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„Der Tod der Klinik“

(iz). Der Blick zurück dient nur noch dem Lernen. „Die Schwere der Bombardements hat den wenigen Krankenhäusern, die noch rund um die Uhr arbeiteten, massiven Schaden zugefügt“, erklärte  Teresa Sancristoval […]

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Islam – ein Teil Deutschlands?

„Die Gewalt einer Sprache ist nicht, daß sie das Fremde abweist, sondern daß sie es verschlingt.“ Johann Wolfgang von Goethe
(iz). Die letzten Jahre sind von der innengesellschaftlichen Debatte über die Rolle des ­Islam in Deutschland geprägt. Dabei ist unstrittig, dass die Muslime Deutschlands Teil der Gesellschaft sind, also eine Gestalt mitbilden, die mehr umfasst als ihre Teile. Muslime beten, glauben und werben aber auch für ihre Lebenspraxis im Rahmen der verfassungsgebenden Realität. Sie wirken politisch auf Entscheidungsprozesse ein, nicht zuletzt um ihre Bürgerrechte, insbesondere die Religionsfreiheit, zu wahren. Ihre multi-ethnische Herkunft steht dabei nicht im Widerspruch mit der Möglichkeit der Anerkennung als gleichberechtigte Bürger.
So weit so gut, möchte man sagen. Warum provoziert aber die These, der Islam sei Teil Deutschlands? Hierfür gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Wenn man davon ausgeht, dass der Islam sich selbst als ein Zusammenspiel von „Islam, Iman und Ihsan“ definiert, dann besteht er aus sichtbaren und unsichtbaren Elementen. Seine unsichtbaren Glaubensinhalte werden heute exklusiv an Universitäten und in Moscheen gelehrt, das sichtbare Verhalten von Muslimen erscheint dagegen in der Öffentlichkeit und wird entsprechend kontrovers beurteilt.
Es gehört zu den zentralen Attacken des Populismus auf den Islam, jedes Fehlverhalten von Muslimen, meist ausweislich ihrer ethnischen Herkunft als solche definiert, ihrem Glauben zuzurechnen. Straftaten, von Muslimen begangen, werden dann mitsamt ihrer negativen Substanz einfach der Religion zugerechnet. Es spielt in dieser destruktiven und ausgrenzenden Sicht keine Rolle mehr, dass die Lehre des Islam einerseits diesem Verhalten keinerlei Grundlage gibt, noch die absolute Mehrheit der Muslime gegen Gesetze der Bundesrepublik verstößt.
Grundlage des Verhaltens eines Muslims sollten die Maßstäbe des islamischen Rechts sein, welche Verhaltensnormen beschreiben, die erlaubt, verpönt oder verboten sind. Naturgemäß berühren Teilbereiche dieser Grundsätze die rechtlichen Normen der Bundesrepublik, die aber nach islamischem Verständnis vorgehen, oder aber sie sind von vornherein im Rahmen dessen, was die Rechtsordnung erlaubt. Über Jahrhunderte passen Rechtsschulen das islamische Verständnis von Recht und Ordnung veränderten Verhältnissen an.
Die Frage, ob der Islam Teil Deutschlands ist, kann von Muslimen und Nicht-Muslimen durchaus unterschiedlich und mit verschiedener Intention diskutiert werden. Konservative Kreise mögen zum Beispiel argwöhnen, es sei die Tendenz der Muslime, immer größere Teile ihres Rechtsverständnisses in der Gesellschaft durchzusetzen. Hier zeigt sich eine Vorstellung dominant, die den Islam in der Neuzeit in erster Linie als eine politische Ideologie verstehen will, die entsprechend dieser These das ganze Leben politisieren will. Dabei wird schnell vergessen, dass ein muslimisches Engagement für die Mission, für soziale Einrichtungen oder für ein anderes Wirtschaftssystem durchaus verfassungsrechtlich gedeckt ist.
Aber auch Muslime können sich, um eine andere Argumentationsebene anzuführen, an dem Gedanken stören, der Islam sei bereits Teil Deutschlands. Für diese Sicht ist die Phänomenologie des Islam noch nicht einmal vollständig in der Debatte angekommen. Es fehlen also Teile, die das muslimische Leben seit Jahrhunderten entscheidend prägen. Es stimmt ja offensichtlich, dass, wenn man beispielsweise zur Realität des Islam auch die Einheit von Moschee, Markt und Stiftungswesen rechnet oder die korrekte Erhebung und Verteilung der Zakat mitdenkt, der Islam gerade eben noch nicht Teil Deutschlands geworden ist.
