Neuköllner Muslime luden Politiker in die Moschee ein

Foto: Neuköllner Begegnungsstätte e.V. NBS

(IZ). Kurz vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus lud die Berliner Moschee „Neuköllner Begegnungsstätte/Dar as-Salam“ zu der Veranstaltung „Muslime fragen – Politiker antworten“ ein. In Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein Leadership Berlin und Unterstützung durch die Landeszentrale für Politische Bildung wurden von der SPD Rainer-Michael Lehmann, von der CDU Prof. Barbara John, von Bündnis 90/ Die Grünen Susanna Kahlefeld, von der Linkspartei Irmgard Wurdack, von den Piraten Alexander Spies, von der FDP Wolfgang Jockusch und von der AfD Hanno Bachmann eingeladen.
Gerade eine Bereitschaft der AfD in den Dialog mit der muslimischen Gemeinschaft zu treten, wurde mit Spannung erwartet. Wie aber von vielen vermutet, sagte sie kurzfristig ab. Ebenfalls nicht erschienen war Prof. Barbara John von der CDU. Vertreten wurde ihre Partei stattdessen von Dr. Hikmet Gülmez.
Der Gastgeber Imam Mohamed Taha Sabri, der für seine Leistungen mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet wurde, ging im Grußwort auf die Wichtigkeit des Dialogs ein. Er betonte, dass Muslime aus ihrem Glaubensverständnis heraus angehalten seien, „auf die beste Weise“ Debatten zu führen.
Die Kandidaten hatten zunächst die Möglichkeit sich in einem dreiminütigen Impuls-Statement vorzustellen und für ihre Parteien zu werben. Susanna Kahlefeld von den Grünen nutzte das geschickt. Sie ist kein unbekanntes Gesicht in der Gemeinde. Ähnlich zielsicher sprachen auch Wolfgang Jockusch von der FDP und Rainer-Michael Lehmann von der SPD vor. Lediglich der CDU-Vertreter schaffte es, sich selbst ein Bein zu stellen.
Vor einer Moscheegemeinschaft, die Berlinweit, wenn nicht Deutschlandweit, bei Muslimen für ihre beispielhafte Frauengruppe bekannt ist, sprach Dr. Gülmez von der Notwendigkeit von Gleichberechtigung. Dass er das vom eindeutig falschen Publikum fordert, schien ihn nicht besonders zu interessieren.
Den über 400 Gästen in der Moschee merkte man schnell eine Unzufriedenheit an. Die Fragen an das Podium glichen Abrechnungen. Ein junger Mann erkundigte sich nach den Positionen der Parteivertreter bezüglich einem Staatsvertrag mit den muslimischen Gemeinschaften, eine junge Frau wollte klare Worte zum Neutralitätsgesetz. Die Politiker zeigten sich rhetorisch kompromissbereit, kritisierten das Neutralitätsgesetz und lobten den Dialog. Später fasst eine Dame das Szenario mit der Aussage, ein einfaches „ja, ich werde mich für Sie einsetzen“ hätte gereicht. Nur, das gab es nicht so offen.
Klare Antworten bleiben an diesem Abend aus. Auf die Frage, was die Parteien bereit wären zu tun, um hetzerische Markierungen muslimischer Institutionen und Personen durch so genannte „Islamkritiker” zu beantworten, die meist in einer juristisch fragwürdigen Art und Weise geschehen, folgte Schweigen. In Anbetracht der Tatsache, dass auch die Gastgeber-Moschee jüngst Opfer derartig extremer Angriffe wurde und kurzerhand medial zur „Hass-Moschee” degradiert wurde, hätte den Diskutanten die Dimension des Problems bewusst sein sollen.
Moderiert wurde die Veranstaltung ironischerweise von Winfriede Schreiber, einer ehemaligen Leiterin des Brandenburger Verfassungsschutzes, dessen Berichte bei solchen Angriffen gern zitiert werden. Bis auf den Vertreter der Piraten, der ein paar nett gemeinte aber nicht wirklich hilfreiche Worte dazu verlor, ignorierten trotz der spürbaren Erwartungshaltung der vielen Gemeindemitglieder tatsächlich die Vertreter der Parteien die Frage. Der Gemeinde, die sich eine Verteidigung ihrer Leistungen wünschen würde, merkte man die Enttäuschung an.
Durch ihr charismatisches Auftreten konnten Susanna Kahlefeld von den Grünen und Wolfgang Jockusch etwas Eindruck schinden. Rainer-Michael Lehmann wirkte souverän, aber, wie es die 19-Jährige Hanan beschreibt, „am Ende auch nur wie jeder andere Politiker“. Wirklich überzeugen konnte wohl niemand. Ein Nachteil wird es wahrscheinlich aber nur für die CDU sein, deren Vertreter wirkte, als hätte er den Auftrag, die Gäste von einer Wahl seiner Partei abzuhalten.
Für den Moment des Abends sorgte Pinar Cetin, die im gleichen Wahlkreis unabhängig kandidiert und bei ihrer Frage nach dem Einsatz der Parteien für kopftuchtragende Musliminnen mehr Applaus bekam, als die Kandidaten selbst bei ihren Statements.