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Bosniens neues Wahlgesetz: Der Repräsentant blamiert sich

Ausgabe 326

Foto: Office of the High Representative, ohr.int

Das neues Wahlgesetz hat bei bosniakischen Muslimen und internationalen Beobachtern Vorwürfe hervorgerufen, die Pläne des OHR führten zu Apartheid.

(iz). Tausende Menschen versammelten sich am 25. Juli in Sarajevo vor dem Sitz des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina (OHR). Sie protestierten gegen eine von dem Deutschen Christian Schmidt geplante Änderung des Wahlrechts. Sie sollte bei der Abstimmung am 2. Oktober gelten und vor allem den als Föderation bezeichneten Landesteil betreffen, wo hauptsächlich Bosniaken und Kroaten leben. Laut Berichten deutscher Medien haben über 7.000 besorgter BürgerInnen an dem Protest teilgenommen. 

Einige Tage zuvor hatten Medien berichtet, dass Schmidts Büro Beratungen mit der internationalen Gemeinschaft führt, um ein neues Gesetz über die Wahl der Abgeordneten für das Parlament der Volkskammer der bosnisch-kroatischen Föderationseinheit durchzusetzen. Beobachter gehen davon aus, dass das OHR mit diesen Änderungen den kroatischen Nationalisten der HDZ und der nationalistischen sezessionistischen serbischen Partei SNSD einen unverhältnismäßig großen politischen Einfluss verschaffen und die diskriminierenden ethnischen Spaltungen weiter vertiefen würde.

Den Reformen zufolge verlieren die „konstituierenden Völker“ Bosniens Vertreter in der Völkerkammer, wenn ihre ethnische Bevölkerung in einem Föderationskanton weniger als drei Prozent der gleichen Bevölkerungsgruppe in der Föderationseinheit ausmacht. Ismail Cidic, Präsident des Bosnian Advocacy Center, erklärte gegenüber dem englischen Programm von Al Jazeera, dass die vom OHR vorgeschlagenen Änderungen „Apartheid für Bosniaken (bosnische Muslime) bedeuten“.

„Der Vorschlag sieht vor, dass die Stimmen der Bosniaken nicht den gleichen Wert haben wie die der bosnischen Kroaten, die letztlich die politischen Bedingungen im Land diktieren könnten, obwohl sie nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Hinzu kommt, dass die bosnischen Minderheiten trotz zahlreicher Gerichtsurteile zu ihren Gunsten erneut übergangen werden. Für die internationale Gemeinschaft scheint es nach wie vor wichtiger zu sein, die ohnehin begrenzte politische Macht der Bosniaken zu beschneiden, als sich für die Sicherung gleicher Rechte für alle, einschließlich der Minderheiten, einzusetzen“, so Cidic.

Erich Rathfelder, der jahrzehntelange Bosnien-Spezialist der „tageszeitung“ hielt sich mit Kritik an dem Vorhaben Schmidts und der de facto Bevorzugung kroatischer Nationalisten nicht zurück: „Dass sich Schmidt auf die Forderungen der kroatischen Nationalisten einlassen will, hat das Amt des Hohen Repräsentanten jetzt schon beschädigt. Zumindest hat er die Mehrheit der Bevölkerung gegen sich vereinigt.“

Dr. Harun Karčić, Al Jazeera-Korrespondent für Bosnien sowie Fachautor zum Thema, spitzte das Vorhaben des Hohen Repräsentanten prägnant zusammen. „Die entscheidende Gretchenfrage lautet: Wie viel Prozent an bosniakischen Muslimen sind in Bosnien und Herzegowina zu tolerieren?“

Am 26. Juli warnte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor der Einführung des neuen Wahlgesetzes. Schmidts Pläne wären ein großer Schritt in Richtung Teilung des Landes nach ethnischen Kriterien und damit hin zu einem neuen Krieg in Europa. Sollte Schmidt die Verfassung in der Föderation tatsächlich wie geplant verändern, werde er den Nationalisten in allen Landesteilen in die Hände spielen, sagte die Direktorin der bosnischen GfbV-Sektion in Sarajevo, Belma Zulcic.

„Dies wäre das Ende der moderaten Parteien im Land, deren Anhänger und Mitglieder nicht von Ethnizität und Nationalpolitik geleitet werden. Darüber hinaus würde er damit mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ignorieren, der selbst das bereits bestehende Wahlgesetz für diskriminierend hält und gefordert hat, alle Bürger des Landes müssten die gleichen Chancen haben, an Wahlen teilzunehmen oder für Ämter zu kandidieren.“