"Muslime & Globalisierung" – Deutschland verdient gern und viel mit. Die UN-Konferenz zur geplanten Regulierung des Waffenhandels musste scheitern

Ausgabe 206

(IZ/GFP.com/IPS). Die Anfang Juli begonnenen Verhandlungen über eine verstärkte, weltweite Kontrolle des Waffenhandels wurden Ende Juli nicht ganz unerwartet als gescheitert beendet. Wann sie fortgesetzt werden können, ist unklar. Trotz einer großen Mehrheit wehrten sich die Staaten mit der größten Waffenproduktion gegen einen ernstzunehmenden Waffenhandelskontrollvertrag, wie er von den ­Organisatoren geplant war. Nichtsdestotrotz warf die ­vierwöchige Konferenz ein Licht auf die Rolle verschiedener Länder – ­darunter auch der Bundesrepublik. Deutschland ist nach Angaben eines SIPRI-Berichts derzeit der größte Waffenexporteur Europas und der drittgrößte Waffenhändler der Welt.

Nach Jahren der Vorbereitung ­hatten sich 190 Staaten im Rahmen der UNO auf einen Verhandlungsmarathon eingelassen, um am Ende einen Vertrag zu beschließen, der den globalen Waffenhandel regulieren soll. Die Industriestaaten Russland, USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und China kontrollieren 88 Prozent des globalen Waffenmarktes. Alleine die Kleinwaffen wurden 2010 auf einen Wert von 411 Milliarden US-Dollar beziffert.

Im Moment gibt es keine bindenden internationalen Standards für das Gewerbe. Beinahe die Hälfte aller Staaten haben keinerlei Gesetze, soweit den Export von Waffen betrifft. „Ohne ­einen Vertrag können gewissenlose Makler und Produzenten die Länder mit ­schwächsten Kontrollsystem ausnutzen“, meinte Natalie Goldring von der Universität Geor­getown vor vier Wochen im Vorfeld der Verhandlungen. Nach Ansicht von Goldring wäre nur ein starkes Vertragswerk geeignet gewesen, den Waffentransfer via Drittstaaten zu unterbinden. Sollte es kein „robustes Abkommen geben“, wäre ein Scheitern besser, war die hellsichtige Einschätzung der US-Expertin. So werde die angebliche Weigerung, nicht an Länder mit einer schlechten Menschenrechtsbilanz zu liefern, von allen Exportnationen regelmä­ßig gebrochen. Ob Russland an den Iran verkauft, die USA nach Honduras oder Deutschland nach Algerien liefert: Überall ­dominieren Gewinninteressen und strategische Absichten. Die Control Arms Coalition, ein inter­nationaler Zusammenschluss von NGOs zum Thema, glaubte nicht an die Behauptungen der Exportnationen, dass Menschenrechte eine Rolle beim Waffen­handel spielen würden.

Wie der „Spiegel“ Mitte Juli berichtete, will das Bundeswirtschaftsministerium Ausfuhren deutscher Konzerne erleich­tern. Demnach liegen zwei Entwürfe für eine Reform des Außenwirtschaftsrechts vor, die darauf abzielen, auf Rüstungsprodukte bezogene ­Vorschriften „zu entschlacken“ und „deutsche Son­dervorschriften aufzuheben, die deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten benachteiligen“ könnten. Am 18. Juli lud das Ministerium die Verbände der Außenwirtschaft zur Abstimmung der Planungen ein. Die Bundesregierung werde an den „bewährten Grundsätzen“ des Außenwirtschaftsrechts nicht rütteln, „wonach die Ausfuhr von Rüstungsgütern im jeweiligen Einzelfall unter sorgfältiger Abwägung der außen-, sicherheits- und menschenrechtspolitischen Argumente geprüft“ werde.

Die „bewährten Grundsätze“ der bundesdeutschen Rüstungsexportpolitik haben Deutschland in den letzten Jahren auf der Weltrangliste der Lieferanten von Kriegsgerät immer weiter nach oben geschoben. Stand die Bundesrepublik im Jahr 2000 – zu Beginn der Amtszeit der rot-grünen Regierung – noch auf Platz fünf, so steigerten die Kabinette ­Schröder und Merkel die deutschen Waffenausfuhren in alle Welt so erfolgreich, dass Deutschland seit Jahren Platz drei besetzt. Im Zeitraum von 2007 bis 2011 nahmen neun Prozent aller Ausfuhren konventioneller Waffen ihren Ausgang in Deutschland (30 Prozent in den USA, 24 Prozent in Russland).

Ausfuhren von Kriegsgerät in Krisengebiete und die Belieferung von Diktaturen wurden regelmäßig genehmigt – von der jetzigen Regierung nicht ­weniger als von Rot-Grün in den Jahren 1998 bis 2005. Dabei setzen sich Bundeskanzlerin und Bundesminister bei ihren Auslandsreisen immer wieder für den Verkauf deutschen Kriegsgeräts an Staaten in Krisengebieten ein. Dies belegt eine Aufstellung der Bundesregierung für den Zeitraum von November 2009 bis April 2012.