Die Öffentlichkeit nimmt nach dieser Auffassung überhaupt nur bestimmte Teile muslimischer Lebenswirklichkeit wahr. Die Mehrheitsgesellschaft übernimmt dabei zunehmend auch die Deutungshoheit über islamische Begrifflichkeiten. Oft werden gerade die Themen öffentlicher Auseinandersetzung dabei von Muslimen selbst als eher peripher empfunden. Hierher gehört auch die Ignoranz gegenüber der sozialen Kompetenz der Muslime oder Kenntnisse über den Beitrag muslimischer Gelehrsamkeit in den philosophischen und ökonomischen Debatten dieser Zeit. In ganz Europa wird inzwischen diskutiert, ob der Islam nicht immer wichtiger Impulsgeber des europäischen Geisteslebens war und warum dies immer wieder verdrängt wird.
In einer aktuellen Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung wird nun verbreitet, dass über 40 Prozent aller Deutschen eine Unterwanderung der Gesellschaft durch den Islam befürchten. Der vage Begriff der „Unterwanderung“ lässt natürlich einigen Interpretationsspielraum offen: Ist damit die wachsende Zahl von Muslimen in der Gesellschaft gemeint, das Erscheinen von Symbolen des Islam in der Alltäglichkeit oder die Manifestation islamischer Glaubenseinrichtungen in unseren Städten?
Die Umfrage irritiert bereits insoweit, als mit Unterwanderung wohl kaum die relevante Präsenz der Muslime auf den Entscheidungsebenen der Politik oder in den gesellschaftlichen Eliten gemeint sein kann. Nimmt man die Parteien als wichtige Spieler im politischen Ent­scheidungsraum, so sind Muslime dort weniger vertreten, sondern eher Objekt der Ausgrenzung. Von Unterwanderung kann jedenfalls kaum die Rede sein. Eine andere Frage ist, ob die Ergebnisse der Umfrage das Gefühlsleben der ­Deutschen in Sachen Muslime doch ganz gut treffen.
Eine der Schwierigkeiten der Debatte um die These, der Islam sei Teil Deutschlands, besteht ja darin, dass heute die Signifikanz bestimmter Begriffe, die mit dem Islam assoziiert werden, das Stimmungsbild von vornherein negativ toniert. Das „Terrorphänomen“ oder die Möglichkeit der Radikalisierung von Minderheiten muslimischer Jugendlicher spielt dabei in der Diskussion über gesellschaftliche Veränderungen eine asymmetrisch wichtige Rolle. Jüngstes Beispiel sind absurd anmutende Debatten, ob schon die Einführung von türkischem oder arabischem Sprachunterricht an deutschen Schulen einer Radikalisierung von Muslimen Vorschub leisten könnte.
Natürlich gehört es zu den Aufgaben der hier lebenden und arbeitenden Muslime, sich als aktiver Teil der Gesellschaft einzusetzen. Die Muslime müssen kritisch hinterfragen, ob sie in Teilen, ob bewusst oder nicht, dem Bild Vorschub leisten, ein Teil anderer Gesellschaften zu sein. Es gibt durchaus eine „iden­ti­täre“ Bewegung innerhalb der muslimischen Gemeinde, die hier kulturelles ­Anpassungsvermögen mit der Aufgabe von verbindlichen Glaubensinhalten verwechselt. Stimmen wie die des amerikanischen Gelehrten Dr. Umar Faruq Abd-Allah sind hierzulande eher selten. Auf einem Vortrag in Köln formulierte er den Auftrag: „Ihr müsst eine Kultur ­stiften in dem Land, in dem ihr lebt. Es ist ein großer Irrtum, wenn ihr glaubt, ihr könntet euch als Muslime behaupten, indem ihr das Migrantendasein ewig ­aufrechterhaltet.“
Es könnte eine weitere Pointe innerhalb der Diskussion über die künftige Rolle der Muslime sein, wenn man aus den Fehlern des anderen großen Integrationsprojektes der letzten Jahrzehnte, der Einbindung der Ostdeutschen, lernen würde. Offensichtlich hat man bereits ganze Teile der Bevölkerung verloren, weil man pauschal den kulturellen und sozialen Beitrag der ostdeutschen Lebenswirklichkeit verleugnet hat. Viele Muslime fühlen sich nun ebenso zurückgestoßen, als sei die Bedingung für eine Teilhabe, alle eigenen kulturellen Besonderheiten ablegen zu müssen.
Fakt ist, dass es Diskurse gibt, die Zeit brauchen. Wir Muslime werden etwas Geduld aufbringen müssen, bis die Gestalt des Islam in Deutschland unvoreingenommener wahrgenommen werden kann. Bisher ist die Frage noch zu sehr mit den Assoziationsfeldern des „Terrors“ und der „Immigration“ verknüpft. Gutwillige werden aber immerhin zugestehen, dass ein breiter gesellschaftlicher Konsens zwischen Muslimen und Nichtmuslimen besteht, dass Terror und innere Immigration niemals akzeptierter Teil Deutschlands werden sollten. Jetzt gilt es, den positiven Beitrag der Muslime weiter auszuformulieren.

