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Legitimiert der öffentliche Diskurs die kriminelle Praxis?

Foto: DITIB Dresden

Köln (DITIB). Allein innerhalb der letzten Woche gab es eine Serie von 4 Übergriffen gegen die DITIB-Moschee in Bebra, in Schwäbisch Gmünd, in Dresden und aktuell in Hamm. Hinzu kommt der gestrige Droh-Brief an die DITIB-Moschee Gemeinde in Dresden mit dem Satz „Nur ein toter Moslem, ist ein guter Moslem“.
Als Muslime und Migranten erleben wir in den letzten Monaten zunehmende Fremdenfeindlichkeit und Ressentiments. Diese schlägt sich besonders in den Übergriffen der letzten Woche nieder.
Die Verschiebung der politischen Mitte hin zu den populistischen Rändern ist beunruhigend und stärkt insbesondere den Rechtsextremismus. Besonders große Sorge bereitet uns, dass diese islamfeindliche Atmosphäre von menschen- und islamfeindlichen Aktivisten als ein Mandat zum Handeln verstanden wird. Denn in der vermeintlichen Annahme, dass eine breitere Mehrheit die eigenen Ansichten teile, aber sich nicht traue, aktiv zu werden, sehen sich insbesondere manch jüngere Extremisten berufen, gegenüber dem „Fremden“ vorzugehen, um die eigene „christlich-abendländische“ Kultur und das „Vaterland“ zu verteidigen.
So haben in Folge der Islam- und Fremdenfeindlichkeit die verzeichneten Übergriffe ein bedrohliches Ausmaß erreicht, das von Schmierereien, Vandalismus oder Drohbriefen bis hin zu gefährliche Brandstiftung und Angriffe auf Leib und Leben, wie zuletzt bei unserer DITIB Gemeinde und unserem Imam und seiner Familie in Dresden geschehen, reicht.
Auch entsetzen uns in dieser gesellschaftlich angespannten Atmosphäre die Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und auf Personen, die im öffentlichen Raum als Fremde wahrgenommen werden. Meldungen, wonach Frauen mit Kopftuch auf offener Straße beschimpft oder gar in U-Bahnen oder Supermärkten tätlich angegriffen werden, alarmieren uns zutiefst.
Oft genug erhielten Vorfälle dieser Art nicht die nötige politische oder mediale Aufmerksamkeit, eine gesellschaftliche Gegenreaktion oder Ächtung blieben zu oft lokal und nur begrenzt. Gleichwohl führt diese fehlende Anteilnahme dazu, dass Grundwerte wie Meinungs- und Religionsfreiheit speziell für Muslime in Frage gestellt werden und somit die Grundfeste unserer freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung erodieren. Ein Aufschrei, nachdem ein Mensch sein Leben verloren hat, wird zu spät sein. Möge Allah uns davor bewahren.
Umso wichtiger ist es, dass uns gemeinsam, ausgehend von Politik, über Medien hin zur Zivilgesellschaft eine Versachlichung der Islamdebatte gelingt. Hier sind neben den Muslimen vor allem und in erster Linie nichtmuslimischen Akteure unserer Gesellschaft in der Verantwortung.
Es ist derzeit salonfähig und gerade deshalb so gefährlich, dass unter dem Deckmantel vermeintlicher Islamkritik der Islam für gesellschaftliche, soziale und globale Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht wird und die Muslime als scheinbar homogene Gruppe per se als demokratieunfähig, integrationsunwillig, oder gar als gefährlich dargestellt werden. Solche vermeintlich „aufklärerischen“ Hasstiraden und -prediger bekommen stets eine Bühne und werden in den seltensten Fällen als das erkannt, was sie sind – nämlich rechtspopulistische, menschenverachtende Propaganda. Dass manch ein Akteur vermeintlich selber muslimischen Hintergrund hat, macht den Rassismus der dahinter steckt, nicht weniger gefährlich.
Als Muslime, genauer als deutsche Muslime, teilen wir nicht nur die gemeinsamen Grundwerte, wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit, gegenseitige Akzeptanz und Weltoffenheit, sondern leben diese in unserem Alltag und der Gemeindearbeit auch vor. Zum Tag der deutschen Einheit haben wir unsere Moscheen allen Besuchern und Interessenten geöffnet, haben uns offen und transparent allen Fragen gestellt, um Vorurteile abzubauen. Der gewählte Tag soll besonders verdeutlichen, dass wir uns Muslime wie Nichtmuslime als eine Einheit wahrnehmen und uns für die Zukunft unseres Landes, für die Zukunft Deutschlands umfassend einbringen wollen.
Denn es ist unsere aller gemeinsame Aufgabe, unser Land und unsere Werte zu schützen, damit wir auch in Zukunft ein weltoffenes und tolerantes Land bleiben. Das gelingt jedoch nur, wenn wir miteinander und nicht gegeneinander agieren, wenn wir Lösungen und nicht Sündenböcke suchen.
In diesem Sinne wollen wir an Politik, Medien und gesellschaftliche Akteure appellieren, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein, deeskalierend zu wirken und nicht den leichten Weg des Populismus einzuschlagen.
Wir brauchen mehr politische, mediale, gesellschaftliche und religiöse Akteure, die sich unbeeindruckt von der ständig wachsenden Islamophobie für diese gemeinsamen Werte einsetzen und solidarisch zeigen. Wir danken all denen, auch und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihren Worten Anteil nahmen und mit ihren Taten die Moscheen nach den Übergriffen unterstützen.