Eine neue britische Muslimin berichtet über ihren Weg zum Islam­

Ausgabe 214

(SM). Mich hat das Unsichtbare immer fasziniert und ich wusste, dass es im Leben wesentlich mehr gibt, als wir Menschen begreifen können. Die Dinge der Transzendenz zogen mich an, wie die Motte zum Licht drängt. Sie ängstigten mich, aber faszinierten mich gleichzeitig auch. Andererseits habe ich eine logische ­Seite und deshalb beschäftigte ich mich gleichermaßen mit Wissenschaften – mit Biologie, insbesondere mit der menschli­chen Physiologie. Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum ich am Ende auf dem Gebiet der Schlafmedizin arbeite. Ein Thema, das mich seit über 25 ­Jahren fasziniert. Auf diesem Gebiet haben wir sowohl mit der menschlichen Physiologie, als auch mit Psychologie zu tun.

Vor wenigen Jahren fingen bei mir sehr eindrückliche und symbolische Träume. Obwohl, wenn ich genau nachdenke, ich hatte während meines ganzen Lebens eigentlich immer bestimmte, wiederkehrende Träume. Erst heute fange ich an, sie zu verstehen.

Zeitgleich mit diesen, sehr symbolischen Träumen bekam ich seltsame Gefühle in meiner Brust. Gelegentlich fühlte es sich an, als würde mein Herz bersten und meine Rippen brechen. Das raubte mir den Atem. Ich war alleinerziehende Mutter mit hohem Blutdruck und Krebs in meiner Familiengeschichte. Ich glaubte, mich unwohl zu fühlen. Ich war verängs­tigt und machte mir vor allem wegen meiner Kinder Sorgen. Außer meinem Hausarzt habe ich niemandem davon erzählt. Er überwies mich zu einer Ultraschalluntersuchung ins Krankenhaus, in dem ich arbeite, aber ich hatte zu viel Angst, meine Überweisung zu entsprechenden Fachabteilung zu bringen. Zu dem Zeitpunkt kommunizierte ich mit einer Frau aus Kanada über das Internet. Ich erwähnte ihr gegenüber meinen Zustand. Sie wurde sehr munter und erzählte mir daraufhin von einem Kapitel des Qur’ans, das der Erweiterung der Brust gewidmet ist.

Ich fand die Übersetzung im Internet: „Haben Wir dir nicht deine Brust aufgetan und dir deine Last abgenommen, die deinen Rücken niederdrückte, und dir dein Ansehen erhöht? Also gewiss, mit der Erschwernis ist Erleichterung, gewiss, mit der Erschwernis ist Erleichterung. Wenn du nun fertig bist, dann strenge dich an und nach deinem Herrn richte dein Begehren aus.“ (Asch-Scharh)

Nachdem ich dies las, war meine Erleich­terung und meine emotionelle Befreiung so groß, dass ich weinen musste. Hier, in einem Buch, das ich niemals zuvor gelesen hatte, war die Antwort auf meine Frage in wenigen Sätzen formuliert. Zu dieser Zeit wusste ich nichts vom Islam. Mir war nur klar, dass ich Muslim werden musste.

Ich erinnere mich, wie ich am gleichen Nachmittag in Leicester durch eine Gegend fuhr, in der es viele Moscheen gibt. Jedes Mal, wenn ich an einer vorbeifuhr, fühlte sich mein Herz an, als würde es bersten. Ich wartete, bis ich Männer sah, die aus einer kamen. Ich eilte auf sie zu, um jemanden zu finden, mit dem ich reden könnte, irgendjemanden. Ich ­dachte, alle Muslime würden so denken. Aber: Ich wurde abgewiesen. Im Nachhinein glaube ich, dass sie mich wahrscheinlich für verrückt hielten; eine hysterische Frau mittleren Alters, die vollkommen unzusammenhängend quasselte. Es schien niemand zu geben, der mir helfen wollte und so fuhr ich einfach nach Hause. Aber so leicht ließ ich mich davon nicht abschrecken.

Ich arbeite in einem Krankenhaus, in dem es auch Pastoren, Rabbiner und Imame gibt. Ich machte einen Termin mit einem Iman und teilte ihm mit, dass ich Muslim werden wollte. Er sagte mir, dass ich dies jetzt sofort in seiner Gegen­wart tun könnte, was mich einfach einschüchterte. Ich war überrascht, aber er sagte, wenn ich wirklich diesen Wunsch verspüren würde, sollte ich auf keinen Fall zögern. Nach allem: Niemand ­wisse, was das Morgen bringen wird. Ich kann mich nicht mehr erinnern, an welchem Tag ich genau konvertierte. Es gab ­keine Urkunde, keine Feier. Ich weiß nur noch, dass der Boden schneebedeckt war und die Sonne schien.

Von den Implikationen meines Muslim-Seins hatte ich keine Ahnung – sowohl, was mich betrifft, als auch meine Familie. Seitdem habe ich weder Alkohol ange­rührt, noch vermisse ich ihn. ­Wegen meiner Arbeit ist das Ramadanfasten hart, aber ich habe keinen einzigen Tag verpasst, seitdem ich konvertiert bin. Ich bete fünf Mal täglich und liebe von ­allen das Morgen- und das Abendgebet. Noch vermisse ich Schweinefleisch. Im Gegen­teil, im Laufe der Zeit bin ich beinahe Vegetarier geworden und fühle mich – körperlich und geistig – besser. Meine Träume sind mir immer noch wichtig. Sie helfen mir, mit meiner Vergangenheit ins Reine zu kommen und bei der Richtung, die mein Leben einschlagen soll. Ich trage noch kein Kopftuch, aber das ist eine bewusste Entschei­dung. Es gibt etwas, das ich vorher tun möchte. Ich möchte eine Stufe erreichen, in der ich wirklich in der Lage bin, mich im wahrsten Sinne des Wortes als Muslim zu bezeichnen. Ich brauche Gottver­trauen und muss geduldig sein. (SM)