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Wohin mit den Deutschen?

(iz). Fast zwei Jahrzehnte lang war das Soester Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland (ZIAD) die Auskunftei für Nachfragen zum Islam und den sich etablierenden muslimischen Gastarbeitern. Der deutsche Leiter, Salim Abdullah, und seine […]

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Von der ­Domestizierung der Wahrnehmung

(Fiqh of Social Media). Während der US-Präsidentschaftswahlen 2008 wurde ein „bösartiges Gerücht“ verbreitet, wonach Barack Obama Muslim sei. Das ist ein alter Hut. Die meisten wissen aber nicht, dass die […]

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Es ist Zeit, verbal abzurüsten

(iz). Gerade weil wir ein Staat sind, in dem Religion und Politik getrennt sind, müssen wir die Diskussion über Muslime und deren Religionsgemeinschaften hierzulande wieder versachlichen. Drohungen und Dialogabbrüche sind kein Ersatz für praktische Politik und haben der Integration seit jeher geschadet.
Ich appelliere an die Politik, trotz Wahlkampf weder den Kopf zu verlieren, noch der Rhetorik der AfD zu verfallen, die sich das Ziel gesetzt hat, die Muslime in Deutschland zu bekämpfen und zu Bürgern zweiter Klasse zu machen.
Viel Porzellan ist in den letzten Tagen, insbesondere im Zuge des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei, zerschlagen worden. Einige scheinen ein Interesse daran zu finden, alles Türkische unter Vorbehalt zu stellen. Muslime geraten so unter Generalverdacht. Damit laufen wir Gefahr, längst zugeschüttet geglaubte Gräben wieder aufzureißen und Abmachungen und Verträge, die über Jahrzehnte erarbeitet worden sind, wie es die Diskussionen in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und jetzt in NRW zeigen, leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
Nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei steht die türkische Community in Deutschland gespalten dar. Verschiedene Lobby-Organisationen treiben hier wie dort die Spaltung weiter voran. Ansätze, diesen Streit in Deutschland nicht eskalieren zu lassen, sind noch zu wenig erkennbar. Die Folge: Das deutsch-türkische Verhältnis, ohnehin seit Jahren nicht zum Besten bestellt, scheint derzeit am Boden zu sein.
Die Politik hat keine Antwort darauf, wie der Umgang mit dem Großteil der hier lebenden Deutschtürken aussehen soll, die durchaus Sympathien zur AKP hegen und das womöglich sogar mehr als im Verhältnis zu den Türken im eigenen Mutterland. Mich erfüllt es mit Sorge, wenn wir diese Gruppe, die inzwischen sprachfähig und gut ausgebildet ist, ständig nur marginalisieren, diskreditieren und zum Spielball innenpolitischer Ränkespiele machen. Wir verlieren damit eine ganze Generation.
Und die AKP-nahen Politiker und Aktivisten hierzulande haben bisher auch keine erkennbaren Konzepte und Vorstellungen entwickelt, wie die Deutschtürken eines Tages als gleichwertige Deutsche eingegliedert werden sollen. Ihre Bemühungen beschränken sich oft darauf, in Deutschland ein Karrieresprungbrett für das türkische Parlament zu sehen, anstatt eine nachhaltige Integrationspolitik zu formulieren.
Hinzu kommt, dass vielen deutschen wie türkischen Medien inzwischen auch nicht mehr einfällt, als mit dem Fähnchen der Objektivität die Gruppen in „Erdoganfans und -hasser“ einzuteilen. Damit leisten sie der Polarisierung weiter Vorschub – mit dem Ergebnis, dass der gegenwärtige Diskurs weder die Realität angemessen beschreibt, noch eine Basis für vernünftige Analyse der Situation darstellt. Es ist die Stunde der Populisten, der Vereinfacher und der Hassprediger. Empathie bleibt auf der Strecke.
Beispiel eins: Zu wenige haben hierzulande mit dem türkischen Volk mitgefühlt, das soeben einen Putsch erfolgreich niedergerungen hat und nichts mehr fürchtet als eine erneute Militärdiktatur.
Beispiel zwei: Zu wenige Deutschtürken begreifen, dass viele Deutsche sich fürchten, dass zu oft noch türkischer Wahlkampf auf deutschem Boden ausgetragen wird.
Wir wollen den Deutschtürken erklären, dass sie hier ihren Lebensmittelpunkt haben. Das erreichen wir aber nicht, indem wir alles Türkische diskreditieren und abstrafen, oder indem Außenpolitik gegenüber der Türkei zur deutschen Innenpolitik hochstilisiert wird.
Unser Lebensmittelpunkt ist Deutschland. Dies ist unser Land. Daran besteht kein Zweifel und der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) wird hier als deutsche Religionsgemeinschaft agieren, stets auf dem Boden des Grundgesetzes und im Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Gruppen. Wir werden keine Einflussnahme von außen, egal, um welches Land es sich handelt, dulden. Wir werden uns gegenüber jeder extremistischen Gruppe zur Wehr setzen, sei sie rechts, links, religiös oder völkisch-nationalistisch.
Das gebietet uns nicht nur unser muslimischer Glaube. Auch als Bürger des Landes stehen wir mit unseren Werten allemal dahinter. Niemals wird der ZMD zulassen, dass ideologisch motivierte Bewegungen, seien sie religiös oder nationalistisch, auf unsere Agenda Einfluss nehmen. Zu diesem Selbstverständnis hat sich der ZMD immer bekannt und dieses seit Jahrzehnten praktiziert. Darin wird sich erst recht in diesen Zeiten nichts ändern.
Der derzeitige Diskurs übersieht aber sträflich, dass die strukturelle und alltägliche Diskriminierung und die Feindseligkeiten gegenüber den Muslimen bereits jetzt Realität sind. Sie werden durch die gegenwärtige Diskussion noch schlimmer. Es ist Zeit, in alle Richtungen verbal abzurüsten. Die Vorbehaltsdiskussion gegenüber den Muslimen muss ein Ende nehmen. Wir sind Deutsche, deutsche Muslime, und dies nicht nur auf Bewährung.
Wir machen auch einen großen Fehler, wenn wir die muslimischen Religionsgemeinschaften in Deutschland, jene, die die organisierte muslimische Mitte repräsentieren, diskreditieren und gesellschaftspolitisch isolieren. Dadurch werden radikale Gruppierungen und Einzelpersonen jeglicher Couleur gestärkt. Geschwächt wird das muslimische Leben in Deutschland, Integration und Prävention ein weiteres Mal vertragt. Scharlatane und falsche Anbieter werden so leichtes Spiel bekommen.

