Vermummte werfen Scheiben ein und legen Feuer: Kim Alexander Zickenheiner über den Anschlag auf ein Gebäude der Türkisch-Islamischen Union in Stuttgart

Stuttgart (dpa). Im Gewerbegebiet im Stuttgarter Ortsteil Feuerbach werden Spanplatten zurechtgeschnitten, die die ausgebrannten Fenster verdecken sollen. „Es gibt keine Worte dafür“, sagt Kadir Kinet aufgeregt. Sein Buchladen ist komplett ausgebrannt, innen ist alles schwarz und verkohlt. Kinet ist kurz angebunden, er arbeitet weiter. Rauchgeruch beißt in der Nase. Grüppchen von Menschen betrachten den Gebäudekomplex, der der Türkisch-Islamischen Union DITIB gehört. Neben der Moschee der Gemeinde gibt es hier türkische Restaurants, Reisebüros, Geschäfte. Der Stadtteil wird daher „Klein-Istanbul“ genannt. Das Feuer im Buchladen war ein Brandanschlag.

Ein Gemeindemitglied hat das Video einer Überwachungskamera auf seinem Handy. Drei Gestalten, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, werfen in der Nacht zum Dienstag brennende Gegenstände durch die eingeschlagenen Scheiben. Ein vierter Täter stellt etwas vor der Tür ab, es kommt zu einer Explosion. Alle rennen davon. Ein Schild an der Fassade warnt vor der 24-Stunden-Videoüberwachung.

Computer, Akten und die Ware – Werke über Religion, Romane, Sachbücher – sind komplett verbrannt. Die Polizei schätzt den Schaden auf rund 80.000 Euro. Am Mittag ist die Spurensuche bereits beendet. Niemand wird verletzt bei dem Anschlag. Zwei Menschen fliehen noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr aus dem Gebäudekomplex. Andere Räumlichkeiten bleiben von dem Feuer verschont.

Ali Ipek, Landeskoordinator der Ditib in Württemberg, hantiert mit der Stichsäge. Dass der Anschlag der ganzen Gemeinde gilt, ist für ihn klare Sache. „Das soll uns einschüchtern, aber wir sind nicht eingeschüchtert“, sagt er. Die Moschee ist weiterhin geöffnet. Im Gewerbegebiet an einer Haupteinfallstraße nach Stuttgart gibt es zahlreiche türkische Restaurants und Läden, Hunderte Gläubige kommen nach Angaben von Ditib immer zum Freitagsgebet. „In der Gemeinde gibt es Stress, auch Trauer, dass wir angegriffen wurden“, räumt Ipek ein.

„Das ist ein feiger Akt“, betont Erdinc Altuntas, Vorstandsvorsitzender der Ditib in Württemberg. „Ich hoffe auf eine schnelle Aufklärung.“ Welches Motiv hinter der Tat steckt, kann noch keiner sagen. Die Polizei schließt einen politischen Hintergrund nicht aus. Ob es für die Tat aber ein fremdenfeindliches Motiv gibt, ist nicht klar. Einige Gemeindemitglieder vermuten kurdische Täter.

Zuletzt war es auch in Stuttgart immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen türkischen und kurdischen Demonstranten gekommen. Die Gemeinde setze auf die Ermittler, um die Täter zu fassen, sagt Koordinator Ipek. Dass es nun gerade eine Buchhandlung getroffen hat, sieht er als ein schlimmes Zeichen. „Das richtet sich gegen Bildung, das hatten wir im Mittelalter auch schon“, sagt Ipek.

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