Freiheit und Sklaverei. Diese Fragen sind wichtig. Alles andere ist belanglos.

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CLAIM veröffentlicht Lage der Muslimfeindlichkeit

Saba-Nur Cheema Muslimfeindlichkeit CLAIM Lage Politik

Ob in der Schule, beim Arzt oder der Wohnungssuche: Antimuslimische Vorfälle gibt es laut einem Lagebild in allen Lebensbereichen. Verbale Angriffe dominieren, doch es gibt auch andere.

Berlin (dpa/IZ) – Verbale und körperliche Angriffe, Diskriminierung oder Sachbeschädigung: CLAIM – die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit hat im vergangenen Jahr 1926 Vorfälle erfasst. Durchschnittlich hätten sich damit täglich mehr als fünf solcher Vorfälle ereignet, heißt es in einem am Montag in Berlin vorgestellten zivilgesellschaftlichen Lagebild der Allianz, die vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. Antimuslimische Äußerungen im Internet fließen in das Lagebild nicht ein.

Im Vergleich zum vorherigen Jahr mit 898 dokumentierten Vorfällen erfasste die Allianz demnach 2023 mehr als doppelt so viele Fälle, wobei sich die Datengrundlage verändert hat: Sowohl 2022 als auch 2023 flossen den jeweiligen Berichten zufolge bundesweite Meldungen über das Portal „I-Report“, die Statistik für politisch motivierte Gewalt und Polizei- und Pressemeldungen in die Lagebilder ein. 2023 kamen den Angaben nach Fallzahlen von 17 Melde- und Beratungsstellen aus 13 Bundesländern hinzu. Ein Jahr zuvor waren es demzufolge noch 10 Melde- und Beratungsstellen aus 7 Bundesländern. Grundsätzlich geht die Allianz von einer hohen Dunkelziffer antimuslimischer Vorfälle aus.

„Der Nährboden für Rassismus ist sehr viel größer geworden“, bilanzierte die Leiterin der Allianz, Rima Hanano. „Antimuslimischer Rassismus ist heute salonfähiger denn je und er kommt wirklich aus der Mitte der Gesellschaft“, betonte sie.

CLAIM zeigt auf, was für Angriffe es gibt und wo sie vorkommen

Rund zwei Drittel der 2023 dokumentierten Fälle machten demnach verbale Angriffe aus. Dazu gehören Volksverhetzung und Beleidigungen, etwa Drohschreiben an Restaurants oder Imbisse, deren Inhaber als muslimisch wahrgenommen wurden. Insgesamt seien 90 Angriffe auf solche Orte und auf religiöse Einrichtungen erfasst worden. Neben 1277 verbalen Angriffen umfasst das Lagebild 363 Fälle von Diskriminierung und 286 Fälle von „verletzendem Verhalten“. In letztere Kategorie fallen 178 Körperverletzungen, 4 versuchte Tötungen, 93 Sachbeschädigungen, 5 Brandstiftungen und 6 weitere Gewalttaten.

Antimuslimischer Rassismus ziehe sich durch alle Lebensbereiche – von der Wohnungssuche über den Arztbesuch bis hin zur Schule. „Ein großer Teil der dokumentierten Vorfälle trifft vor allem muslimische Frauen und findet im Bildungsbereich sowie im öffentlichen Raum statt“, teilte die Allianz mit. Körperliche und verbale Angriffe richten sich demnach auch gegen Kinder. Insbesondere seit dem terroristischen Angriff der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 habe man zudem einen sprunghaften Anstieg antimuslimischer Vorfälle festgestellt.

Wie Politik und Polizei auf das Lagebild reagieren

Bundesfamilienministerin Lisa Paus bezeichnete die Zunahme von antimuslimischen wie auch antisemitischen Vorfällen als dramatisch. „Um Rassismus in unserer Gesellschaft einzudämmen, ist Präventionsarbeit von klein auf – also insbesondere bei Kindern und Jugendlichen – unerlässlich“, betonte die Grünen-Politikerin. Aus Sicht des Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, ist es zentral, das Dunkelfeld schnellstmöglich zu erhellen. Dafür sei der Ausbau von Online-Anzeigen erforderlich. „Die muslimische Community muss und kann mehr Vertrauen in die Staatsanwaltschaften und die Polizei legen. Dort nimmt man die von ihnen angezeigten Fälle sehr ernst“, sagte der GdP-Chef.

Lesen Sie hierzu auch: https://islamische-zeitung.de/muslimfeindlichkeit-uem-bericht-wurde-opfer/

Sind wir unpolitisch? Muslime gehören zweifellos zu den Stützen der Gesellschaft

Politik Muslime

Von Muslimen geprägte Politik muss in die Zukunft weisen, ohne ihre  Traditionen vollständig aufzugeben.

