
Die Betreiber des Online-Supermarkts yolla mischen den Lebensmittelhandel in 50 Städten auf.
(iz). Dass man sich in Deutschland eine Pizza liefern lassen kann, gehört schon lange zum Angebot vieler Restaurants. Spätestens seit der Pandemie sind viele Liefer- und Bringdienste hinzugekommen – und viele auch wieder verschwunden. Der Markt für Essenslieferdienste ist volatil. Einige Unternehmen sind aufgestiegen, andere längst wieder verschwunden. Einige dieser Unternehmen sind wegen der schlechten Arbeitsbedingungen ihrer Fahrradkuriere in die Kritik geraten.
Was anfangs als Notbehelf während der Sperrzeiten oder als Nische für hippe Großstädter galt, hat längst auch den Ethnomarkt für Lebensmittel erreicht. Einer seiner Akteure ist der Berliner Online-Supermarkt yolla. Er vertreibt vor allem türkische und arabische Lebensmittel sowie Halal-Fleisch. Wir sprachen mit den Machern Mohammad El Haj und Omar Halabi über ihre Idee, warum auch Nichtmuslime bei ihnen einkaufen und warum sich auch Migranten für Biolebensmittel begeistern können.
Islamische Zeitung: Lieber Mohamad El Haj, lieber Omar Halabi, trotz eures Erfolgs in den letzten Jahren kennen oder nutzen nicht alle Menschen das Konzept von Lieferdiensten für Lebensmittel. Wie sieht das bei euch aus? Wie läuft eine Bestellung bei yolla ab, und was bietet ihr den Kunden?
Mohamad El Haj: Du hast es schon richtig zusammengefasst. Wir sind ein Online-Supermarkt für orientalische Lebensmittel – aktuell hauptsächlich türkische und arabische. Natürlich ist alles halal. Wir bieten alles an: von Frischfleisch über Obst, Gemüse, Tiefkühl- und Milchprodukte usw. Einfach alles.
Wir liefern deutschlandweit – in 55 Städte sogar per Express-Versand, d.h. man bestellt heute und erhält seinen Einkauf direkt am nächsten Tag.
Islamische Zeitung: Hat yolla sein eigenes Sortiment? Manche Lieferdienste sind nur Zwischenhändler und verkaufen, was andere anbieten.
Omar Halabi: Genau, wir sind ein Supermarkt.
Islamische Zeitung: Die potenziellen Kunden laden eure App herunter und können dort nach verschiedenen Warengruppen suchen?
Mohamad El Haj: Genau, man kann in unserem Onlineshop oder in der App nach verschiedenen Kategorien und Produkten stöbern und das bestellen was gerade gebraucht wird..
Omar Halabi: Im Moment haben wir knapp 1.200 Einzelprodukte. Das bedeutet, für den Kunden sieht es an der Oberfläche sehr einfach aus. Der komplizierte Teil liegt dahinter – also darin, wie wir das operativ lösen.
Islamische Zeitung: Ihr bietet türkische, arabische und mediterrane Lebensmittel an. Könnt ihr einen Querschnitt geben, was genau in eurem Sortiment enthalten ist?
Omar Halabi: Im Grunde alles, was man in einem türkischen oder arabischen Supermarkt findet. Dazu gehören Wurstprodukte, unsere beliebte Fleischtheke, alle Arten von Brot sowie Käse – von Ziegenkäse bis Gouda. Wir führen auch viele Produkte der Marken JA und REWE. Getränke haben wir weniger im Angebot, da wir per Paket liefern und die meisten Kunden sie schnell und gekühlt haben möchten.
Islamische Zeitung: yolla wirbt damit, dass alle Fleischprodukte zu 100 Prozent halal sind. Verlasst ihr euch dabei auf die Angaben der Produzenten und des Großhandels, oder habt ihr eigene Kriterien?
Omar Halabi: Wir orientieren uns an Halal-Zertifikaten. Es gibt zwei bis drei Zertifizierungen, auf die wir besonders vertrauen und von denen wir wissen, worauf sie bei der Vergabe Wert legen. Daher nehmen wir nicht jede Marke ungeprüft auf.
Auch unseren Metzger haben wir mehrfach geprüft. Im Grunde verlassen wir uns jedoch auf die bestehenden Zertifikate, die es in Deutschland gibt und die in der Regel verlässlich sind.
Islamische Zeitung: Wenn man von türkischem oder arabischem Lebensmittelhandel hört, denkt man oft an ethnische Käuferschichten. Bei Lieferdiensten eher an hippe Großstädter. Auf welche Zielgruppe zielt euer Angebot ab?