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Eine eigene Partei?

(iz). Viele Muslime mit dem berühmten türkischen “Migrationshintergrund“ reagierten konsterniert. Der deutsche Bundestag hatte gerade die Massaker gegen die Armenier (zu Beginn des 20. Jahrhunderts) mehr oder weniger einstimmig als „Völkermord“ eingestuft.
Jenseits der Diskussionen um die Vergangenheit stellte sich in der Gegenwart der „türkischen” Community ein Gefühl der Ohnmacht ein. Warum nur, so war in den sozialen Medien zu lesen, gab es nicht einen einzigen Abgeordneten, der selbstbewusst die „eigene Position“ vertrat?
Nicht zum ersten Mal fühlen sich Muslime in Deutschland nicht nur nicht repräsentiert. Sie stellen auch fest, dass es für viele ihrer Überzeugungen eigentlich keine Lobby im politischen Deutschland gibt. Murat Kayman von der mitgliederstarken DITIB warf den türkischstämmigen Abgeordneten in der konkreten Armenienfrage nicht nur Versagen vor, sondern stellte weiter allgemein fest, dass „die Zeit ethnisch-kultureller Identitätspolitik unwiderruflich vorbei sei“. De facto geht es hier längst um mehr als eine strittige Frage der Geschichtsdeutung.
Lange Zeit waren tatsächlich viele Muslime in Deutschland beeindruckt, wenn einer der ihren irgendein politisches Amt errang. Nur, so heißt es jetzt eher ernüchtert, was nützt dies, wenn der Erfolg auf Kosten von, für Muslime wichtige Inhalten geht? Nüchtern gesehen droht nun eine gesteigerte Politikverdrossenheit innerhalb einer der wichtigsten Bevölkerungsgruppe der Republik. Dieser Frust, das wachsende Gefühl der Unwählbarkeit der bestehenden Parteien, könnte auf lange Sicht durchaus für die ganze Gesellschaft problematisch werden.
Prof. Michael Wolffsohn stellt in seinem jüngsten Buch „Zum Weltfrieden“ eine interessante These auf: Nach seiner Ansicht sei die Gründung einer muslimischen Partei durchaus sinnvoll für den inneren Frieden unseres Landes. „Sie werden ihren politischen Druck im und fürs eigene Interesse erhöhen und deshalb über kurz oder lang (mindestens und vernünftigerweise) eine Partei gründen”, schreibt der Historiker eher emotionslos über die Notwendigkeit von Partizipation. Und tatsächlich fragen sich viele Muslime heute: warum eigentlich nicht?
Immerhin hat ja „Die Partei“ relativ mühelos und mit einigem Spaß einen Abgeordneten ins Europaparlament gebracht. Warum sollte dies Millionen von Muslimen in Deutschland nicht gelingen? De facto sollten die Chancen für eine muslimische Partei – zumindest auf kommunaler und europäischer Ebene – auf Dauer gar nicht schlecht sein. Und wäre ein solches Engagement der Basis nicht besser als allgemeine Politikverdrossenheit?
Junge Leute, die sich hier politisch engagieren wollen, hätten immerhin eine Aufgabe, ein konkretes Ziel. Und, last not least: Vielleicht wäre es auch besser, wenn einige muslimische Funktionäre, die schon heute wie Politiker auftreten, tatsächlich eine Partei unterstützen würden.
In den sozialen Medien sind die Meinungen über ein solches Projekt und seine Erfolgsaussichten gespalten. Die Probleme sind klar: Die muslimische Gemeinde in Deutschland ist nicht wirklich ein homogener Körper. Zu zahlreich sind bisher die Trennlinien und Mentalitätsunterschiede.
