Eine Kritik von Schwachstellen der heutigen Halal-Industrie

Ausgabe 226

Allah sagt in Seinem Edlen Buch: „O die ihr glaubt, esst von den guten Dingen, mit denen Wir euch versorgt haben, und seid Allah dankbar, wenn ihr Ihm dient!“ (Al-Baqara, 172)

(iz). Viele von uns wurden vor einiger Zeit durch Meldungen aufgeschreckt, die vom Missbrauch der ­Halal-Zer­tifizierungen und der betrügerischen Auszeichnung von Schweinefleisch sprachen. Wir dürfen uns nicht durch Details von der entscheidenden Frage ablenken lassen: Das Problem ist die Halal-Zertifizierung selbst.

In den letzten Jahren wurde diese ­Praxis zur akzeptierten Norm. Sie gilt als der beste Weg, um festzustellen, ob ein bestimmtes Produkt für den Verbrauch geeignet ist oder nicht. Aus bescheidenden Anfängen wuchsen das Halalsiegel oder das entsprechende -zertifikat rapide an. Heute sind sie Teil des Big Business und entwickelten sich zum Aspekt einer Indus­trie, die nach Angaben des interna­tionalen Market Bureau of Canada ­einen Jahreswert von 560 Milliarden ­US-Dollar haben soll.

Gewiss, es geht uns nicht um die Motive derjenigen, die Pioniere der Zertifizierung von Produkten und Lebensmitteln waren. Unsere Überlegungen gelten der Existenz eines ganzen Industriezweiges. Dieser bricht eindeutig eine Reihe bestimmender Prinzipien des Dins.

Alles hat als erlaubt zu gelten, solange es keine eindeutigen, gegenteiligen Beweise dafür gibt. Dies wird durch die Worte Allahs angedeutet: „Er ist es, Der für euch alles, was auf der Erde ist, erschuf.“ (Al-Baqara, 29) Alles auf der Erde dient unserem Nießbrauch: Es ist halal; mit Ausnahme dessen, was Allah und Sein Gesandter verboten haben.

Die Funktionsweise der Halal-Zertifizierung funktioniert nach dem gegentei­ligen Prinzip: Alles gilt als haram, ­solange es nicht als halal deklariert wird. Klar wird dies, wenn man sich die ­operativen Prozeduren dieser Einrichtungen betrachtet. Auf der Webseite einer solchen Einrichtung werden die folgenden Bedingungen für Unternehmen festgelegt, die von ihnen ein Zertifikat möchten: „Nur Halal-Lebensmittel und -Getränke, die von uns zertifiziert werden, dürfen serviert, verkauft, gelagert oder auf der untersuchten Einrichtung verarbeitet werden.“ Des Weiteren heißt es dort: „Sollten Einzelhändler Einkäufe tätigen, ist dies nur bei solchen Lieferanten erlaubt, die ausdrücklich von uns freigegeben wurden.“ Allah erlaubte uns weitaus mehr, als Zertifizierer uns glauben machen ­wollen.

Das zweite Prinzip ist, dass Allah der Gesetzgeber ist. Es ist weder an uns, noch an den ‘Ulama, sich als diejenigen aufzuspielen, die Gesetze erlassen. Es gibt im Islam weder eine ­Priesterkaste, noch eine spezielle Klasse von Leuten, durch die Allah wirkt oder in deren Händen die Erlösung der Menschheit liegen würde. Diese Vorstellung ist dem Islam vollkommen fremd.

Die ‘Ulama sind einfach nur jene, denen Allah ‘Ilm (Wissen von Seinem Din und Seinen Urteilen) gab. Es ist ihre Verantwortung, dieses an den Rest von uns weiterzugeben, anstatt es zurückzuhalten und an den Höchstbietenden zu verkaufen. Sie dürfen keine Urteile verkaufen, denn diese gehören nicht ihnen, sondern Allah.

Daher dürfen sie auch keine Gebühren von den Menschen nehmen, um zu deklarieren, dass ihre Produkte halal ­seien. Indem sie das tun, ahmen sie ein Verhal­ten nach, für das die Leute des Buches von Allah in der Sura Al-Baqara kritisiert wurden: „Und verkauft Meine Zeichen nicht für einen geringen Preis!“ (Al-Ma’ida, 44) Die Erzielung eines Profits aus der selektiven Verteilung von Urteilen ist ­abzulehnen.

Der Preis, den diese Lebensmittelunternehmen bezahlen, wird dann an ihre Kunden weitergegeben. Dies führt beinahe automatisch dazu, dass zertifizierte ­Le­bensmittel teurer sein müssen als jene ohne. Diese Zertifizierung wurde zu einer Art geheimer Steuer, bei der das Geld aus den Taschen der normalen Muslime in die Schatullen islamischer Organisationen, der ‘Ulama oder der Zertifizierungsfirmen fließt.

Nicht nur einfache muslimische Verbraucher leiden darunter, sondern auch kleine Unternehmer. Bevor der Halal-Stempel verbreitet war, kauften beinahe alle Muslime ihr Fleisch lokal. Seit dem Auftauchen des Siegels haben Supermärkte den Schlachtern die Mehrheit ­ihrer Kunden abgeworben. Sie richten Halal-Abteilungen ein und unterbieten Muslime bei den Preisen. Verbleibenden Halal-Geschäften und -Restaurants wird mit Misstrauen begegnet, wenn Zertifika­te fehlen. Nicht länger wird dem Wort eines Muslims vertraut, sein Essen sei ­halal.

Unabhängig davon, wie ­gottesfürchtig unsere heutigen Gelehrten sind, dass von ihnen ins Leben gerufene System hat die Tür für weniger prinzipientreue ­Ge­stalten geöffnet, von ihm Gebrauch zu machen. Dergleichen geschieht bereits in anderen Teilen der Welt, wo bekannt wurde, dass Halal-Siegel wissentlich für Produkte vergeben wurden, die sich später als alles andere als halal erwiesen. Das gleiche passiert bei uns.

Ein weiteres, schwerwiegendes Problem in der Halal-Zertifizierung – wie der gesamten Halal-Industrie – ist, dass sie sich rein auf die Mechanismen des Schlachtens und der Lebensmittelproduktion konzentriert, ohne fundamenta­le Parameter in Betracht zu beziehen, was es heißt, etwas für halal zu erklären. ­Allah sagt im Qur’an: „Oh, ihr Menschen, esst von dem, was erlaubt und gut auf der Erde ist.“ Unsere Nahrung sollte genauso hochwertig sein, wie sie halal ist. Die Tiere sollten gut und barmherzig behandelt werden. Der Prophet, möge Allah ihn ­segnen und ihm Frieden zu geben, wurde als Barmherzigkeit für alle Welten entsandt, inklusive der Tiere und der Umwelt. Heute geschieht das Gegenteil: Tiere müssen heute ihr ganzes Leben in ­engen Käfigen verbringen und werden unter Einsatz von Wucher und Ausbeutung verkauft.