Mohamad El Haj: Das ist eine gute Frage, die uns oft gestellt wird. Unsere Community ist relativ digital affin und hipper, als man vielleicht denkt. Viele unserer Kunden sind mit Apps und Webshops vertraut und kaufen bereits online ein.
Zusätzlich sind solche Services aus unseren Herkunftsländern bekannt – sei es aus dem Sommerurlaub oder aus der Zeit, als man dort gelebt hat. Diese Dienstleistungen sind dort seit Jahren etabliert.
Islamische Zeitung: Preis und Menge spielen für viele migrantische Kunden eine große Rolle. Im arabischen oder afghanischen Supermarkt ist der 5-Kilo-Sack Reis oft günstiger als in einer großen Supermarktkette. Ist das für manche Kunden eine Barriere?
Omar Halabi: Sowohl als auch. Bei einigen Produkten sind wir tatsächlich etwas teurer, aber nicht bei allen. Manche sind sogar günstiger.
Unsere Kunden sagen oft: Dafür spare ich Zeit, und mir wird eine Last abgenommen. Einen 5-Kilo-Sack Reis in den dritten Stock zu tragen, ist nicht für jeden einfach. Langfristig wollen wir aber dafür sorgen, dass unsere Kunden über die App auch Geld sparen können und die Ware günstig erhalten.
Die beiden yolla-Gründer Mohammed Hajj (rechts) und Omar Halabi (links). Foto: yolla
Islamische Zeitung: Könnt ihr sehen, wie euer Kundenstamm zusammengesetzt ist?
Mohamad El Haj: Unser Kundenstamm ist bunt gemischt. Was alle gemeinsam haben, ist, dass sie Halal-Produkte bevorzugen. Wir haben deutsche Kunden, die Halal-Fleisch konsumieren, genauso wie Kunden aus dem Balkan.
Omar Halabi: Die Motivation unserer Kunden ist vielfältig. Wir sprechen mit vielen nach ihrer ersten Bestellung, um herauszufinden, was sie überzeugt hat.
Die Qualität des Fleisches ist entscheidend. Wenn die nicht stimmt, kommt der Kunde nicht wieder. Danach sind die Gründe unterschiedlich: Der eine sagt, seine Tochter sei konvertiert und er möchte Halal einkaufen. Ein anderer berichtet, dass er eine Feier hatte und seine Gäste auf Halal-Fleisch Wert legen. Wieder ein anderer schätzt die gleichbleibend hohe Qualität.
Mohamad El Haj: Wir hatten sogar mal eine Firmenfeier, bei der nur Halal-Fleisch gekauft wurde, da viele Mitarbeiter nur Halal verzeren.
Islamische Zeitung: Hat yolla viel in Werbung und Marketing investiert?
Mohamad El Haj: Bisher nicht viel. Vieles ist organisch gewachsen. Wir werden demnächst mehr in Marketing investieren. Bisher haben wir kleinere Kampagnen gemacht, gelegentlich Werbung geschaltet und Flyer verteilt. Aber insgesamt ist das Budget noch überschaubar.
Islamische Zeitung: Seht ihr Potenzial im Bio- und Vegan-Segment?
Mohamad El Haj: Definitiv. Auf Lebensmittelmessen sieht man, dass große Marken sich in diese Richtung entwickeln. Es gibt mittlerweile vegane Adana-Kebabs und veganen Döner als Tiefkühlprodukte. Noch nicht im Supermarkt, aber die Entwicklung geht klar in diese Richtung.
Islamische Zeitung: Bio-Halalfleisch ist schwierig zu beziehen, oder?
Omar Halabi: Es gibt vereinzelte Anbieter. Wir bemühen uns, dieses Segment auszubauen. Die Frage ist, ob der Markt preissensibel ist. Ich glaube aber, dass viele bereit sind, für bessere Qualität mehr zu zahlen.
Islamische Zeitung: Was würdet ihr Gründern raten?
Omar Halabi: Man braucht Pragmatismus und Idealismus. Es reicht nicht, nur an Geld zu denken. Motivation ist am Anfang hoch, aber es gibt auch Durststrecken. Dann muss man am Ball bleiben.
Islamische Zeitung: Eher ein Marathon als ein Sprint?
Omar Halabi: Beides. Es ist ein Marathon mit zwischendurch notwendigen Sprints – eher ein Zirkeltraining.
Islamische Zeitung: Vielen Dank für das Interview!