Umgang mit dem Ereignis

Ausgabe 259

Foto: Aiman Mazyek | Facebook

(KNA). Das Gefühl ist längst vertraut. Der Druck im Magen, der Kloß im Hals; die Sprachlosigkeit und das Entsetzen. Brüssel, Nizza und jetzt Berlin. Viele Reaktionen in den sozialen Medien gleichen jenen auf frühere Anschläge. Am 19. Dezember ist jeder Berliner. Unter Hashtags schreiben Menschen, wie be- und getroffen sie sich fühlen. Das digitale Pendant zu Trauerbeflaggung oder Schweigeminuten hat sich längst etabliert.
„Not lehrt Beten“, sagt der Volksmund, und an solchen Tagen zeigt sich der wahre Kern dieses Ausspruchs. #PrayForBerlin ist seit dem späten Tag des Anschlags ein vielgenutzter Hashtag. Wie bei früheren Attentaten wird er teils abgewandelt zu #PrayForPeace oder #PrayForTheWorld. Bischöfe, Bistümer und Hilfswerke posten Fotos von brennenden Kerzen, gefalteten Händen – oder Gebetstexte. „Ich möchte nicht allein, traurig und verängstigt zu Hause sitzen“, schrieb eine Userin. Eine andere kommentierte: „Hoffentlich lebt die Familie noch, von denen ich gestern den Glühwein gekauft habe.“
Seit dem Sommer zeigt sich indes, dass die Sozialen Medien auch für die Behörden eine wichtige Rolle spielen. Bereits beim Amoklauf von München informierte die Polizei über Twitter. Am Abend des Anschlags liefen die Accounts der Berliner Polizei heiß: Dort fanden sich Hinweise zum aktuellen Sachstand und die Telefonnummer, die für Angehörige von Opfern geschaltet worden war. Daneben mahnte die Polizei auf diesem Weg, keine Gerüchte zu verbreiten und Bildmaterial vom Tatort nur an die Ermittler weiterzugeben.
Daran hielt sich nicht jeder – auch nicht die klassischen Medien. Ein Reporter der „Berliner Morgenpost“ postete auf Facebook Live-Bilder vom Weihnachtsmarkt, auf denen teils Verletzte und Helfer zu sehen waren. Der Deutsche Journalisten-Verband sprach in einer Stellungnahme von einem Verstoß gegen den Pressekodex. „Wir schämen uns“, so der Verband.
Die Möglichkeit, über die Sozialen Medien live und nonstop zu berichten, bleibt ein zweischneidiges Schwert – und das nicht allein aus Gründen der Pietät. Am Tag danach erklärte die Berliner Polizei, sie wisse die vielen Danksagungen zu schätzen, die sie über Twitter erreicht hätten. Um effizient arbeiten zu können, wünsche man sich aber, „dass sie weniger zahlreich wären“.