
Junge Flüchtlinge stehen bei Bildung und Beruf vor mehreren Herausforderungen für einen Erfolg.
(iz). Obwohl die deutsche Integrationspolitik weiterhin recht umfassend ist, weisen Experten darauf hin, dass die vollständige Einbindung von Migranten und Flüchtlingen in Deutschland nach wie vor durch verschiedene Probleme behindert wird. Von Salman Ahmed
Einrichtungen wie die Grone-Schulen agieren im Kern des deutschen Integrationsprogramms. Hunderte neue Flüchtlinge und Asylsuchende nehmen an öffentlich finanzierten Integrationsprogrammen der Einrichtungen im ganzen Land teil.
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Junge Flüchtlinge stehen vor großen Herausforderungen
Einer der Ersten, die vor Unterrichtsbeginn eintreffen, ist der 17-jährige Syrer Mohammad Tafesh, der 2016 mit seiner Familie nach Berlin kam. Damals hatte die Bundesrepublik über eine Million Menschen aus Ländern wie Syrien, Irak und Afghanistan aufgenommen.
Wie die meisten nahm auch er an dem anfänglichen sechsmonatigen Integrationsprogramm teil, um seine Deutschkenntnisse und Wissen über das Leben in Deutschland zu verbessern. Letztes Jahr scheiterte er aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse an den Schulprüfungen und wurde an Grone verwiesen, um ihm zu helfen, seinen mittleren Schulabschluss zu erreichen.
Dr. Panu Poutvaara ist Mitglied im Expertenrat beim Center for International Institutional Comparisons and Migration Research. Für ihn seien „Sprachen und Bildung Schlüssen für erfolgreiche Integration. Jüngere Flüchtlinge sind generell besser platziert als ältere, um sich erfolgreich zu integrieren. Aber viele stehen vor Herausforderung, um bei Sprache und Bildung aufzuholen.“
Der Rest von Tafeshs Mitschülern trudelt langsam ein, als die erste Klasse des Tages beginnt. Fast alle haben einen ähnlichen Hintergrund: entweder Migranten oder Flüchtlinge. Die große Mehrheit kommt aus ethnischen Minderheiten – und leider brauchen beinahe sämtliche weitere Integrationskurse, um die Grundbildung in Deutschland abzuschließen.
Dies würde auf ein Versagen des allgemeinen Integrationssystems hindeuten. Experten sind der Meinung, dass hier weitreichendere Ursachen vorhanden sind.
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Unzureichende Einbindung
Wie Tafeshs Englischlehrer betont, fehlt es vielen Schülern an Motivation und Selbstvertrauen, um das Leben in Deutschland zu verstehen. Der Lehrer Bob Rigney berichtet: „Es gibt einen klaren Mangel an Assimilation, was zu mangelndem Selbstvertrauen und dem Gefühl führt, dass die Person nicht Teil der größeren Gesellschaft ist.“
Bob sagt, er habe unter seinen Schülern ein Gefühl der Segregation festgestellt. 10 von 12 in seiner Klasse hätten einen Migrations- oder Flüchtlingshintergrund und alle haben in Deutschland keinen Grundschulabschluss gemacht.
Tafesh erzählt, dass fast sein gesamter Freundeskreis einer Minderheit angehört und dass er sich von der Gesellschaft aufgrund seiner Hautfarbe anders behandelt fühlt. „Das ist nicht neu. Der Rassismus in der Gesellschaft ist ein wichtiger Grund für die mangelnde Motivation vieler Schüler, die keine Zukunft für sich sehen“, meint auch Rigney.
Dr. Putvaara verweist auf Erhebungen: „Nach einer repräsentativen Studie unter Flüchtlingen in Deutschland von 2020 berichteten zehn Prozent von regelmäßiger Diskriminierung. Diese Zahlen sind etwas höher als vor der Covid-19-Pandemie.“
Heute scheint sich die Lage verschlechtert zu haben. 2022 wurden in Deutschland 23.000 rechtsextreme Straftaten registriert. Im Vergleich zu 2021 war das ein Anstieg von fünf Prozent. Darunter gehörten über 1.100 gewaltsame Angriffe.
Experten zufolge könnten die tatsächlichen Zahlen deutlich höher sein, da viele Opfer keine Anzeige bei der Polizei erstatten würden. Sie glauben, dass ihre Beschwerden nicht ernst genommen werden.
Obwohl es in Deutschland ein umfassendes Integrationsprogramm gibt, das jungen Erwachsenen wie Tafesh hilft, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden und zu integrieren, tragen die in einigen Teilen des Landes vorherrschenden Vorurteile dazu bei, dass junge Menschen mit Migrations- oder Flüchtlingshintergrund davon abgehalten werden, ihr Potenzial zu entfalten.
