Gewalt gegen Körper, Geist und Seele

Ausgabe 295

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(IPS). Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine der am wei­testverbreiteten und verhee­rendsten Menschenrechtsverletzungen weltweit. Häufig wird sie wegen Straflosigkeit, Scham und Ungleichheit der Geschlechter nicht gemeldet.

Würde mir ein Wunsch gewährt, dann wäre er das vollkommene Ende von Vergewaltigung. Ihre Abschaffung bedeutet das Verschwinden einer destruktiven Waffe aus dem Arsenal von Konflikten, die Abwesenheit von täglichen Risiken für Mädchen und Frauen in öffentlichen und privaten Räumen, die Entfernung eines gewaltsamen Machtmittels sowie eine weitreichende Verschiebung in unseren Gesellschaften.

Vergewaltigung ist keine isolierte, kurzweilige Handlung. Sie beschädigt den Körper und hallt in der Erinnerung. Sie kann lebensverändernde, unerwün­schte Folgen haben – wie Schwangerschaft oder Infektionskrankheiten. Ihre langanhaltenden, verheerenden Effekte erreichen andere Menschen: Familie, Freund, Partner und Kollegen.

In Konflikten und im Frieden prägen sie weibliche Entscheidungen, sich in Gemeinschaften mit der Angst vor Angriffen oder dem Stigma einer Überlebenden zu bewegen. Frauen und Mädchen, die aus ihrer Heimat fliehen, riskieren unsicheren Transport und risikobehaftete Bedingungen mit Türen, die sich nicht verschließen lassen, mangelhaften Lichtverhältnissen oder ausreichenden sanitären Anlagen.

Mädchen werden als Kinder auf der Suche nach mehr Sicherheit daheim oder in Flüchtlingslagern früh verheiratet. Häufig finden sie sich in Bedingungen legitimierter Vergewaltigung wieder. Sie haben nur wenig Rückgriff auf Fluchtwege, sicheres Obdach oder Unterkunft. In einer Mehrheit der Staaten sind pubertierende Mädchen am meisten durch sexuelle Gewalt gefährdet – durch einen jetzigen oder ehemaligen Ehemann, Partner oder Freund. Für Millionen Frauen und Mädchen ist das Zuhause längst kein sicherer Ort.

Beinahe überall gehen die Täter straflos aus oder werden noch nicht einmal angezeigt. Damit Frauen dieses Verbrechen überhaupt anzeigen können, brauchen sie ein Mindestmaß an Widerstandsfähigkeit. Sie müssen die Attacke noch einmal durchleben, brauchen ­Wissen davon, wie es weitergeht, und ein gewisses Maß an Vertrauen in die Dienste, an die sie sich wenden – wenn es überhaupt solche Stellen für sie gibt.

In vielen Ländern wissen Frauen, dass sie mit überwältigender Wahrscheinlichkeit mehr beschuldigt werden als angenommen, wenn sie über sexuelle Übergriffe berichten. Sie müssen mit einem ungerechtfertigten Gefühl der Schande fertig werden. Das Ergebnis davon ist eine Unterdrückung der Frauenstimmen über Vergewaltigung, mangelhafte Berichterstattung und fortgesetzte Straflosigkeit der Täter. Forschungen ergaben, dass nur ein kleiner Anteil heranwachsender Mädchen, die erzwungenen Sex erleben, professionelle Hilfe suchen. Und nur zehn Prozent der Frauen, die nach der erlebten Gewalt Hilfe suchen, kontaktieren die Polizei.

Ein positiver Schritt in Richtung mehr Rechenschaft ist das allgemeine Verbot von Vergewaltigung. Gegenwärtig haben mehr als die Hälfte aller Staaten keine Gesetze, die ausdrücklich Vergewaltigung in der Ehe untersagen oder die das Prinzip der Zustimmung durchsetzen.

Neben der Kriminalisierung dieses Verbrechens müssen wir die Opfer viel mehr ins Zentrum einer Antwort stellen und Vergewaltigung zur Rechenschaft ziehen. Das heißt, Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden müssen im größeren Maße diese Verbrechen untersuchen können, die Opfer durch das Strafprozessrecht unterstützen, Zugang zu rechtlicher Beratung ermöglichen. Gerade Frauen aus marginalisierten Schichten brauchen besseren Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten. Mehr Frauen im Polizeidienst zu haben und ihre angemessene Ausbildung sind erste Schritte, um sicherzustellen, dass die Opfer wieder Vertrauen entwickeln und das Gefühl haben, dass ihre Beschwerde in jeder Phase eines potenziell komplexen Prozesses ernst genommen wird.

Für Fortschritte braucht es auch einen Erfolg bei der Abschaffung vieler institutioneller und struktureller Hindernisse. Patriarchale Systeme und negative Vorurteile zu Genderthemen existieren in Einrichtungen der Sicherheit, Polizei und Justiz. Das gleiche gilt für andere Behörden.

Wer Vergewaltigung als Waffe einsetzt, weiß, wie stark diese traumatisiert sowie die Stimme und Entscheidungsfreiheit unterdrückt. Das ist eine untragbare Belastung für die Gesellschaft. Keine weiteren Generationen sollten mehr mit diesem Vermächtnis der Rechtsverstöße kämpfen müssen.