Deutsch-irakischer Autor: Brutalität der IS hat viele Wurzeln

Hamburg (KNA). Sherko Fatah (49), deutsch-irakischer Schriftsteller, hält die Brutalität der islamistischen Terrorgruppe «Islamischer Staat» (IS) für strukturell bedingt. Es gebe bei den Kämpfern, die den Nordirak und Syrien heimsuchen, keine festen militärischen Hierarchien, sagte Fatah der «Zeit» (Donnerstag). Vor Ort träfen Feldkommandeure die Entscheidungen. «Und die sind häufig bestrebt, besonders gefährlich und brutal zu sein.» Dazu gehörten auch Hinrichtungen oder militärisch sinnlose Attacken etwa auf die Jesiden.

Gleichzeitig richteten sich der Zorn und die Gewalt der Extremisten gegen den Westen, der aus ihrer Sicht mit seiner Lebenseinstellung und Kultur den Glauben relativiere. «Mit etwas Geschichtsbewusstsein kann man das auch als Christ noch nachvollziehen», sagte Fatah. «Der Bildersturm von Girolamo Savonarola im 15. Jahrhundert war auch ein Reinheitsfanatismus.»

Die gesamte arabische Welt hat nach den Worten des Autors in den vergangenen Jahrzehnten «epochale Verwandlungen» erlebt, hin von westlich geprägten Staaten mit teils autoritären Führern zu religiös dominierten Gesellschaften. Das gelte auch für den Irak: «Jetzt gibt es etwas, was der gesamten Region Bedeutung verschafft und groß wirkt: der Islamismus. Er beschäftigt den Westen, das schafft Befriedigung.»

Als unmittelbares Vorbild für den IS-Terror sieht Fatah den 2006 von US-Amerikanern getöteten Al-Kaida-Verbündeten Abu Musab Al-Sarkawi. Dieser habe die Praxis der Enthauptungen als «Propagandamittel» eingeführt. Ein Grund für das Ausbreiten der Extremisten ist nach Ansicht von Fatah eine «ungeheure Überbevölkerung» in der Region. Die irakische Hauptstadt Bagdad beispielsweise habe 1935 rund 300.000 Einwohner gezählt; jetzt seien es acht Millionen. Gerade jungen Menschen in dem Land fehlten die Perspektiven; sie seien so empfänglich für die Ideen der Fundamentalisten.