Die muslimische Gemeinschaft am südlichen Ende Afrikas kann auf eine lange Geschichte zurückblicken

Ausgabe 227

(iz). Im April feiert Südafrika 20 Jahre in Freiheit. Zum ersten Mal durften 1994 alle Bürger wählen, unabhängig von ihrer Religion, Hautfarbe oder Geschlecht. Am Rand des „Freedom Days“ feiert eine Gemeinde ihr eigenes Jubiläum: 320 Jahre Islam Kap. Mit knapp zwei Prozent bilden Muslime eine Minderheit in Südafrika, doch mit ihrer Geschichte, dem rauschenden Leben in Kapstadts Muslimvierteln und ihrem Beitrag zu Politik und Kultur sind sie aus Nelson Mandelas „Regenbogennation“ nicht mehr wegzudenken.

Die Anfänge des südafrikanischen Islam waren gezeichnet von Gewalt, Terror und Unterdrückung. Bei den ersten Muslimen am Kap handelte sich um Sklaven, welche die holländischen Kolonialherren aus Indonesien herschifften. Wie das damalige Niederländisch-Ostindien, war auch das Gebiet rund um Kapstadt eine Kolonie der niederländischen Krone.

Die so genannten Kap-Malaien kamen vorwiegend von der indonesischen Insel Sumatra und mussten in ihrer neuen Heimat Zwangsarbeit verrichten. Erst später folgten ihnen auch politische Gefangene, die nach Auffassung der Kolonialherren zu viel Macht genossen. So auch Sheikh Yusuf von Makassar. Der muslimische Gelehrte hatte in Arabien und Jemen studiert und beriet auf der Insel Java Sultan Ageng Tirtayasa.

Nach dessen Sturz verhafteten die Niederländer Yusuf und brachten ihn ins Exil nach Kapstadt. „Zwar landeten andere politische Gefangene lange vor Sheikh Yusuf am Kap, aber sein internationales Ansehen als spirituelle und akademische Figur machte ihn zum beachtenswertesten Patriarchen des südafrikanischen Islam“, berichtet die Tageszeitung „Cape Times“.

Die Behörden verbannten Yusuf auf eine abgelegene Farm. Ziel war es, ihn von der Außenwelt abzuschotten, aber der Schuss ging nach hinten los und die Farm wurde nach und nach zur Anlaufstelle für geflohene Sklaven, die mit Yusuf lebten und seinen Lehren horchten. Der Kapstädter Bezirk Macassar, benannt nach Yusufs Heimat, erinnert noch immer an sein Wirken und bis heute gilt der April 1694, der Monat, in dem Yusuf in der Kapkolonie eintraf, als Grundsteinlegung für den lokalen Islam.

1994 gedachten Kapstadts Muslime Sheikh Yusuf mit einer gigantischen „300-Jahr-Feier“. Mehr als ein kultureller Event, sollte die Feier eine neue Ära der Freiheit einläuten. „Es ist passend, dass sich die Gedenkfeier mit den ersten freien Wahlen überschneidet“, meinte Nelson Mandela. „Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie in unserem Land zu schaffen, ist wohl das größte Tribut, das wir Sheikh Yusuf zollen können.“ Shafiq Morton, der als Pressesprecher des Events arbeitete, meint: „Es weckte das weltweite Interesse für eine bisher unbekannte muslimische Gemeinde am unteren Ende Afrikas.“

Im Bo-Kaap, Kapstadts traditionellem Muslimviertel, lebt eine Afrikaans-sprechende Gemeinschaft, die in den letzten Jahrhunderten eine eigene Küche, Musikrichtung und Kultur hervorbrachte. Das „Muslim Judicial Council“ vergibt Halal-Zertifikate, eine andere Organisation stellt Pilgern das Visum für die Hadsch aus und in 150 Moscheen im Großraum Kapstadt finden Muslime zum Beten zusammen.

Die Kap-Muslime sind eine tief gläubige, aber zugleich weltlich integrierte Gemeinde. Ihre Anhänger finden sich nicht nur im Sport, wie etwa Hashim Amla als Spieler der nationalen Cricket-Mannschaft, sondern auch in der Politik, wie Vize-Innenministerin Fatima Chohan oder Wirtschaftsminister Ebrahim Patel. Südafrikas Verfassung räumt seinen Bürgern eine umfassende Religionsfreiheit ein. Kopftücher am Arbeitsplatz, an der Universität oder im Verkehr gehören zum gewohnten Anblick.

Aktuell sehen sich Südafrikas Muslime einem Wandel unterzogen: Während in Somalia, der Zentralafrikanischen Republik oder Mali ein radikaler Islam herrscht und staatliche Institutionen untergraben werden, gilt Südafrika als stabile Demokratie. Nach seiner Öffnung 1994 empfängt das Land am Kap daher Flüchtlinge aus ganz Afrika. Ein wesentlicher Teil sind Muslime. Auch aus Pakistan strömen immer mehr Muslime ans Kap, um in Südafrika ihr wirtschaftliches Glück zu finden. Sie stärken nicht nur den Namen der „Regenbogennation“, sondern geben auch deren muslimischer Gemeinde nach 320 Jahren ein neues Gesicht.