(iz). Im letzten Jahr veröffentlichte der Schriftsteller Feridun Zaimoglu ein wichtiges Buch: „Bewältigung“. In der schonungslosen Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit besucht ein „Autor“, der ein Buch über Hitler schreiben will, die Originalschauplätze der deutschen Geschichte. In Bayreuth oder Dachau wird ihm der ganze Wahnsinn der Rassen-Ideologie und der Abgrund der Judenverfolgung bewusst.

Langsam verliert sich der Protagonist in der Sprache des Unheils und muss sein Experiment schließlich abbrechen. Sein deutsches Umfeld zeigt sich ignorant. Ein Freund des Autors spricht es aus: „Nicht Deine Geschichte! Dafür bist Du nicht zuständig! Mach doch was über deine Leute!“

Foto: r.classen, Shutterstock

Muslime, die sich als Teil der Gesellschaft sehen

Für den muslimischen Leser, der seine Zuständigkeit anerkennt und sich als Teil der deutschen Gesellschaft sieht, ist das Werk ein guter Ausgangspunkt, um über den von Erfahrung geprägten Umgang mit dem Politischen nachzudenken. Die Lehre ist simpel: Was immer Islam ist – eine Religion, eine Lebenspraxis oder eine soziologische-ökonomische Ordnung –, niemals darf diese Haltung zu einem politisch-ideologischen System mutieren.

Dass der Islam keine Ideologie ist, gehört zu dem Grundverständnis ausgeübter Religion. Argumentiert man so in der Debatte mit Muslimen, wird oft die Gegenfrage gestellt: Sind wir Muslime denn ganz unpolitisch?

Die Antwort kann nur sinnvoll ausfallen, wenn die Differenzierung zwischen politischem Einsatz und ideologischer Verbohrtheit gelingt. Das Zusammenspiel muslimischer Praktiken und die Idee eines geschlossenes Systems schließen sich aus.

Muslime sind verbunden

Auf der anderen Seite haben Menschen, die wie die Muslime durch ein soziales Band verknüpft sind, eine politische Dimension. Sie nehmen – zumindest im Idealfall – wie alle anderen Gruppen der Gesellschaft gleichberechtigt an der Debatte und der politischen Willensbildung teil.

Kaum wie eine andere sprachliche Konstruktion beherrscht der Begriff des politischen Islam das Bild der Muslime in Deutschland. Die Untaten muslimischer Terroristen in Europa, die Angst und Schrecken als Teil ihrer Agenda ansehen, hat dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet. Das kann in der Öffentlichkeit so weit gehen, dass jeder Versuch von Gläubigen einer Selbstorganisation unter einen politischen Verdacht fällt.

Foto: zurijeta, Freepik.com

Bezeichnenderweise sind viele Muslime froh, dass die größten Krisen der letzten Jahre, die im Zusammenhang mit Umwelt, Gesundheit und Krieg stehen, sie zeitweilig aus dem Fokus der Berichterstattung genommen hat.

Gibt es eine positive Rolle?

Es ist an der Zeit, die politische Rolle der Muslime positiv zu formulieren. Fakt ist, die Verschwörungstheorie rund um die angebliche Islamisierung Europas hält einer sachlichen Überprüfung nicht stand.

Es mag einzelne Gruppen geben, die über die Idee eines europäischen Gottesstaates fantasieren oder sich in politische Parallelgesellschaften flüchten, der großen Mehrheit der Muslime mangelt es eher an sichtbarer und akzeptierter Teilnahme im politischen Feld. Die Machtausübung im Sinne einer feindlichen Übernahme findet nur im ewigen, biopolitisch geprägten Feindbild rechtskonservativer Kreise statt. 

In den letzten Jahren erringen eine größere Zahl gut gebildeter Muslime und Muslimas berufliche Spitzenpositionen. In den Parlamenten und anderen repräsentativen Einrichtungen ist ihre Zahl dagegen überschaubar. Dieses Missverhältnis ist es, was auf Dauer Sorge macht.

Viele junge Muslime könnten sich in ein permanentes Außenseitertum verabschieden, ihre Motivation verlieren, statt in den gesellschaftlichen Prozessen aktiv teilzunehmen. Die Demokratie ist gut beraten, sich um dieses Klientel zu kümmern und ihnen Wege der Partizipation aufzuzeigen.

Probleme eines gesonderten Engagements

Natürlich ist es für Muslime so legitim wie naheliegend, sich in politischen Parteien einzusetzen. Diese Option stößt auf zwei Schwierigkeiten. Zum Einen sind die Parteien nicht sehr bemüht, dass VertreterInnen der muslimischen Community auf ihren Wahllisten auftauchen.