Verfolgt man zudem den Aggregatzustand vieler Muslime, die sich bisher eher als plärrende „Hools“ rund um heiße Debatten engagieren, ahnt man, dass eine muslimische Partei wohl eher keine Spaßpartei wäre. Hier bräuchte es also eine gelassene, offene, eher fröhliche Haltung: Nur, fragen sich viele der muslimischen Diskutanten: Haben wir Muslime bereits eine solche konstruktive Streitkultur?
Nicht alle Vorschläge wirken durchdacht. Eher öde wirkt zum Beispiel im 21 Jahrhundert, wenn das Bindeglied einer Partei – folgt man diesbezüglichen Vorschlägen – mehr oder weniger auf einer ethnischen Zugehörigkeit basieren soll.
Der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Mehmet Alparslan Çelebi, rechnet in einem Beispiel auf Facebook zudem die profane Mathematik solcher Ansätze vor: „Es gibt 64,4 Millionen Wahlberechtigte in Deutschland. Davon sind 650.000 türkischer Herkunft. Das sind 1%, wenn alle zur Wahl gehen würden. Die Wahlbeteiligung in Deutschland lag bei der letzten Bundestagswahl bei 71%. Die Wahlbeteiligung bei den türkisch-stämmigen bei ca. 45%. Also im Ergebnis insgesamt 0,7% der Gesamtstimmen.”
Tatsächlich gibt es übrigens bereits eine von Muslimen gegründete Partei: die BIG Partei. Hier geht es bunt zu, denn viele Mitglieder haben unterschiedlichsten Immigrationshintergrund. Bisher ist die Partei aber kaum bekannt und wird in der Community bisher nicht wirklich als muslimische Interessenvertetung oder politische Alternative wahrgenommen.
Ein Grund mag hier daran liegen, dass ihre inhaltlichen Positionen ausbaufähig wirken und sich die Partei in Sachen Islam zudem eher bedeckt hält. Eine Partei aber, die sich nur um Immigrationsprobleme dreht, wird jedenfalls kaum den Geist entfalten, viele deutsche WählerInnen zu begeistern.
So wäre es tatsächlich eine intellektuelle Herausforderung, ein Programm auszudenken, überzeugende Inhalte zu formulieren, die auch tatsächlich aus dem Islam heraus inspiriert sind. Möglich wäre es natürlich, Gedanken zu einer alternativen Finanzpolitik, Sozialpolitik, Kulturpolitik zu entwickeln oder konkrete Ideen anzubieten, die beispielsweise eine kreative Stadtentwicklung zum Thema machen.
Erfolg hätte aber eine solche Partei wohl nur, wenn diese Argumente auch über eine bestimmte Ethnie oder Konfession hinaus AnhängerInnen finden würde. Eine solche „offene“ Programmatik würde dann einen Gesichtspunkt aufnehmen, denn auch Wolfssohn beschreibt: „Wer wollte bestreiten, dass innerhalb der muslimischen Minderheit viele mehr oder weniger gemeinsame politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Interessen haben und vertreten, die sich mit Interessen von mal größeren, mal kleineren Teilen der nichtmuslimischen Mehrheit decken?“

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Vom Wissen zur Sorgsamkeit

(iz). Viele, wenn sie die islamische Offenbarung – den Qur’an – lesen, sind beeindruckt von der Rolle, die die Natur darin spielt. Gleiches gilt für die Ausgewogenheit, die in Allahs […]

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Wie mit anderen Meinungen umgehen?

