Asyl-Debatte prägt Bücher-Herbst – Buchbranche sagt willkommen. Von Paula Konersmann

Pegida-Demos, Hetze im Internet, Angriffe auf Flüchtlingsheime: Mehrere Buchautoren sehen darin den alarmierenden Erfolg eines neuen rechten Milieus. Unterdessen startet die Buchbranche eine breite Flüchtlingsinitiative.

Bonn (KNA). Von Til Schweiger über Joko und Klaas bis hin zu einem Kollektiv aus über 20 deutschen Bands: Immer mehr Prominente beziehen Stellung gegen Fremdenhass. Neben ihrem teils jahrzehntelangen Einsatz für Flüchtlinge treibt sie akute Sorge um: die Sorge, Ausländerfeindlichkeit könnte in Deutschland zu einer „Mainstream-Gesinnung“ werden. So formulierte es Tote-Hosen-Sänger Campino unlängst gegenüber der „Aargauer Zeitung“. Wie groß diese Gefahr tatsächlich ist und wer sie mit welchen Mitteln schürt, damit befassen sich in diesem Herbst gleich mehrere Neuerscheinungen.

Die Idee zu „Gefährliche Bürger“ sei zu Jahresbeginn entstanden, schreiben die Autoren Liane Bednarz und Christoph Giesa in der Einleitung. Damals sorgten die Demonstrationen der anti-islamischen Pegida-Bewegung für Schlagzeilen; es folgten Wahlerfolge der euroskeptischen AfD und brennende Asylbewerberheime. Diese Entwicklung sei nicht überraschend, so die beiden Publizisten: Es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Infiltration der Mitte durch ein neues rechtes Milieu „erste Erfolge“ zeigen werde.

Die Autoren schlagen einen Bogen von Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“, das „Tür und Tor für eine neue Welle der Pauschalisierungen und Diskriminierungen weit geöffnet habe“, über den NSU-Prozess hin zu selbsternannten „Putinisten“. Sie erinnern an die feindselige Stimmung gegenüber Asylbewerbern zu Beginn der 1990er Jahre und ziehen Vergleiche zur konservativen Tea-Party-Bewegung in den USA.

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Die gesamteuropäische Lage nimmt Reinhard Olschanski in den Blick. Das Ressentiment, so die titelgebende These, vergifte den europäischen Geist; es wolle keine Probleme lösen, sondern Feinde konstruieren. Dabei, betont der Sozialphilosoph, sei die „Restutopie Europa“ heute nötiger denn je.

Der Wissenschaftstheoretiker Erhard Oeser unternimmt eine kulturhistorische Spurensuche. Auf knapp 500 Seiten untersucht er die Angst vor dem Fremden – von der Antike bis zum heutigen Konflikt zwischen Orient und Okzident. Es sei ein grundlegender Fehler, dass Xenophobie oftmals verleugnet werde, so seine These: Diese repräsentiere „nichts anderes als die dunkle Seite der fortschreitenden Zivilisation“.

Auch die Zeit der Glaubenskämpfe sei noch nicht vorbei, so Oeser weiter. Das zeige sich heute an der Islamfeindlichkeit, der „dominanten Form der Xenophobie in unserer globalisierten Welt“, aber auch an einer „Fremdenfeindlichkeit zweiter Art“, die etwa bei jugendlichen Straftätern mit Migrationshintergrund gegenüber Deutschland zu beobachten sei. Es sei möglicherweise vergeblich, mit Aufklärung dagegen anzuarbeiten, schreibt Oeser, es müsse jedoch versucht werden.

Ähnlich engagiert äußern sich Bednarz und Giesa, und sie sehen auch gute Nachrichten: „Es bewegt sich etwas“. Die Bevölkerung engagiere sich ehrenamtlich für Flüchtlinge, Politiker jeglicher Couleur würdigten dies, und Journalisten ließen sich nicht länger unwidersprochen als „Lügenpresse“ beschimpfen.

Die Autoren würdigen auch die Rolle der Kirchen: Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick etwa hatten sich zu Jahresbeginn deutlich gegen Pegida positioniert. Am Kölner Dom wurden während einer Demonstration der Islamgegner die Lichter abgeschaltet; Schick betonte, Christen dürften bei Pegida nicht mitmachen. Beide ernteten Zustimmung – und Hassmails.

Gute Absichten könnten indes ins Gegenteil kippen, warnen die Autoren. Um dies zu verhindern, kommen sie zu einem unkonventionellen Ratschlag: Die Gesellschaft solle sich an den deutschen Juden orientieren, die Ressentiments spürten, „bevor es andere auch nur erahnen“ und sich umgekehrt von Pauschalisierungen fernhielten: Das sei „eine echte Inspiration“.

Die offenbar auch Auswirkung auf die Buchbranche selbst hat: Sie kündigte am Montag eine Willkommensinitiative an. Flüchtlinge sollen einfachen und schnellen Zugang zu Lern- und Lesematerial erhalten, so der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Frankfurter Buchmesse und die LitCam. Schirmherr ist der Schriftsteller Navid Kermani, der in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält. „Wir sollten uns nicht abschotten und könnten es auch gar nicht“, sagte er.

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