In der CDU-Programmdebatte diskutiert die Union ihre „neue“ Islampolitik. Kommentar über die Rückkehr von „Leitkultur“.
(iz). Das neue CDU-Programm soll sich wieder mit Werten, der deutschen Leitkultur und einem neuen Verhältnis gegenüber dem Islam beschäftigen.
Nun gut. Gott sei Dank wird die Werteordnung in Deutschland nicht von Parteien bestimmt. Die Grenzen der Religionsfreiheit legt das unparteiische Grundgesetz fest und wird notfalls von deutschen Gerichten verteidigt. Die Bemühungen des jahrzehntelangen Dialogs der Religionen zur Betonung gemeinsamer Werte fallen dieser Politik zum Opfer.
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Die CDU-Programmdebatte und eine schwammige Leitkultur
Sollte zum schwammigen Begriff der Leitkultur, die die konservativen Strategen ins Feld führen, auch das Werk Goethes gehören, wäre immerhin ein wissender, wohlwollender und verstehender Umgang mit dem Islam zu erwarten.
Dann wäre beispielsweise auch bekannt, dass die „Scharia“, die nach der CDU nicht zu Deutschland gehören soll, alltägliche Dinge lehrt wie das einfache Gebet, Stiftungswesen, die lokale Verteilung der Zakat oder die Ausgrenzung von Terrorismus. Goethes Feststellung über die Natur, dass sie kein System sei, gilt auch für den Islam.
Die Rechtsschulen des Islam passen die muslimische Praxis an Ort und Zeit an. Sie garantieren, dass das Verhalten der im Islam gebildeten Muslime berechenbar und konstruktiv bleibt. Muslime sind auf dieser Grundlage konservativ, weil sie ihre Religion bewahren wollen und liberal, weil sie ihr Leben an das hier und jetzt anpassen.
Diese Wirklichkeit bestimmt den Alltag von Millionen von Muslimen. Der Normalfall des Muslimseins wird von den Konservativen letztlich ignoriert, um die eigene Logik am Ausnahmefall, dem Extremisten, festzumachen. Dieses unaufgeklärte Feindbild ist leider wieder zu einem konstitutiven Element des konservativen Weltbildes geworden.
Das einfache Kalkül in der Union
Hinter der Strategie liegt ein einfaches Kalkül: Man gewinnt mehr Stimmen mit einer populistischen Anti-Islampolitik als mit einem Angebot an Muslime zur Mitwirkung in der Partei. Letzteres wäre ein Erfolg für die Demokratie.
Die Folgen der Ausgrenzung sind dagegen fatal: Für Muslime in Deutschland verfestigt sich der Eindruck, dass ihrem Dasein – solange man sich nicht ausdrücklich vom Islam distanziert – grundsätzlich und dauerhaft mit Misstrauen begegnet wird.
Zu befürchten ist, dass das neue Schlagwort-Programm allein dem rechten Rand dient und (konservativ-liberale) Muslime von der Partei fern hält. Praktizierende Muslime werden so in die Parallelgesellschaft gedrängt – hin zu zum Status eines Bürgers 2. Klasse, der keine Repräsentanz in den Parteien und damit auch nicht in den politischen Institutionen zu erwarten hat.
Das Programm fördert so, was es angeblich verhindern will. Wo soll denn nach Ansicht der Konservativen die politische Heimat von gläubigen Muslimen sein? Die Forderung nach einem „Muslimsein ohne Islam“ ist jedenfalls ein Paradox.
Auf jeden Fall ist mir eine deutsche Leitkultur lieber als eine islamische Leitkultur für Land und Leute. Darf man hier sowas auch als Kommentar schreiben? Das wäre sehr zu begrüßen.