(iz). Im Islam wird nur bei grundlegenden Glaubenspfeilern und Praktiken mit einer einzigen Stimme gesprochen. Bei anderen Angelegenheiten gibt es viele Stimmen. Hier sind Widersprüche und konkurrierende Deutungen möglich. Auch […]

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Agendasurfing und professionelles Bashing

(iz). Die Vorstellung von Sineb El-Masrars neuem Buch (Emanzipation im Islam: Eine Abrechnung mit ihren Feinden), im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Feminismus und Geschlechtergerechtigkeit in der Einwanderungsgesellschaft“ der Friedrich-Ebert Stiftung, ließ […]

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Muslime im Fokus

Das Thema Muslime in den Medien – im Sinne einer Aufklärung über die Lebenswirklichkeit und Gestalt der Lebenspraxis von Muslimen – wird im Moment wieder lebhaft diskutiert. Muslime tauchen in den Debatten in unterschiedlichem Kontext auf, wenn auch selten als deutsche BürgerInnen und überhaupt nur ausnahmsweise mit positiver Tonierung, aber immer öfter im Kontext von „Flucht“, „Terror“ oder „Immigrationsproblemen“.
Medien folgen heute bei der Berichterstattung über „heiße“ Themen einem „Sofortismus“ (Bernhard Pörksen) und sortieren spektakuläre Ereignisse, wie die schändlichen Angriffe auf Frauen in Köln, immer schneller ein. Soll das Zusammenleben in Deutschland aber weiter funktionieren, gilt es im medialen Umgang mit den Millionen von Muslimen im Lande insbesondere die Kräfte der Differenzierung zu stärken.
Für uns Muslime ist es dabei wichtig, nicht nur die Klage über Grobheiten im medialen Umgang mit uns zu betreiben, sondern das Thema des Umgangs mit den  Medien in einen geschichtlichen, philosophischen und technologischen Kontext zu setzen. Nur so können wir die aktuelle Dynamik der Informationsverbreitung besser einordnen, ihr konstruktiv begegnen und uns hoffentlich besser an den Auseinandersetzungen um die öffentliche Meinung beteiligen.
Am Beispiel der Entstehungsgeschichte von „Zeitungen“ wird klar, dass wir uns bei der historischen Einordnung moderner Medien zunächst mit dem geschichtlichen Kontext der Aufklärung beschäftigen müssen. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts gab es in Europa vor allem eine Anwesenheitskommunikation. Rudolf Schlögl beschreibt dieses Phänomen in seinem wichtigen Aufsatz „Politik beobachten“ wie folgt: „Wenn die Gemeinde der Bürger sich gegenüber dem Rat artikulierte, indem sie vor dem Rathaus zusammenlief, mit dem Sturm auf das Rathaus drohte und einen Ausschuss bildete, der mit dem Rat verhandelte, dann wurde Politik nicht beobachtet, sondern es wurde Politik gemacht.“
Dieser direkte Austausch an der Basis wurde bald selten. Neue Drucktechniken stellten Kommunikationsmedien zur Verfügung, mit deren Hilfe die Reichweite von Herrschaft sich beträchtlich erweitern ließ, weil sie von der Anwesenheit der Herrschenden entkoppelt werden kann. Es entstand nicht nur eine neue Distanz zwischen Herrschenden und Beherrschten, sondern auch eine ganz neue Perspektive, die beobachtende Öffentlichkeit.
Die Zeitschriften und Journale, die seit dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts in wachsender Zahl gegründet wurden, sahen zunächst darin eine wichtige Aufgabe, dem Leser Orientierung in der Fülle der zahlreichen neuen Buchtexte zu verschaffen. Dies hatte in den periodischen Printmedien naturgemäß eine Säkularisierung des Weltbezuges zur Folge. Das heißt, Medien beförderten mit Macht den „Rückzug der biblischen Prophetie“, stellten die alten religiösen Erklärungsmodelle in Frage und boten dagegen einen diskursiven Freiraum des Politischen an.
Medienkritik begleitete dabei übrigens die Zeitungen seit ihrer Einführung. Der Gelehrte und Sprachwissenschaftler Casper Stieler merkte am Ende des 17. Jahrhunderts an, „dass man in Zeitungen generell mit Nachrichten über wahre und vermeintlich wahre Dinge“ zu tun habe und die Zeitungsnachricht deswegen keinen anderen Status habe als das Gerücht.
Natürlich veränderten „Zeitungen“ auch das politische Feld. So informierten sich europäische Staaten beispielsweise nicht mehr nur mit dem Mittel der Anwesenheitskommunikation über ihre jeweiligen Absichten, sondern man las zunehmend in überregionalen Zeitungen übereinander. Zeitungen schafften so eine permanente Öffentlichkeit, die sich nicht mehr vor Ort informierte. In diesem Kontext zeigten sich auch innerhalb der Staaten die Möglichkeiten von Freiheit und Unfreiheit: Die Öffentlichkeit beobachtete den Staat, der Staat beobachtete die Zeitungen (Zensur).
