MuteS-Geschäftsführer Imran Sagir über Ehrenamt und Integration

Ausgabe 200

Seit Jahren wird in Deutschland über die Bedeutung des Ehrenamts gesprochen. Berliner Muslime, unter Leitung von Islamic Relief Deutschland beteiligen sich daran mit der Muslimischen Telefonseelsorge MuTeS. Über die Erfahrungen des Projekts sprachen wir mit seinem Geschäftsführer Imran Sagir.

Islamische Zeitung: Im Mai diesen Jahres blickt MuTeS auf drei Jahre TelefonSeelsorge zurück. Wie würdest du die Entwicklung dieses Projektes beschreiben?

Imran Sagir: Zunächst konzentrierte sich unsere Arbeit nur auf den Bereich der Telefonseelsorge. Mittlerweile sind wir zu einem bekannten Akteur im sozia­len Bereich in Berlin geworden. Das bedeutet, dass wir nicht nur Anrufer mit seelischen Problemen betreuen, sondern auch von anderen Institutionen bei allgemeinen Anfragen über Muslime und den Islam kontaktiert werden. Darunter sind auch öffentliche Verwaltungsstellen, die uns nach unserer Einschätzung befragen. Die Anerkennung in der Öffentlichkeit hat enorm zugenommen, was auch durch die drei Preise deutlich wird, die MuTeS seitdem verliehen bekam. Was unser Angebot betrifft, so ist in diesen drei Jahren die Dienstzeit von acht auf 16 Stunden gesteigert worden. Im ­ersten Jahr hatten wir ungefähr 1.000 Anrufe, im zweiten Jahr ca. 2.000 und im vergan­genen Jahr hatten wir eine weitere Steigerung um 100 Prozent auf 4.000 Anrufe. Der Ausbau unserer Dienstzeiten war notwendig, um noch mehr Menschen Hilfestellung geben und der Nachfrage gerecht werden zu können. Dementspre­chend haben wir auch die Anzahl der TelefonSeelsorger von anfänglich 20 auf mittlerweile 55 erhöht.

Islamische Zeitung: Im vergangenem Jahr erhielt MuTeS den mit 5.000 Euro dotierten Publikumspreis beim Online-Voting für den Aspirin-Sozialpreis. Hast du damit gerechnet?

Imran Sagir: Bei der hohen Anzahl der teilnehmenden Initiativen haben wir überhaupt nicht damit gerechnet, eine Chance auf einen Gewinn zu haben. Die Resonanz verdeutlicht, dass MuTeS ein Feld im sozialen Bereich in Deutschland füllt, das es vorher nicht abgedeckt war. Bemerkenswert bei diesem Preis war, dass wir von potenziellen Anrufern geehrt ­wurden, und das hat uns natürlich sehr gefreut. Grundsätzlich sind Preise eine ermutigende Anerkennung von denen, die sie verleihen. Es hat uns gezeigt, dass unser Engagement geschätzt und registriert wird. Die Aktion hat auch dazu beigetra­gen, unseren Bekanntheitsgrad zu steigern, und das ist natürlich immer ­positiv zu bewerten. Der Gewinn von 5.000 Euro wurde in die Öffentlichkeitsarbeit investiert. Damit konnten wir Werbe-Clips zum Thema häusliche Gewalt, Spielsucht und Eheprobleme produzieren, die Betroffene dazu ermutigen, sich bei uns zu melden. Drei weitere Clips werden in nächster Zeit produziert.

Islamische Zeitung: Was bedeutet ehrenamtliche Hilfe für MuTeS? Und wie unterstützt ihr eure TelefonSeelsorger?

Imran Sagir: Telefonseelsorge ist in Deutschland grundsätzlich ehrenamtlich aufgestellt. Ohne Helfer wäre die Arbeit von MuTeS nicht denkbar. MuTeS fördert die Helfer durch eine Ausbildung im Bereich der Telefonseelsorge sowie regelmäßige Weiterbildungen und Infoarmationsabende. Darüber hinaus profitieren die Ehrenamtlichen durch das Netzwerk von MuTeS, auch in ihrem beruflichen Werdegang. Der wichtigste Teil des Netzwerkes sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter selbst, denn sie unterstützen sich gegenseitig durch die Vermittlung von Arbeitsstellen oder zum Beispiel Empfehlungsschrei­ben. Teilweise werden auch Diplom- und Bachelorarbeiten über die Arbeit von MuTeS verfasst. Bei Supervisionen können die Ehrenamtlichen im Bereich der Telefonseelsorge oder Teamfragen für sich selbst und ihr zukünftiges Berufsleben dazu lernen.

Islamische Zeitung: Welchen Beitrag leistet MuTeS im Bereich der Integration von Muslimen in die deutsche ­Gesellschaft?

Imran Sagir: MuTeS ermutigt ­Anrufer, bei Bedarf andere Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen. Die Hemmschwelle, diese zu nutzen, ist unter Menschen mit Migrationshintergrund oft sehr hoch. Bei den persönlichen Gesprächen werden diese Ängste reduziert. Durch MuTeS wird das Engagement der Muslime in der Gesellschaft besser wahrgenommen, etwa durch die Medien, durch Engagierte im sozialen Bereichen, Wohlfahrtsverbände oder die Landespolitik. Die generelle Akzeptanz steigt. Auch Nichtmuslime melden sich bei MuTeS, und auf diese Weise wird der Kontakt gestärkt.

Islamische Zeitung: Wie arbeitet ­MuTeS mit seinen Partnern – zwei kirchlichen Verbänden – zusammen? Wie hat sich die Zusammenarbeit in den letzten Jahren entwickelt?

Imran Sagir: Wir arbeiten hauptsächlich in den Bereichen Ausbildung, Weiter­bildung, Supervision und Öffentlichkeit­sarbeit zusammen. Wir unterstützen uns gegenseitig bei anfallenden Aufgaben, in der Öffentlichkeitsarbeit und bei Weiterbildungsmaßnahmen. Die Zusammenarbeit ist sehr positiv und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die teilweise bestehende Skepsis zu Beginn konnte schnell überwunden werden. Viele Fragezeichen im Zusammenhang mit Muslimen, die durch gesellschaftliche Entwicklungen entstehen, wurden durch die gegenseitige Kommunikation überwunden und unser Austausch trägt zum gegenseitigen Verständnis sowie zum ­Abbau von Vorurteilen bei. Das ­Verhältnis mit unseren Partnern bewegt sich mittlerweile auf freundschaftlicher Ebene. Die Ehrenamtlichen profitieren durch die Zusammenarbeit, zum Beispiel durch neue Möglichkeiten wie Praktika, die vermittelt werden.

Islamische Zeitung: Was plant ihr in der Zukunft?

Imran Sagir: Da bei den Telefonaten oft Eheprobleme im Vordergrund stehen, möchten wir uns mehr in diesem Bereich engagieren. Nach einem erfolgreichen Ehe-Informations-Seminar für Jugendliche planen wir weitere Aktionen in dieser Richtung. Es sollen in Zukunft weitere derartige Veranstaltungen auch für Eltern angeboten werden.

Islamische Zeitung: Vielen Dank für das Interview.