Neben den kommunikativen Herausforderungen spielt laut Dr. Poutvaara „auch die Einstellung lokaler Bevölkerungsteile gegenüber Einwanderern eine Rolle. Meine jüngsten Arbeiten zeigen, dass Flüchtlinge, die in Bezirken mit einer negativeren Einstellung zu Zuwanderern untergebracht werden, später seltener eine Beschäftigung finden, selbst wenn man die lokale Arbeitslosigkeit berücksichtigt“.
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Schlechte Integration am Arbeitsplatz
Mohammad spricht ruhig und wägt jedes Wort, während er niedergeschlagen aussieht. Er ist mit seiner Lage unzufrieden. Aber sein Lehrer meint, die meisten seiner jungen Erwachsenen erkennen ihr Potenziel häufig nicht. „Tafesh leidet unter geringer Motivation, er muss hier sein, um seine Schulpflicht zu erfüllen, damit seine Familie weiterhin Geld vom Sozialamt erhält“, sagt Tafeshs Englischlehrer.
Offizielle Arbeitslosenzahlen zeigen, dass fast zwei Drittel der arbeitsfähigen Syrer ganz oder teilweise auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Ein Grund dafür ist laut einer Studie der Agentur für Arbeit aus dem Jahr 2020, dass Flüchtlinge oft keine Dokumente mit formalen Qualifikationen vorweisen können und in Bereichen mit geringerem Lohnniveau beschäftigt sind.
Andere Barrieren für den Eintritt in die Arbeitswelt sind die fehlende Anerkennung von internationalen Abschlüssen und Qualifikationen, geringen Sprachkenntnissen sowie fehlender Erfahrung mit der deutschen Arbeitskultur.
Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung traten 2018 monatlich zwischen 8.500 und 10.000 Flüchtlinge in den bundesrepublikanischen Arbeitsmarkt ein. Die Forscher hatten damals hochgerechnet, dass rund 50 Prozent der Neuankömmlinge aufgrund mangelnder Fremdsprachenkenntnisse auch fünf Jahre nach ihrer Ankunft arbeitslos sein werden.
Dr. Poutvaara stimmt dem zu. Er hält aber seine Ansicht aufrecht, dass Herausforderungen auch länger bleiben, weil in einigen Teilen des Landes Erfahrungen mit Umgang mit Migranten fehlen.
„Im Allgemeinen gibt es in Deutschland viele freie Stellen, sodass die Situation für diejenigen, die ihre Ausbildung in Deutschland abgeschlossen haben und gut Deutsch sprechen, im Allgemeinen gut ist. Für diejenigen, die nur einen Teil ihrer Ausbildung in Deutschland absolviert haben, hängt viel davon ab, wie gut sie die Sprache gelernt haben und wie gut ihre Ausbildung den Qualifikationsanforderungen des Berufs entspricht, für den sie sich bewerben. Für viele qualifizierte Berufe sind fortgeschrittene Sprachkenntnisse erforderlich. Sind diese begrenzt, ist das eine große Einschränkung.“
Er fügt hinzu: „Leider sind Flüchtlinge in einigen Fällen immer noch mit Diskriminierung und Vorurteilen konfrontiert, vor allem in Gebieten mit einem geringen Anteil früherer Einwanderer und einer relativ hohen Arbeitslosenquote, insbesondere in den neuen Bundesländern. Ein weiteres allgemeines Problem ist der Mangel an sozialen Netzwerken zu Arbeitgebern, die Informationen über freie Stellen vermitteln könnten.“
Die Förderung des Erwerbs von Deutschkenntnissen schlug sich in einem Anstieg der Teilnahme von Geflohenen an staatlich geförderte Berufsbildungsprogramme nieder. Laut Regierungsstatistiken wurden im Jahr 2018 28.000 Flüchtlinge in formale Berufsausbildungsprogramme aufgenommen, was einem Anstieg von 50 Prozent gegenüber 2017 entspricht.
Die Verbesserung seiner Deutschkenntnisse und der Erwerb des mittleren Schulabschlusses würden Mohammed Tafesh für die Teilnahme an einem dieser staatlich geförderten Berufsausbildungsprogramme qualifizieren. Trotz schwächelnder Motivation hat er seine eigenen Ambitionen.
Um die soziale Gleichheit zu fördern, haben mehrere deutsche Regierungseinrichtungen stark in ethnische Minderheiten investiert. Die Berliner Polizei ist eine der vielfältigsten Polizeidienststellen des Landes. Fast ein Drittel ihrer Bediensteten hat einen Migrationshintergrund, und sie wirbt weiterhin aktiv um Angehörige von Minderheiten. Tafesh hofft, nach Abschluss seiner Ausbildung in den Polizeidienst eintreten zu können.
* Dieser Artikel wurde mit Unterstützung von Journalismfund Europe erstellt.