Als problematisch zeigte sich im 19. Jahrhundert insbesondere das Verhältnis von Medien und Ideologie. Natürlich eigneten sich die neuen Techniken nicht nur für die Verbreitung bestimmter Überzeugungen, sondern im schlimmsten Fall auch zur Steigerung radikaler Subjektivität, bis zur Förderung radikaler Parteiungen. Philosophisch kann man wohl sagen, dass Medien nicht nur Informationen verbreiten, sondern auch einem bestimmten Willen zur Macht dienen können. Der Wille zur Macht ist dabei nicht etwa ein Wille zur Wahrheit, sondern ein Wille zum Schein, und zeigt sich auch gerade in dem Vermögen, subjektive Positionen mit absolutem Wahrheitsfuror zu verbreiten.
Heute wird dieses Phänomen der Einseitigkeit durch die Nutzung von Suchmaschinen und ihren Algorithmen verstärkt. Der individualisierte Medien­rezipient wird oft automatisch nur noch mit solchen Medienbotschaften beliefert, die zu seinen Vorlieben passen und ihm somit jede kognitive Dissonanz ­ersparen.
Natürlich suchten Philosophen wie Nietzsche, ganz im Gegensatz zum Typus des modernen Agitators, immer noch nach höherer, übermenschlicher Wahrheit. Nietzsche stellte über die Machenschaften des Journalismus eher spöttisch fest: „Mit Zeitungen, selbst den wohlgemeintesten, kann und darf ich mich nicht einlassen: — ein Attentat auf das gesamte moderne Presswesen liegt in dem Bereiche meiner zukünftigen Aufgaben.“
Auch Goethe sieht bereits die typische Gefahr der Politisierung der Gesellschaft durch Medien: „Wenn man einige Monate die Zeitungen nicht gelesen hat, und man liest sie alsdann zusammen, so zeigt sich erst, wieviel Zeit man mit diesen Papieren verdirbt. Die Welt war immer in Parteien geteilt, besonders ist sie es jetzt, und während jedes zweifelhaften Zustandes kirrt der Zeitungsschreiber eine oder die andere Partei mehr oder weniger und nährt die innere Neigung und Abneigung von Tag zu Tag, bis zuletzt Entscheidung eintritt und das Geschehene wie eine Gottheit angestaunt wird.“
Die Mahnung des Dichterfürsten klingt auch heute, wo in den Debatten schnell ein Extrem das Andere ablöst, hochaktuell. Tatsächlich sorgte sich schon im 19. Jahrhundert eine Elite, dass die Medien – vor allem, wenn sie in keine friedliche Philosophie eingebettet sind – letztlich die Freund-Feind-Verhältnisse schüren, verstärken und so auch harte Konflikte vorbereiten können.
Wenn man heute modernen Medien oft einseitige Berichterstattung über die Kriege unserer Zeit vorwirft, sollte man nicht vergessen, dass sich die Zeitungskultur gerade auch flächendeckend durchsetzte, weil sie die großen Schlachten des 18. Jahrhunderts begleitete. Dabei prägte ihre subjektive Darstellungsform eine bestimmte Perspektive. Die Berichterstattung erfolgte gewissermaßen vom Posten des Feldherrn und gewöhnte den Leser daran, die Welt aus der Sicht des Herrschers wahrzunehmen. Der Lyriker Christian Friedrich Hebbel (1813-1863) mahnte insoweit: „Zeitungen sind die einzige dem Schießpulver analoge Erfindung, und eine noch gefährlichere als diese, denn sie dienen nur einer Partei.“
Es wäre ein weiteres Thema, die spätere Politisierung der Medien im Zeitalter der Herrschaft des Nationalsozialismus zu untersuchen. Technologische Innovationen, ideologische Positionierungen und die Dialektik gegen die Gegner (und ihre „Lügenpresse“) schafften unter anderem den öffentlichen Raum für die politische Perversion der Nationalsozialisten. Im Dritten Reich war es zudem noch möglich, Rundfunk, Fernsehen und Printmedien einem politischen Willen zu unterwerfen.
Als eine der Erfahrungen aus der Überwindung der Ideologien sollte sich in der Bundesrepublik auch die Rolle der Medien verändern. Sie sollen, als eine Art „Vierte Gewalt“, zwar keine eigene Gewalt haben, aber die Macht zur Änderung der Politik oder zur Ahndung von Machtmissbrauch besitzen und so durch eine freie Berichterstattung die öffentliche Diskussion und das politische Geschehen beeinflussen können. Die eigentlichen Herausforderungen für diese neue Freiheit der Medien sind in der Nachkriegszeit weniger politischer, sondern ökonomischer und technischer Natur. Ein Problem ist dabei die immer größere Abhängigkeit der großen Medien vom Kapital und die Tendenz zur Medienkonzentration.
