In der jordanischen Hauptstadt Amman gibt es einen Notfallplan für einen Donnerstagabend: Man kann immer noch zum Souq al-Jummah gehen. Während meines Studienjahres in Jordanien gehörte es zu meinem Alltag, donnerstags und freitags auf den Markt zu gehen, um Gebrauchtwaren zu kaufen. Von Asha Athman
(Oxfam). Ich betrat den Raum gespannt. Hier traf ich auf unterschiedliche Gruppen, die zu meinen engsten Freunden in Amman wurden. Nach elf Monaten der regelmäßigen Besuche auf diesem Souq und ähnlichen erkannte ich, dass sich meine Wahrnehmung von Kleidung auf bisher ungekannte Weise änderte.
Es gibt in den meisten jordanischen Städten einen großen Freiluftmarkt für Schnäppchen. Diese Zonen verkaufen Kleidung, Schuhe, Assecoires und Haushaltsgegenstände. Daneben finden sich gelegentliche Lebensmittelmärkte. Sie sind halb-permanent und deshalb haben Verkäufer Läden und feste Stände.
Alternativ dazu gibt es mit dem Souq al-Jummah einen Wochenmarkt, der von Donnerstagnachmittag bis Freitagnachmittag im Viertel Ras al-’Ain abgehalten wird. Die Verkäufer kommen jeden Donnerstagmorgen, um ihre Stände mit teils mehreren Pavillons aufzubauen. Das Ganze erstreckt sich über mehrere Kilometer. Während es auf den eher permanenten Märkten Kioske für Kleinteile gibt, verkaufen hier mobile Stände Waren des alltäglichen Bedarfs.
Eine Gemeinsamkeit all dieser Märkte ist die Fülle an gebrauchter Kleidung, Schuhen und Accessoires. Auf beiden Arten des Marktes gibt es auch Neuwaren, aber die meisten Klamotten und Schuhe wurden schon einmal getragen. Ich kann mich erinnern, wie ich mehrfach durch Hemden stöberte und erstaunt war, was da zum Vorschein kam. Ich fand Uniformen südkoreanischer Gewerkschaftler sowie T-Shirts mit Werbung für US-amerikanische Laufwettbewerbe. Durch diese Klamotten und Schuhe zu gehen bewirkt bei einer normal neugierigen Person ein neues Verständnis vom Ausmaß des globalen Handels für gebrauchte Textilien.
Wenn wir uns den internationalen Handel vorstellen, neigen wir dazu, uns globale Versorgungsketten auszumalen, die neue Artikel für Markenkleidung, Plastikwaren für den Haushalt, Autos, tragbare Elektronikgeräte und Ähnliches produzieren. In Wirklichkeit befördern Lieferketten nicht nur Rohstoffe und neu hergestellte Waren in Kanälen, die gradlinig von Süden nach Norden verlaufen.
Der Ökonom Andrew Brooks beschrieb 2013 den weltweiten Handel mit Secondhand-Kleidung als „die Rückseite der globalen Wirtschaft (…), wo Profite durch Handel mit geringerwertigen Waren vom globalen Norden zum globalen Süden gemacht werden“. Er ist ein milliardenschwerer Wirtschaftszweig, der zwischen den 1980er und den frühen 2000er Jahren ein stetiges Wachstum verzeichnete. Der jüngste Rückgang war Anlass für Spekulationen internationaler Wirtschaftsanalysten, aber der Handel ist in Afrika und Asien nach wie vor einflussreich.
Die erfolgreichsten Exporteure sind die Vereinigten Staaten. Der Wert ihrer Exporte lag 2016 bei 575,5 Millionen US-Dollars. Geführt wird diese Industrie in westlichen Ländern von zwei Hauptakteuren: Wohltätigkeitsorganisationen, die Kleider sammeln, sowie Recyclingfirmen für Kleidung. Gemeinnützige Vereine verkaufen einen erheblichen Anteil, der an sie gerichteten Kleiderspenden an Zwischenhändler. Das sind oft Recyclingunternehmen, die große Mengen der von Wohltätigkeitsorganisationen zur Verfügung gestellten Altkleider und Überschüsse von Sekundärhändlern für den Export weiterverkaufen.
Der Handel an Secondhand-Textilien hat eine komplizierte Wirkung auf die einführenden Länder. Verschiedene Länder – mehrheitlich in Südostasien und afrikanische Staaten –, die immer noch zu den größten Importeuren zu den Gebrauchtwaren gehören, haben diese Einfuhren zum Schutz ihrer einheimischen Industrie verboten. Ruanda hat das beispielsweise beschlossen, um eine Textilindustrie aufzubauen, in der Einheimische beschäftigt werden.
Die Anthropologin Lynne Milgram (2008) befragte beispielsweise philippinische Händlerinnen, die den Handel mit Secondhand-Kleidung zwischen Hongkong und den Philippinen betreiben. Dieser Fall ist interessant, weil er sowohl die Komplexität der Verbote für die Einfuhr von Secondhand-Kleidung als auch die globalen Mechanismen zeigt, die diesen Handel aufrechterhalten. Ihre Studie fordert vorgefertigte Vorstellungen heraus, wonach die Handelnden im globalen Süden nur passive Empfänger von Waren seien, die im globalen Norden produziert werden. In Wirklichkeit beruht der Erfolg der untersuchten Gruppe in 1.) der Integration westlicher Waren, 2.) den sich wandelnden Vorlieben der Kundschaft und 3.) der Fortführung sozialer Praktiken, die Gemeinschaft stärken und Frauen im Handel unterstützen.
Angesichts dieses komplizierten Bildes auf der Angebotsseite des Handels mit Secondhand-Textilien stellt sich die Frage: Wie passen wir da hinein? Ich war motiviert, ein besseres Verständnis für den weltweiten Handel mit Secondhand-Kleidung zu entwickeln, weil mich der Markt in Jordanien angezogen hat. Ich habe mir einen positiven, ethischen Rahmen für den Kauf gebrauchter Kleidung im Vergleich zu neuer geschaffen. Da meine Sachen nicht frisch von der Stange bei H&M oder Zara kamen, konnte ich meiner Vorliebe für den Einkauf einen moralischen Wert beimessen.
In Wirklichkeit wusste ich wenig von der Herkunft meiner Sachen und kenne auch nicht die Bedeutung des Handels mit gebrauchten Textilien für die Jordanier. Wahrscheinlich aus Selbstgefälligkeit und Bequemlichkeit lebte ich bequem mit meiner Unwissenheit und vermied es, mich in die ethische Grauzone zu begeben, in der ich mich jetzt befinde.
Ich glaube, dass dieses ethische Dilemma auf lokaler Ebene ausgehandelt wird, wo die Vorstellungen über den Handel von Verkäufern und Verbrauchern sozial, kulturell und politisch entstehen. Ich hoffe, dass ein Gespräch wie dieses, in all seiner Komplexität, es uns ermöglichen wird, die Bekleidungs- und Handelssysteme in unserem täglichen Leben aktiv zu untersuchen und uns mit den Psychologien, die wir um sie herum aufbauen, auseinanderzusetzen.