Zum anderen gibt es wohl keine Partei, der es gelingt, wesentliche Überzeugungen der muslimischen Wählerinnen umfassend abzubilden. Die Dialektik zwischen Liberalen und Konservativen ist überholt, Muslime sind, um nur ein paar Beispiele zu nennen, in der Familienpolitik konservativ, im ökonomischen Interessenfeld liberal und in gesellschaftlichen Fragen solidarisch.

Foto: igmg.org

Hin und wieder taucht in Deutschland die Utopie einer islamischen Partei auf. Diese Absicht wäre demokratiepolitisch legitim, besonders chancenreich ist sie zumindest auf der nationalen Ebene nicht. Real ist die Option, auf kommunalpolitischer Ebene erfolgreich Politik zu gestalten.

Muslime fehlen auf europäischer Ebene

Bedauerlich ist die fehlende Präsenz auf der Ebene der Europäischen Union, wäre es doch die europäische Idee, die eine große Mehrheit der Muslime gegenüber dem Rückfall in alte Nationalismen bevorzugen. Es sind hier die antiquierten ethnischen Trennungen und weniger eine gesellschaftliche Intrige der anderen, die einer europäisch-muslimischen Bürgerliste die Aussicht auf Erfolg nehmen.

Zweifellos vertritt der Islam moral-ethische Maximen, deren Umsetzung Politik erfordert. Dieser Ansatz wird besonders in der Außenpolitik deutlich. Viele Muslime sind von Erfahrungen geprägt, die mit ihrer Herkunft oder Familienbeziehungen zusammenhängen.

Sie beklagen Doppelstandards im Umgang mit der muslimischen Welt. Sie sind aber auch politisch gebildet, schätzen die Idee freier Meinungsäußerung hierzulande. Es fällt ihnen durchaus auf, dass viele sogenannte islamische Staaten über gar keine Standards verfügen. 

Es gibt ja kein Zweifel, dass in Deutschland NGOs und muslimische Gemeinschaften sich frei entfalten können und ihren Einfluss der Zahl ihrer MitgliederInnen entsprechend ausbauen. Warum sollte dies ein Grund für Hysterie sein? Der politische Einsatz für die Ziele der Muslime, auch wenn sie Kontroversen anstoßen, darf weder ein Tabu sein noch der Sicherheit des Schweigens weichen.

Zakat

Foto: Ibrahim Poran

Was sind unsere Themen?

Themen, zum Beispiel im Dialog mit der Regierung, gibt es genug. Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: die Zakatnahme und die zunehmend lokale Verteilung in Deutschland wirft steuerpolitische Fragen zum Beispiel für die Empfänger dieser Sozialleistung auf. Daneben gehört es längst zum Konsens, dass Imame besser die Sprache des Landes sprechen, in dem sie wirken wollen.

Wie für alle anderen Religionen misst sich die Relevanz einer Überzeugung unter anderem daran, ob sie in wichtigen politischen Fragen Antworten anbietet. Politisches Denken agiert in Europa seit Jahrhunderten nicht völlig losgelöst von metaphysischen Einflüssen.

Muslimisch geprägte Politik muss in die Zukunft weisen, ohne ihre Traditionen vollständig aufzugeben. Wer aus der Religion heraus die Grenzen der Technik definiert, die Bewahrung der Schöpfung anmahnt oder die Ethik der Geldproduktion hinterfragt, wird in diesen Debatten Gehör finden. Dann wird auch klar, dass der Islam mit den Begriffen des Politischen nicht vollständig erfasst werden kann.

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Berlin: Was bedeutet CDU-Wahlsieger Kai Wegner für Migranten und Muslime?

Kai Wegner Berlin CDU Wahlsieger Populismus

Kai Wegner hatte sich vor der Wahl mit beunruhigenden Tönen zu Muslimen, Zuwanderung und Streitthemen gemeldet. (KNA). Berlins CDU-Landeschef Kai Wegner hat sich in seiner Karriere auch mit populismusaffinen Positionen […]

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Nigeria steht Warten auf Wahlergebnis bevor

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In Nigeria ist die zukunftsweisende Präsidentenwahl beendet. Ersten Einschätzungen zufolge lief sie überwiegend friedlich und mit hoher Beteiligung ab – doch auch mit großen logistischen Problemen. Lagos (KNA). In Nigeria […]

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3 Jahre nach Hanau: Empathie für Betroffene

Opfer Terror Rassismus Hanau Kurtović

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus muss aus Sicht von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) weiterhin besondere Priorität haben. Es gelte, „Empathie für die Betroffenen und Härte gegen Extremisten“ zu zeigen, erklärte Faeser am 17. Februar mit Blick auf den rassistischen Anschlag von Hanau mit neun Toten, der sich an diesem Sonntag (19. Februar) zum dritten Mal jährt.