Die Rolle neuer Technologien verändert heute die Medienlandschaft dramatisch. Der Anteil der Menschen in Deutschland, die sich in einer (Print-) Zeitung über das aktuelle Geschehen informieren, ist seit 2005 von 51 auf nur noch 36 Prozent gefallen. Das Durchschnittsalter des Spiegel-Online-Lesers, so liest man bei Telepolis, liegt heute bei 53 Jahren, bei der Printausgabe sogar noch deutlich höher. Das Internet bietet gleichzeitig auch muslimischen Medien ihre Nischen und Möglichkeiten, das herrschende Bild der Mainstream-Medien zu verändern.
Natürlich müssen wir uns auch gerade in den Onlinemedien mit tendenziöser Berichterstattung und grundsätzlich fragwürdigen Techniken der Berichterstattung beschäftigen. Gerade die neuen Medien bieten auch spezifisch neue Möglichkeiten der Schädigung des politischen Gegners. Wie schon an anderer Stelle in der IZ ausgeführt, geht es hier um „Assoziationstechniken“, Fragen der Definitionshoheit, die Markierung von Andersdenkenden als „Islamisten“ und natürlich auch hier um die Ablehnung paradoxer Wortschöpfungen wie den „islamischen“ Terrorismus.
Der eindeutige Trend der Jugend hin zu den sozialen Medien als die primäre Informationsquelle wird unsere Wahrnehmung von Öffentlichkeit und Privatheit jedenfalls weiter radikal ändern. Die Internetpräsenz der großen Medienhäuser verschärft gleichzeitig den Kostendruck, da die Ausgaben für einen Qualitätsjournalismus gleich bleiben, aber die Werbeeinnahmen nur für sehr erfolgreiche Portale lukrativ sind. Vielen Medien ist der ökonomische Druck, der sich in oberflächlicher und plakativer Berichterstattung zeigt, bereits deutlich anzumerken. Gerade in der Berichterstattung über strittige Themen wie den Islam, entscheiden auch profane Verkaufszahlen über den Tenor der Berichterstattung. Hinzu kommt, dass muslimische Terroristen die mediale Wirkung als Teil ihrer Strategie begreifen. Sie nutzen für sich die Asymmetrie zwischen der eigenen realpolitischen Bedeutung und der öffentlichen Wirkung.
Der Philosoph Peter Sloterdijk beschrieb nach dem 11. September, sicher auch eine Zeitenwende in Bezug der Berichterstattung über die Muslime, ein grundsätzliches Phänomen. Der Terrorismus wird aus Sicht des Denkers bei uns geradezu sakralisiert und Medien nutzten dabei ihre Macht der Vergrößerung. „Nadelstichgroße Effekte im Realen werden “ so Sloterdijk „durch unsere Medien bis auf das Format von interstellaren Phänomenen vergrößert.“
Zweifellos gehört es zur Macht von Medien Ereignisse zu verstärken, manchmal auch quasi zu vermarkten. Muslime werden heute in den Medien nicht zufällig eher als „Täter“, seltener aber als „Opfer“ dargestellt. Gegen diesen Eindruck kann man, wenn man will, allerdings auch Fakten setzen. Natürlich gibt es Journalisten, die – gegen den aktuellen Trend – eine differenzierte Position gewissenhaft recherchieren und auch verbreiten. Diesen Versuch zur Differenzierung unternahm zum Beispiel Rüdiger Scheideges vom „Handelsblatt“. In seinem Artikel weist er nach, dass die größten Opferzahlen des globalen Terrorismus Muslime sind. Auch die schnelle Verknüpfung von Terror und Islam sieht er skeptisch. So mahnt er:  „2014 sind weltweit rund 33.000 Menschen durch Terrorismus (nicht durch Kriege!) vernichtet worden. In westlichen Ländern aber ist der islamische Fundamentalismus entgegen unserer Wahrnehmung nicht die Hauptursache für Terrorismus: 80 Prozent aller Getöteten standen nicht im Fadenkreuz von Dschihadisten, sondern sind Opfer von Einzeltätern, die politische oder religiöse Extremisten, Nationalisten oder Rassisten waren.“
Das Phänomen des IS/Daesh stellt nochmals eine Steigerung der Begriffsverwirrung und der Verbreitung dunkler Assoziationsketten dar. Die Debatte über die Muslime in den Medien hat sich seit dem IS-Terror nochmals deutlich verschärft. Die NGO „Mediatenor“ hat für eine Studie nach eigenen Angaben alle 265.950 Berichte über Akteure sowie 5.141 Berichte über den Islam, die katholische und evangelische Kirche in 19 deutschen TV-, Radio- und Printmedien ausgewertet. Christian Kolmer, Leiter für Politik bei Mediatenor, bringt die Lage auf den Punkt: „Der Islamische Staat katapultiert das Medien-Image des Islam in einen katastrophalen Zustand.“ Gleichzeitig bringt der Experte die künftigen Herausforderungen für uns Muslime auf den Punkt: „Wie das Image des Islam sich aus diesem absoluten Tiefstand erholen soll und in welchem Zeitraum das möglich ist, muss alle Kräfte der Integration mit größter Sorge erfüllen“.