Geteilte Meinungen: Ebola lässt Pilger-Träume westafrikanischer Muslime platzen

Millionen Muslime treten dieser Tage die Pilgerreise Hadsch ins saudische Mekka an. Doch mehr als 7000 Gläubigen aus Sierra Leone, Guinea und Liberia verwehrt Riad die Einreise. Das Königreich fürchtet eine Ausbreitung des tödlichen Ebola-Virus.

Von Kabba Kargbo und Kristin Palitza

Freetown/ Monrovia (dpa). Mehr als zehn Jahre lang hatte Suliaman Turay für diese Reise gespart. Monat für Monat hatte der 35-jährige Lehrer aus Sierra Leone Geld beiseite gelegt, um als gläubiger Muslim einmal an der Pilgersaison Hadsch im saudi-arabischen Mekka teilzunehmen. In diesem Jahr sollte es endlich so weit sein – bis ein tödliches Virus seine Pläne durchkreuzte.

Der Ebola-Ausbruch in West-Afrika hat Saudi-Arabien dazu veranlasst, rund 7200 Pilgern aus Guinea, Sierra Leone und Liberia die Visa zu versagen. Die drei Länder sind am stärksten von der Epidemie betroffen, der nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits mehr als 3000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Die Zahl der Infizierten stieg auf mehr als 6500. Die WHO rechnet aber mit einer hohen Dunkelziffer.

„Ich habe diese Reise mein ganzes Leben lang geplant und das wenige Geld, das ich hatte, für diesen Zweck gespart“, klagt Turay, der in Sierra Leones Hauptstadt Freetown lebt. Für viele Muslime, die schon Flüge und Hotels gebucht hatten, ist das ausgegebene Geld oft verloren. „Alle meine Anstrengungen waren vergeblich. Ebola hat meine Träume zunichte gemacht.“ Verständnis für das saudische Verhalten hat Turay keine. „Wir leiden doch bereits ohnehin unter dem Ausbruch. Anstatt uns ihre Sympathie zu zeigen, macht die saudische Regierung die Lage nur noch schlimmer für uns.“

Dabei liegt es durchaus auf der Hand, dass Riad alles nur in seiner Macht stehende unternimmt, damit das Virus nicht auch den Wallfahrtsort Mekka erreicht. Immerhin kommen jedes Jahr während der Hadsch Millionen Pilger aus aller Welt in der Stadt zusammen. In den Straßen herrscht dann großes Gedränge und die Temperatur liegt tagsüber durchschnittlich bei 40 Grad. Ebola wiederum wird durch Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen, darunter auch Schweiß.

Und dennoch sind in Sierra Leone dieser Tage Wut und Enttäuschung deutlich zu spüren. Mehr als 70 Prozent der sechs Millionen Einwohner sind muslimischen Glaubens. Bereits vor Wochen hatte die Regierung Saudi-Arabien gebeten, das Einreiseverbot aufzuheben. Dabei ging Sierra Leone sogar so weit, dass es anbot, jeden Pilger vor seiner Abreise auf Ebola zu testen – doch ohne Erfolg.

„Die saudische Regierung hätte einen Weg finden müssen, wie sie uns Muslimen helfen kann, unsere Verpflichtungen gegenüber Allah einzuhalten. Stattdessen haben sie uns alleine gelassen“, sagt Sheik Lamin Juana, Imam an der islamischen Fathil-Moschee in Freetown. „Ebola hat uns alles genommen, inklusive unserer religiösen Praktiken.“ Nun bete man gemeinsam dafür, im nächsten Jahr die Hadsch wieder praktizieren zu können, sagt der Imam, der ebenfalls in diesem Jahr als Pilger angemeldet war.

Im benachbarten Guinea werfen viele Muslime ihrer Regierung vor, nicht genügend Druck auf Riad ausgeübt zu haben. „Unsere Regierung hätte die saudischen Behörden davon überzeugen sollen, dass es möglich ist, Screening-Geräte an Flughäfen zu installieren, um so Verdachtsfälle aufzuspüren“, sagt Siradio Diallo aus Conakry, der in diesem Jahr ebenfalls zur Hadsch nach Mekka reisen wollte.

In Liberia immerhin versuchte der nationale Rat der Muslime der Sache noch etwas positives abgewinnen, indem er das Reiseverbot als „Willen des Propheten Mohammed“ bezeichnete. Erlassen, um Muslime aus anderen Staaten davor zu schützen, sich mit dem Virus zu infizieren. „Ebola ist eine sehr gefährliche Krankheit. Es war die richtige Entscheidung, die Visavergabe vorsorglich auszusetzen“, sagte der Vorsitzende des Rates, Sheikh Kafumba Konneh.

Derweil können sich die Muslime in Nigeria und im Senegal trotz kleinerer Ebola-Ausbrüche glücklich schätzen, dennoch nach Mekka pilgern zu dürfen. Nigeria etwa hat landesweit engmaschige Gesundheitsüberprüfungen an seinen Flughäfen vorzuweisen. Die bevölkerungsreichste Nation Afrikas wolle sicherstellen, dass „kein einziger Ebola-Fall exportiert, aber auch nicht importiert wird“, hatte Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu erklärt.