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Historiker Gassert: Religion reicht als Erklärung für 9/11 nicht aus

Daesh Terror Syrien Irak
Foto: Fishman64, Shutterstock

Köln (KNA). Aus Sicht des Mannheimer Historikers Philipp Gassert reicht Religion als vorrangige Erklärung für den 11. September und die darauffolgenden kriegerischen Verwicklungen nicht aus. Sowohl die islamistischen Terroristen als auch die USA und ihre Verbündeten hätten religiöse Argumente immer wieder vorgeschoben, um Machtstreben und andere politische Ziele zu verschleiern, sagte er am 9. September im Deutschlandfunk.

Natürlich seien die Attentäter selbst „tiefreligiöse Menschen“ gewesen, die „einer Art religiösem Todeskult anhingen“, so Gassert weiter. Religion sei bei ihnen kein Vorwand gewesen, aber auch keine zwingende Ursache, „sondern es muss etwas dazukommen. Also viele Muslime und viele Christen leben sehr friedlich miteinander. Sie haben ihre religiösen und dogmatischen Unterschiede, aber das verleitet sie doch nicht dazu, gegeneinander Gewalt anzuwenden.“

Anders als später etwa Donald Trump habe US-Präsident George Bush 2001 sehr wohl unterschieden zwischen Islam und Islamismus, „weil er nicht alle Muslime oder den Islam als Religion in Mithaftung für diese radikale Sekte nehmen möchte, die den Anschlag verantwortet“. Er habe auch immer wieder betont, „dass es nicht ein Krieg gegen den Islam ist, sondern ein Krieg gegen den radikalen Islamismus und den Terrorismus“.

Die andere Seite der Medaille sei aber, „dass die Regierung Bush und einflussreiche Berater in seinem Umfeld eben genau diese Terroranschläge nutzen wollten, um eine amerikanische Weltvorherrschaft … um wenigstens eine Generation zu verlängern“, ergänzte der Professor für Zeitgeschichte an der Universität Mannheim, der kürzlich ein Buch zum 11. September und den Folgen veröffentlicht hatte.

Osama bin Laden auf der anderen Seite habe es geschafft, mit religiöser Argumentation Hass gegen die USA zu schüren. Zum einen habe er deren Kampf gegen den Terrorismus auf eine Stufe gestellt mit den Kreuzzügen zur Befreiung Jerusalems von den Muslimen. Zum anderen habe er behauptet, die USA hielten durch ihre Unterstützung für Saudi-Arabien die heiligsten Stätten der Muslime besetzt. Als Folge all dieser Entwicklungen, so Gassert weiter, hätten sich die Erzählungen vom Kampf der Kulturen und Religionen in vielen Köpfen festgesetzt.

Und das auch, „weil wir in Europa überwiegend in einer säkularisierten Gesellschaft leben, in der Religion an den Rand gedrängt wurde, zum Teil mit einem negativen Stigma“. Daher sehe man hier oft Länder, in denen Religion im öffentlichen Raum eine größere Rolle spiele, als „irgendwie veraltet“ an.

Buch: Philipp Gassert, „11. September 2001“, Reclam, 10 Euro.