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Kommentar: Das bessere Gespräch

Ausgabe 313

Foto: Adobe Stock

(iz). Münsteraner Wissenschaftler stellten fest, was kluge Köpfe seit geraumer Zeit befürchten: In Deutschland (und in Europa) haben sich einer Umfrage zufolge zwei verfestigte Lager mit extrem gegensätzlichen Haltungen gebildet, denen ein erheblicher Teil der Bevölkerung angehört. In den beiden Blöcken seien Einstellungen zu nationaler Zugehörigkeit, Demokratie und Vertrauen in die Politik komplett entgegengesetzt.

Wachsamen Muslim*innen ist diese Polarisierung bekannt. Selbstverständlich müssen wir das Phänomen verstehen und thematisieren. Das entbindet uns aber nicht, Wege für ein besseres Gespräch zu finden.

Erstens ist es wichtig, zu verstehen, dass unser Gegenüber oft einen anderen Hintergrund haben wird als wir. Das heißt, wir müssen anerkennen, dass der Andere von einer anderen Warte aus spricht.

Zweitens ist es aber für ein produktives Gespräch nicht genug, ausschließlich auf die eigene Perspektive und Betroffenheit zu pochen. Soll es sinnvoll sein, brauchen wir objektiv verbindliche Regeln und Wirklichkeiten. Das heißt auch, dass es ein Recht auf die eigene Meinung gibt, aber nicht auf die eigenen Fakten.

Drittens führt die starke Bindung zu einer Gruppe (oder mehreren) zu einem eigenen Jargon, Schlagworten, abgespulten Begründung und in sich schlüssigen Erklärungsmustern. Wer sinnvoll mit dem Anderen sprechen will, muss sich davon freimachen.

Viertens ist kein Mensch die Repräsentation abstrakter Vorstellungen – auch angehörige unterschiedlicher Lager nicht. Der syrische Notarzt, der dankbar von einem Krankenhaus aufgenommen wurde, steht nicht für die „Flüchtlinge“. Und die Alleinerziehende aus dem strukturschwachen Mansfelder Land steht nicht für eine „weiße“ Dominanzgesellschaft.

Fünftens müssen wir uns fragen, worüber wir eigentlich sprechen. Unsere inneren Motive stimmen nicht immer mit einem vorliegenden Thema überein. Darüber hinaus müssen wir wissen, wenn wir den Bias des Gegenübers hinterfragen, ob wir nicht selbst einen haben. Zusätzlich gilt, dass Emotionen und Empörung kein Argument ersetzen können.

Sechstens gilt, was der Philosoph Hans-Georg Gadamer sagte: „Man muss immer damit rechnen, dass der andere recht haben könnte.“