Berlin/Hanau (dpa/iz). Auch wenn sich der öffentliche Fokus durch Russlands brutalen Krieg gegen die Ukraine verändert habe und sich Deutschland vor neuen Bedrohungslagen schützen müsse, dürfe nicht vergessen werden: „Der Rechtsextremismus ist weiterhin die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie.“ Ein 43-jähriger Deutscher hatte in Hanau am 19. Februar 2020 neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst.

Nach Hanau: Klima der Menschenverachtung

Rechtsextreme Hetze und Gewalt, Anfeindungen und Ausgrenzung – all das erlebten viele Menschen in der Gesellschaft tagtäglich, erklärte Faeser. „In vielen dunklen Ecken des Netzes wird weiter ein Klima der Menschenverachtung geschürt“, so Faeser. Die Morde in Hanau hätten vor drei Jahren das ganze Land zutiefst erschüttert.

„Der 19. Februar 2020 bleibt ein tiefer Einschnitt. Wir werden Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovic, Vili-Viorel Paun, Fatih Saraçoglu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov nie vergessen.“

Landtagspräsidentin: Rechtsextremismus ist größte Gefahr

Zum dritten Jahrestag des rassistischen Anschlags von Hanau hat Hessens Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) die Gefahren durch Rechtsextremismus für die freiheitlich-demokratische Gesellschaft hervorgehoben. „Dieser Ideologie entschieden und mit allen Mitteln entgegenzutreten ist Aufgabe und Verpflichtung aller staatlicher Gewalt – aber auch aller Bürgerinnen und Bürger unseres Landes“, sagte Wallmann am 17. Februar in Wiesbaden.

„Auch drei Jahre nach der schrecklichen Tat lautet unsere Botschaft klar und unmissverständlich: Die Opfer von Hanau waren ein Teil von uns, sie waren unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die Opfer sind nicht ‘die anderen’ – ‘die anderen’ sind die Täter“, betonte die Landtagspräsidentin. „Lassen Sie uns das Gedenken an die Opfer zum Anlass nehmen, Fremdenfeindlichkeit noch entschiedener entgegenzutreten. An diese Verantwortung und Verpflichtung erinnert uns der 19. Februar 2020.“

Drei Jahre nach Hanau: ndo fordert Aufklärung und Maßnahmen

Bundesweit wird bei knapp 80 Veranstaltungen am 19. Februar den Opfern gedacht. Während die Hinterbliebenen und die Zivilgesellschaft sich weiterhin beharrlich um eine lückenlose Aufklärung bemühen, hat sich politisch zu wenig bewegt. „Rassistische Strukturen in der Gesellschaft und staatlichen Institutionen sind weiterhin intakt. Das ist eine Gefahr für uns alle“, erklärt das Netzwerk neue deutsche Organisationen in einer Pressemitteilung.

Weiterhin gebe es unzählige offene Fragen. Der seit Dezember 2021 und bis Sommer 2023 laufende parlamentarische Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag lasse diese weitgehend unbeantwortet. Politische Konsequenzen gebe es keine. Das liege auch an einer „Blockade“ der Landesregierung einer „lückenlosen Aufarbeitung“. Es seien nach wie vor die Angehörigen und Überlebenden selbst, die genauen Abläufe in der Tatnacht ermitteln und rekonstruieren würden. „Ermittlungen von offizieller Seite wurden bereits eingestellt.“

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Geschichte prägt den Umgang europäischer Regierungen mit Muslimen

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Der Umgang mit Religion hängt in Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik erheblich von der jeweiligen Geschichte ab. Von Jeanne Prades (The Conversation). Die Art und Weise, wie Islam wahrgenommen wird […]

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Fragen an die muslimische Community: Was wollen wir?

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(iz). Einige Tage vor der Fertigstellung dieser Ausgabe wurde in der Redaktion diese hypothetische Frage in die Runde geworfen: Nehmen wir an, man könnte sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz zusammensetzten, […]

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Gespalten und wenig Einfluss: Hintergründe über Kenias Muslime

Anlässlich der jüngsten Präsidentschaftswahlen nutzen wir die Gelegenheit für einen Überblick über die Lage der Muslime Kenias. Obwohl sie in der Vergangenheit eine Rolle in der Zurückdrängung repressiver Gesetze spielten […]

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